Favoriten der Tour de France 2020: Jumbo-Visma gegen Ineos - oder doch Thibaut Pinot?
Der Kampf um die Gesamtwertung könnte in diesem Jahr sogar noch spannender werden als 2019. Zur Erinnerung: Julian Alaphilippe wuchs über sich hinaus und fuhr ganze 14 Tage in Gelb, musste das Maillot Jaune dann aber doch an den letztendlichen Sieger Bernal (23) abgeben. Der stand als Sieger fest, nachdem die 19. Etappe aufgrund eines starken Gewitters vorzeitig beendet werden musste.
Einige frühere Champions wird man derweil am Start vermissen: Ineos um Manager Dave Brailsford verzichtet sowohl auf Christopher Froome (Tour-Sieger 2013, 2015-17, als auch auf Geraint Thomas (2018). Begründung: Man müsse die eigenen Hochkaräter auf die Landesrundfahrten verteilen, um in einem Jahr alle drei großen Rundfahrten zu gewinnen.
Dennoch verfügt Ineos über die Manpower, drei Wochen lang Feld und Tempo zu kontrollieren und Titelverteidiger Bernal in die beste Ausgangslage zu manövrieren. Da wäre etwa der unglaublichen zähe und aufstrebende Pavel Sivakov (23), der für seine Konstanz am Berg bekannt ist. Auch auf Richard Carapaz (27) ist immer Verlass. Der Kolumbianer, der den Giro 2019 für sich entschied, ist ein exzellenter Bergfahrer mit taktischem Kalkül, der auch in hektischen Rennsituationen ruhig bleibt und seinen Stiefel weiterfährt.
Bernal selbst sorgte bei der Dauphine für Aufregung: Der ehemalige Mountainbiker gab nach der dritten Etappe aufgrund von Rückenschmerzen auf und reiste ab. Ein rein taktischer Schachzug? Bereits einen Tag wurde der Kolumbianer schon wieder beim Training gesichtet. So oder so gilt er als heißestes Eisen auf den Toursieg, denn das bergige Profil kommt ihm sehr entgegen.
Tour-Favoriten: Jumbo-Visma und Pinot fordern Bernal
Erster Herausforder von Ineos ist das Team Jumbo-Visma, welches seit dem Neustart der Saison alles in Grund und Boden fährt. Die Niederländer reisen mit den Edelhelfern Tom Dumoulin (Giro-Sieger 2018) und Sepp Kuss an, die einen unglaublich starken Eindruck bei der Dauphine machten. Kuss konnte beim finalen Anstieg der zweiten Etappe sogar Bernal folgen und wenige Tage später gewann er als Solo die letzte Etappe in Megeve.
Aber: Der auserkorene Kapitän Roglic wackelt. Der ehemalige Skispringer ließ die Konkurrenz bei den Bergankünften der Dauphine zunächst fast schon mühelos stehen, stürzte dann aber und musste das Rennen aufgeben. Noch schlimmer erwischte es Teamkollege Steven Kruijswik (Tour-Dritter 2019), der ebenfalls stürzte und bei der Tour fehlen wird. Und Roglic? "Ich habe ehrlich gesagt gedacht, dass ich mich jetzt schon besser fühlen würde. Lasst uns sehen, was die nächsten Tage bringen", schrieb er am 21. August auf Instagram.
Keinesfalls außer Acht lassen darf man Thibaut Pinot von Groupama-FDJ. 2019 war der 30-Jährige der stärkste Fahrer am Tourmalet, das Profil der diesjährigen Tour dürfte ihm also liegen. Nach der bitteren Aufgabe kurz vor dem Ziel in Paris ist der Franzose auf Wiedergutmachung aus, bei der Dauphine schrammte er nur knapp am Gesamtsieg vorbei. Besonderer Ansporn: Das Zeitfahren der vorletzten Etappe führt durch seinen Heimatort Melisey.
Tour de France 2020, Etappencheck: Bergzeitfahren wird zum Wegweiser
Die diesjährige Tour ist eine der bergigsten des letzten Jahrzehnts und wird den gewichtsärmeren Klettern sicherlich entgegenkommen. Zudem steht nur ein einziges Zeitfahren im Programm.
Bereits die zweite Etappe rund um Nizza führt über den Col da Colmiane (1. Kategorie), den Col de Turini (1.) und den Col d´Eze (2.) - noch nie ging es bei der Tour gleich so früh zur Sache. Hier stehen direkt die Kletterer im Mittelpunkt, auch die Kapitäne könnten eine erste Duftmarke setzten. Die erste von gleich sechs Bergankünften wartet am 1. September in Oricieres-Merlette.
Mit der achten Etappe wird das Feld die Pyrenäen erreichen, ein absolutes Highlight lauert auf der 13. Etappe am 11. September: Mit 4.400 Höhenmetern im Programm werden hier die Kapitäne den Etappensieg unter sich ausmachen. Am darauffolgenden Sonntag folgt dann die Königsetappe hinauf zum geschichtsträchtigen Grand Colombier, wo Rampen mit bis zu 22 Prozent Steigung lauern. Der Col de la Loze (17. Etappe) ist neu im Programm und auf 2.304 Metern Höhe gleichzeitig das "Dach" der diesjährigen Tour.
Die Entscheidung über den Sieger fällt spätestens auf der 20. Etappe, beim einzigen Einzelzeitfahren nach La Planche des Belles Filles. Dieses endet mit einer Steigung (8,5 Prozent im Schnitt) und einer brutalen Rampe mit 20 Prozent kurz vor der Ziellinie. Wenn hier keine Körner mehr übrig sind, kann man in der Endabrechnung auch noch durchgereicht werden.
Tour de France 2020: Alle Etappen im Überblick
Etappe | Datum | Strecke | Streckenprofil |
1. Etappe | 29. August | Nizza - Nizza (156 km) | flach |
2. Etappe | 30. August | Nizza - Nizza (186 km) | Gebirge |
3. Etappe | 31. August | Nizza - Sisteron (198 km) | flach |
4. Etappe | 1. September | Sisteron - Orcieres-Merlette (160,5 km) | hügelig |
5. Etappe | 2. September | Gap - Privas (183 km) | flach |
6. Etappe | 3. September | Le Teil - Mont Aigoual (191 km) | hügelig |
7. Etappe | 4. September | Millau - Lavaur (168 km) | flach |
8. Etappe | 5. September | Cazeres-sur-Garonne - Loudenvielle (141 km) | Gebirge |
9. Etappe | 6. September | Pau - Laruns (153 km) | Gebirge |
Ruhetag | 7. September | ||
10. Etappe | 8. September | Le Chateau-d'Oleron - Saint-Martin-de-Re (168,5 km) | flach |
11. Etappe | 9. September | Chatelaillon-Plage - Poitiers (167,5 km) | flach |
12. Etappe | 10. September | Chauvigny - Sarran Correze (218 km) | hügelig |
13. Etappe | 11. September | Chatel-Guyon - Puy Mary Cantal (191,5 km) | Gebirge |
14. Etappe | 12. September | Clermont-Ferrand - Lyon (194 km) | flach |
15. Etappe | 13. September | Lyon - Grand Colombier (174,5 km) | Gebirge |
Ruhetag | 14. September | ||
16. Etappe | 15. September | La Tour-du-Pin - Villard-de-Lans (164 km) | Gebirge |
17. Etappe | 16. September | Grenoble - Col de la Loze (170 km) | Gebirge |
18. Etappe | 17. September | Meribel - La Roche-sur-Foron (175 km) | Gebirge |
19. Etappe | 18. September | Bourg-en-Bresse - Champagnole (166,5 km) | flach |
20. Etappe | 19. September | Einzelzeitfahren: Lure - La Planche des Belles Filles (36,2 km) | Gebirge |
21. Etappe | 20. September | Mantes-la-Jolie - Paris/Champs-Elysees (122,5 km) | flach |