Pogacar will in den Alpen die Hauptrolle von seinem Landsmann und Kumpel übernehmen. Das Rennen um den Gesamtsieg bei der Tour de France - es wird zum slowenischen Privatduell.
Bei der Bergankunft im französischen Jura hatte der 21-Jährige nicht nur der geschlossenen Stärke der Jumbo-Mannschaft standgehalten. Im Zielsprint ließ er als einziger auch Roglic hinter sich und feierte seinen zweiten Tageserfolg bei der 107. Frankreich-Rundfahrt. Dritter wurde der Australier Richie Porte (Trek-Segafredo).
Für Egan Bernal ist die Mission Titelverteidigung derweil vorzeitig beendet. Der schwächelnde Ineos-Kapitän brach am Schlussanstieg ein und verlor 7:20 Minuten auf die Spitzengruppe. "Es war eine sehr, sehr schwere Etappe", sagte Pogacar, "einige Fahrer mussten heute bezahlen."
Roglic konnte dies als Teilerfolg verbuchen. Neben dem Sieg verlor der 30-Jährige aber auch wichtige Bonussekunden an Pogacar. Sein Vorsprung verringerte sich auf 40 Sekunden. Angesichts des großen Aufwands, den sein dominantes Team Jumbo-Visma betrieb, war dies zu wenig. Roglic sprach dennoch von einem "guten Tag", jeder im Team habe seinen Job super erledigt: "Es war nahe der Perfektion."
Tour de France: Vorjahressieger Bernal fällt weit zurück
Die im Zentralmassiv zuletzt sehr aktiven Bora-Profis Maximilian Schachmann (Berlin) und Lennard Kämna (Wedel) sparten am Sonntag Kräfte. In den Alpen ist dagegen mit erneuten Attacken der beiden Jungstars zu rechnen. Ihr als Hoffnungsträger gestarteter Teamkollege Emanuel Buchmann (Ravensburg) ist weiter außer Form, in den vergangenen Tagen plagte ihn zudem eine Erkältung.
Dafür zeigte sich der Berliner Simon Geschke (CCC). Der Etappensieger von 2015 war einer von acht Radprofis, die beim rund 100 km langen "Einrollen" vor den drei schwierigen Anstiegen des Tages in eine Fluchtgruppe fuhren. Geschke hielt sich lange an der Spitze. Eine Chance auf den Sieg hatte er wie die anderen Ausreißer aber nicht.
Das Hauptfeld war schon an der bis zu 22 (!) Prozent steilen Montee de la Selle de Fromentel auf eine Gruppe um die Top-Favoriten und ihre Helfer geschrumpft. Auch am Col de la Biche gerieten Fahrer aufgrund des hohen Tempos der Jumbo-Mannschaft in Probleme, einige Bernal-Helfer waren ebenfalls betroffen.
Am Grand Colombier, wo bei der Tour stets die Kolumbianer groß aufgetrumpft hatten, zeigten ausgerechnet die Südamerikaner zuerst Schwächen: Sowohl Nairo Quintana als auch Bernal ließen schon 13 km vor dem Ziel abreißen. Für den 23 Jahre alten Vorjahressieger geriet der Traum vom erneuten Triumph in Paris in weite Ferne. Die Entscheidung über den Tagessieg fiel im Zielsprint - dabei erwies sich Pogacar als der stärkste.
Tour de France: Vierte und letzte Corona-Testreihe steht an
Ein ungewohntes Bild zeigte sich am Schlussanstieg sowie bei der zweiten Bergwertung am Col de la Biche: Wegen steigender Corona-Infektionszahlen hatte das Departement Ain den Zugang für Fans zu den Bergen gesperrt. Statt durch eine Menschenmenge kletterten Roglic und Co. über weitgehend leere Pässe, begleitet hauptsächlich vom Lärm der Begleitfahrzeuge und TV-Helikopter.
Am Samstag auf dem Weg nach Lyon hatten sich Roglic und Co. weitgehend geschont - am Sonntag waren die Gelb-Favoriten schließlich reichlich gefordert. Erst im Finale attackierte Bernal, die Tempoverschärfung parierten die Rivalen aber problemlos. Jubel herrschte beim Dänen Sören Kragh Andersen, der erstmals eine Tour-Etappe gewann und dem deutsch-lizenzierten Team Sunweb den zweiten Tageserfolg bei der diesjährigen Großen Schleife bescherte.
Am Montag steht neben dem zweiten Ruhetag auch die vierte und letzte Corona-Testreihe der Tour 2020 auf dem Plan. Wie bereits in der Vorwoche gilt: Zwei positive Tests in einem Team - egal ob Fahrer, Mechaniker oder Masseur - führen zum Ausschluss der betroffenen Mannschaft. Selbst Roglic als Träger des Gelben Trikots könnte ausgeschlossen werden.