Provokation oder Bagatelle?

SID
Lance Armstrong kehrt zur Tour de France zurück
© getty

Lance Armstrong kehrt im Rahmen eines Charity-Rennens zur Tour de France zurück. Es ist ein Reizthema, das in der Szene gespaltene Resonanz hervorruft.

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Provokation oder Bagatelle? Lance Armstrongs Stippvisite bei der 102. Tour de France wirbelt seit der Ankündigung vor einigen Monaten gehörigen Staub auf. Dass der Verstoßene, die Persona non grata, nun dorthin zurückkehrt, wo er die Früchte seines betrügerischen Perfektionismus' erntete, werten manche als Affront. Andere sehen es gelassen.

Armstrong wird vor der 13. (Muret-Rodez) und 14. Tour-Etappe (Rodez-Mende) an einem Charity-Rennen teilnehmen, das der englische Ex-Profifußballer Geoff Thomas unter dem Namen "One Day Ahead" zugunsten einer Leukämie-Stiftung ins Leben rief. Bei der Fahrt durchs Zentralmassiv am 16. und 17. Juli rechnet der Texaner selbst kaum mit Anfeindungen.

"Ich kann mich zwar täuschen - ich habe mich oft getäuscht in meinem Leben -, aber das ist nicht die Reaktion, die ich in Frankreich bekomme, seit all das passierte", sagte Armstrong im Juni bei einem Gruppeninterview in seinem Haus in Aspen/Colorado, an dem die Nachrichtenagentur AFP teilnahm.

"All das" - das sind seine sieben Tour-Titel zwischen 1999 und 2005, die im Oktober 2012 kassiert wurden, als Armstrong aufflog und einen dicken weißen Fleck in den Tour-Annalen hinterließ.

"Respektlos und völlig unangemessen"

Sein einstiger großer Rivale und Epochengenosse Jan Ullrich würde ihm die erschwindelten Triumphe nach wie vor zurückgeben, wie er gerade in einem Interview mit der Zeitung Le Monde bekräftigte. Weltverbandsboss Brian Cookson dagegen schlug weit weniger versöhnliche Töne an und nannte Armstrongs Gastspiel "respektlos und völlig unangemessen", was der 43-Jährige mit den Worten konterte, der UCI-Boss habe gewiss weit größere Probleme als ihn.

In der deutschen Profiszene fallen die Reaktionen auf den Besuch des tief gestürzten Superstars, dem im Zuge zahlreicher Gerichtsverfahren sogar der finanzielle Ruin droht, gemäßigt aus. Tony Martin rät, den Charity-Gedanken und Armstrongs Lügen zu trennen.

"Wenn er damit bedürftigen Menschen helfen kann, dann sollte man das unterstützen", sagte der Zeitfahrspezialist, und John Degenkolb ergänzte: "Charity bedeutet, dass es für den guten Zweck ist. Ich würde mich nicht auf die Füße getreten fühlen."

Armstrong könnte Schatten werfen

Bei Thomas' Veranstaltung nimmt eine Gruppe von Fahrern jede Etappe der kommenden Tour einen Tag vor den Profis in Angriff. Wenn Armstrong, der seinen Aufstieg auch auf dem Sieg gegen den Krebs begründete, dazu kommt, könnten die Spenden sammelnden Ausflügler womöglich das aktuelle Rennen in den Schatten stellen. Nicht zuletzt daran stören sich Kritiker.

Am Freitag startete Thomas mit zwölf anderen Radfahrern in Utrecht sein Unterfangen. Der 50-Jährige sagt, Armstrongs Grundgedanke sei wie bei dessen einstiger Stiftung Livestrong, den Kampf gegen den Krebs zu unterstützen. "Das ist alles, was er will. Wir wollen keinen mangelnden Respekt vor der Tour zeigen."

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