"Heute hat man gesehen, wie schnell bei der Tour etwas passieren kann. Ich bin dankbar, dass ich so einen großen Vorsprung habe", sagte Froome, der zudem Entwarnung gab: "Es ist alles gut, nichts Ernstes. Ich habe nur ein bisschen Haut verloren."
Nach einem verregneten Finale der ohnehin komplizierten 19. Etappe ins Mont-Blanc-Massiv nach Saint-Gervais, in dem sich die Ereignisse regelrecht überschlugen, baute der Brite seine Führung sogar aus. Erster Verfolger ist jetzt mit 4:11 Minuten Rückstand der Franzose Romain Bardet, der die letzte Bergankunft der 103. Frankreich-Rundfahrt gewann und für den ersten Etappentriumph der Grande Nation in diesem Jahr sorgte.
Froomes Gelbes Trikot war zerfetzt, die rechte Schulter blutete, als er sich die letzten Kilometer hinauf zum Ziel quälte. Auf dem Rad seines Sky-Teamkollegen Geraint Thomas beendete Froome den schwierigsten Alpen-Abschnitt und ist jetzt nur noch zwei Renntage und 259,5 Kilometer von der Krönung in Paris entfernt.
Die 19. Etappe in der Übersicht
Der Schreck fuhr Froome jedoch in die Glieder, als er in einer Rechtskurve der Abfahrt an den Fuß des Schlussanstieges den Halt verlor und über das Vorderrad seiner Rennmaschine zu Boden ging. "Ich bin auf der weißen Straßenmarkierung ausgerutscht", sagte Froome.
Buchmann auf Rang 24
Froome steckte den Zwischenfall zunächst gut weg und hielt das Hinterrad seines Edelhelfers Wouter Poels. Doch neben der Schulterblessur und den Schürfwunden am Rücken waren das Leiden und die Schmerzen seiner Mimik zu entnehmen. Im Ziel dankte Froome seinem niederländischen Teamkollegen mit einem Klaps auf die Schulter, während der wie entfesselt fahrende Bardet Frankreich erlöste. "Es ist unglaublich, ich habe es noch gar nicht realisiert. Auf den letzten Metern habe ich es einfach nur genossen", sagte er.
Sky-Kapitän Froome war aber bei weitem nicht das einzige Opfer der spiegelglatten Straßen, die einsetzender Regen in der Endphase des Rennens zu einem unkalkulierbaren Risikofaktor machte. Reihenweise gingen die Fahrer zu Boden, wie auch der Niederländer Bauke Mollema oder der Franzose Pierre Rolland. Mollema kassierte letztlich eine richtige Packung und verlor seinen zweiten Gesamtrang. "Ich hatte einfach nur Glück, dass ich nicht gestürzt bin", sagte Emanuel Buchmann, der als bester Deutscher auf Rang 24 ins Ziel kam, in der ARD.
Zu einem ganz bitteren Tag wurde der schwierigste Alpen-Abschnitt auch für den Niederländer Tom Dumoulin, der am Donnerstag noch Froome im Bergzeitfahren gefordert hatte. Der 25-Jährige aus dem deutschen Team Giant-Alpecin stürzte rund 60 km vor dem Ziel nach einer Berührung mit einem Konkurrenten und brach sich den linken Unterarm. Ein zunächst befürchteter Bruch des Handgelenks bestätigte sich nach eingehenden Untersuchungen nicht.
Der zweifache Etappensieger der Tour 2016 stieg mit Tränen in den Augen in ein Begleitfahrzeug und - viel schlimmer - muss nun um die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro bangen. Dumoulin galt als Gold-Mitfavorit für das olympischen Einzelzeitfahren am 10. August. "Eine Olympia-Teilnahme wird schwierig. Ich werde nicht nach Rio fahren, wenn ich keine Chance auf eine Medaille habe", sagte Dumoulin.
Alpen-Prüfung folgt
Das deutsche Rundfahrt-Talent Buchmann hatte wie geplant den Sprung in die Ausreißergruppe des Tages geschafft. Unter den zunächst 20 Fahrern an der Spitze waren auch Zeitfahr-Spezialist Tony Martin und Routinier Marcus Burghardt, die aber im harten Anstieg zum Montee de Bisanne früh zurückfielen. Auch Buchmann hielt nicht wesentlich länger stand. Probleme bekam er nach einer Tempoverschärfung von Rafal Majka, dem Träger des Bergtrikots, dem der Sieg in der Sonderwertung nun nicht mehr zu nehmen ist.
Am Samstag werden wohl auch die allerletzten Zweifel an Froomes Gesamtsieg verschwinden, wenn seine Gesundheit es zulässt. Bevor jedoch die Pläne für die Siegesparty in Paris geschmiedet werden können, folgt die abschließenden Alpen-Prüfung. Auf dem 146,5 km langen Teilstück von Megève nach Morzine stehen nochmals vier Bergwertungen auf dem Programm. "Es wird ein ganz harter Tag. Es kann sein, dass ich etwas lädiert bin", sagte Froome.