Julian Alaphilippe schlug sich stolz mit der Faust auf das Regenbogentrikot und sang auf dem Podium voller Inbrunst die Marseillaise - im Publikum jubelte dem Franzosen seine Gattin Marion Rousse zu. Der 29-Jährige siegte beim Heimspiel von Topfavorit Wout van Aert in der belgischen Region Flandern nach 268,3 knallharten Kilometern auf dem Klassikerkurs von Antwerpen nach Löwen und verteidigte seinen Titel erfolgreich. Van Aert, Hoffnung von geschätzt über einer Million fanatischer belgischer Radsport-Fans am Streckenrand, wurde Elfter.
"Ich glaube, die belgischen Fans hatten auf van Aert gehofft, und viele von ihnen haben weniger nette Worte für mich gefunden, als ich mich der Ziellinie genähert habe", sagte Alaphilippe und betonte mit einem Grinsen im Gesicht: "Das macht es doppelt schön, hier zu gewinnen."
Silber in einem hochklassigen und von vielen Stürzen begleiteten Rennen ging an den Niederländer Dylan van Baarle, Bronze holte sich Michael Valgren aus Dänemark. Medaillenhoffnung Nils Politt, der sich bereits nach drei Kilometern einen Platten Hinterreifen einhandelte, wurde 16.
Entwarnung nach Schreckmoment für Degenkolb
"Ich weiß nicht, was an den Pflasteranstiegen heute los war, auf jeden Fall waren es nicht meine Freunde. Es ist natürlich schade", sagte Politt: "Allgemein kann ich aber eigentlich ein positives Fazit ziehen."
Der zweimalige Paris-Nizza-Champion Maximilian Schachmann, der 165 km vor dem Ziel in einen Sturz verwickelt worden war, verlor kurz darauf den Anschluss an das Feld und gab das Rennen auf. Ebenso Politts Edelhelfer John Degenkolb nach einem schweren Sturz 115 km vor dem Ziel.
Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) gab Entwarnung. Degenkolb habe sich keine Brüche zugezogen und auch keine größeren Verletzungen davongetragen.
Bislang letzter deutscher Titelträger im Straßenrennen bleibt damit Rudi Altig, der 1966 triumphierte. Die bis heute letzte deutsche Einzel-WM-Medaille im Straßenrennen der Profis gewann Sprinter Andre Greipel, der vor zehn Jahren in Kopenhagen Bronze holte.
Die deutschen Starter hatten beim letzten Rennen von Tony Martin am vergangenen Mittwoch Gold in der Mixed-Staffel gewonnen. Bronze sicherten sich im WM-Verlauf Antonia Niedermaier (Bad Aibling) im Zeitfahren der Juniorinnen und Linda Riedmann (Karbach) im Straßenrennen in der gleichen Altersklasse.
Vergeblich Anstrengung von Lokalmatador Wout van Aert
Das Rennen am Sonntag nahm zunächst den erwarteten Verlauf. Einer früh ausgerissenen siebenköpfigen Gruppe versuchte eine weitere mit 15 Fahrern zu folgen, darunter das belgische Supertalent Remco Evenepoel, das sich immens für van Aert aufopferte, und Vuelta-Sieger Primoz Roglic aus Slowenien.
Im Peloton übernahmen die restlichen sechs Belgier die Tempokontrolle und arbeiteten für van Aert. 132 km vor dem Finale war die Flucht beider Gruppen beendet. Die entscheidende Rennphase läutete Politt mit einem Angriff kurz nach der 100-km-Marke ein, die zunächst zehn Mitstreiter fand. Auch diese Fluchtgruppe wurde gestellt - Politts Kraftreserven waren danach aufgebraucht.
Angefeuert von "Wout, Wout, Wout"-Sprechchören parierte van Aert, grandios unterstützt von Evenepoel und Jasper Stuyven, der Vierter wurde, zunächst alle Attacken der Konkurrenz. Dann stach Alaphilippe, der vergangenes Jahr vor van Aert in Imola triumphiert hatte, auf der letzten Runde in Löwen aber eiskalt zu.