Andre Greipel pfefferte frustriert eine Trinkflasche auf die Straße und machte seinem Ärger über die zweite deutsche Sprinter-Pleite bei der Tour gehörig Luft. "Soll ich jetzt nach Hause fahren und den Kopf in den Sand stecken? Wir versuchen es weiter", sagte ein angefressener Greipel, nachdem ihm Mark Cavendish den Sieg auf der dritten Etappe praktisch auf der Ziellinie entrissen hatte.
Nicht einmal eine Reifenbreite trennte Greipel (Lotto-Soudal) nach 223,5 Kilometern in Angers von seinem insgesamt elften Tagestriumph bei einer Frankreich-Rundfahrt. Doch Cavendish verhinderte wie schon beim Tour-Auftakt am Utah Beach einen deutschen Triumph. In der Normandie hatte der Ex-Weltmeister vor Marcel Kittel (Arnstadt/Etixx-Quick Step) gewonnen, der diesmal nur Siebter wurde. "Es war sehr knapp. Es ist keine Schande, gegen Cavendish zu verlieren", sagte Greipel, der mit seiner Leistung zufrieden war: "Es war ein guter Sprint, ich muss mich hier nicht verstecken."
Auf dem zweitlängsten Tour-Abschnitt hatte Greipel noch wenige Meter vor der Ziellinie wie der sichere Sieger ausgesehen, und das, obwohl sein Sprintzug nicht optimal funktionierte und Greipel sich zudem noch verschaltete. Kittel fuhr niedergeschlagen und wortlos sofort in Richtung Mannschaftshotel.
Cavendish zieht mit Hinault gleich
"Wir haben einen Fehler gemacht, deshalb war ich eingekesselt", ließ Kittel später mit Blick auf den Zielsprint mitteilen: "Aber aus Fehlern müssen wir lernen. Wir werden darüber reden und es erneut versuchen." Das Gelbe Trikot des Gesamtführenden verteidigte der Slowake Peter Sagan (Tinkoff) souverän, verlor aber das Grüne Trikot an Cavendish.
Im leicht ansteigenden Finale hatte der 31-jährige Cavendish das Quäntchen Glück auf seiner Seite, aber auch die besten Nerven, um im richtigen Moment seinen Antritt zu lancieren. Erst nach einigen Sekunden und dem Zielfoto war klar, dass der deutsche Meister Greipel haarscharf geschlagen war. Während bei Cavendish großer Jubel ausbrach, nahm Greipel die Entscheidung zunächst ungerührt zur Kenntnis.
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Für Cavendish war es der 28. Etappensieg bei der Tour, damit hat der Sprinter von der Isle of Man mit der französischen Legende Bernard Hinault gleichgezogen. Nur der große Eddy Merckx (34) hat noch mehr. Greipel und Kittel haben bereits am Dienstag aller Voraussicht nach eine weitere Chance, Cavendish zu bezwingen. Die weitgehend flache vierte und mit 237,5 km längste Etappe der Tour 2016 führt nach Limoges, dort dürfte das Peloton geschlossen ankommen.
"Sie fahren, als hätten sie kein Hirn"
Der Gesamtführende Sagan, am Montag auf Rang vier, hatte nach seiner Fahrt ins Gelbe Trikot mit deutlichen Aussagen die Fahrweise seiner Pelotonkollegen kritisiert und sich über das ständige Chaos in der ersten Tour-Woche echauffiert. "Sie fahren, als hätten sie kein Hirn, jeder fährt, als ob ihm sein Leben nichts wert wäre", sagte der amtierende Straßen-Weltmeister.
Auch am Montag gab es im Finale einige heikle Stellen, vor denen etwa Greipel nicht ganz wohl war. "Ich habe es gerne etwas aufgeräumter", sagte er vor der Etappe. Rein sportlich verbreitete er Zuversicht. "Die Beine sind gut, das Selbstvertrauen ist gut, wir werden unser Bestes geben. Der Schlüssel wird die Position im Finale sein", sagte Greipel. Letztlich war Cavendish aber einen Hauch schneller.
Bis in die Endphase folgte das Peloton weitgehend im Bummeltempo dem bedauernswerten Ausreißer Armindo Fonseca (Frankreich), der später noch von Landsmann Thomas Voeckler Gesellschaft hatte und sich über 200 Kilometer vergeblich mühte. Dann war die aussichtslose Flucht vorbei, die Sprinter bauten ihre Formationen auf und jagten in Richtung Ziel.