Emma Hinze blickte bange Sekunden auf den Videowürfel unter dem Hallendach, dann erlöste Europas Sprint-Queen die Einblendung ihres beeindrucken Tigersprungs. In einem dramatischen Foto-Finish hatte die fünfmalige Weltmeisterin ihren Goldrausch bei der Heim-EM in München fortgesetzt und das nächste Glanzlicht für die herausragenden deutschen Bahnrad-Asse gesetzt.
Die 24-Jährige aus Cottbus gewann am Montag das spannende Finale in der Königsdiziplin Sprint und feierte nach den Erfolgen im Teamsprint und dem 500-m-Zeitfahren ihren dritten Sieg bei den Titelkämpfen in München. Hinze setzte sich in 2:1-Läufen hauchdünn gegen die Französin Mathilde Gros durch. Dritte wurde Laurine van Riessen aus den Niederlanden, die das Duell um Bronze gegen die zweite deutsche Starterin Lea Sophie Friedrich gewann. Friedrich war enttäuscht. "Es lag nicht an der Kraft, es war größtenteils taktisch. Das ist für mich enttäuschend, aber ich ziehe die besten Dinge daraus", sagte sie im ZDF.
Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) konnte "Blech" für Friedrich derweil gut verschmerzen. Hinze sorgte für die bereits zehnte Medaille bei der Heim-EM. Sechs Mal ging der Titel an den deutschen Verband. Und noch ist nicht Schluss: Weltmeisterin Friedrich könnte am Dienstag zum Abschluss der Bahnrad-Wettbewerbe noch im Kampfsprint Keirin nachlegen. Hinzes Start ist wegen ihres Unwohlseins nicht mehr geplant.
Hinze, hatte Bundestrainer Jan van Eijden vor Beginn des Sprintturniers gesagt, sei eine, die "genau weiß, was sie will. Sie ist unglaublich fokussiert." Eine weitere Medaille sei "nicht unrealistisch". Van Eijdens Einschätzung bestätigte sich.
Das Finale um Gold hatte zunächst den erwarteten Verlauf genommen. Hinze dominierte das erste Duell, im Ziel hatte sie fast eine Radlänge Vorsprung. Aus der ungünstigen zweiten Position hatte Hinze im zweiten Durchgang Probleme, im Entscheidungslauf mobilisierte sie nochmals alle Kräfte.
Vorausgegangen war eine ungeplant lange Wartezeit. Der Start des Entscheidungslaufs verzögerte sich wegen eines erneut schweren Sturzes um eine knappe Stunde. Im abschließenden Punktefahren des Frauen-Omniums waren mehrere Fahrerinnen zu Fall gekommen. Besonders schwer erwischte es die Griechin Argiro Milaki und Ganna Solovej aus der Ukraine. Beide wurden rund 30 Minuten hinter einem Sichtschutz behandelt und anschließend auf einer Trage aus der Halle transportiert.
Das einmal mehr starke Abschneiden der deutschen Fahrerinnen und Fahrer rundete Maximilian Dörnbach ab. Der 26-Jährige raste im 1000-m-Zeitfahren in 1:00,225 Minuten zu Bronze und feierte seine erste internationale Medaille im Elitebereich der Männer.
"Es ist ein unbeschreibliches Gefühl", sagte Dörnbach: "Ich wäre gerne noch ein bisschen schneller gefahren. Der Kilometer in der Qualifikation hat aber schon Körner gekostet, die Tage zuvor auch."
Den Titel sicherte Melvin Landerneau aus Frankreich (59,975 Sekunden), Silber ging an den Italiener Matteo Bianchi (1:00,089). Der zweite deutsche Starter Marc Jurczyk (1:00,879) belegte den sechsten Rang.