Es musste ja so kommen. Sagt zumindest Katarina Pijetlovic. Die serbische Wissenschaftlerin hat die Auslosungen der wichtigsten Tennisturniere untersucht und einen "seltsamen" Algorithmus festgestellt. Gegen jede Wahrscheinlichkeit kam es bei den Grand Slams stets zu den gleichen Duellen im Halbfinale.
Roger Federer forderte Novak Djokovic, Rafael Nadal trat gegen Andy Murray an. Beim Tour-Finale der besten acht Spieler in London (20. bis 27. November) hat die Auslosung erneut die Voraussetzungen für ein Finale Federer gegen Nadal geschaffen - und die Tennis-Welt runzelt die Stirn.
Da der Grand-Slam-Rekordsieger aus der Schweiz und sein spanischer Rivale bereits in der Gruppenphase aufeinandertreffen, gehen sie einem möglichen Halbfinale aus dem Weg und schüren damit die Hoffnung auf einen traumhaften Jahresabschluss. Große Duelle wie das als Jahrhundertspiel bezeichnete Wimbledonfinale von 2008 locken die Zuschauer im tennisverrückten England.
Es sind Betrugsvorwürfe an Veranstalter, Organisatoren und Sponsoren, die Akademikerin Pijetlovic auf dem Symposium "Play the Game" in Köln geäußert hatte.
Angstgegnern aus dem Weg gegangen
Unschuldig, mit brünettem Haar und Rehaugen stand sie vor ihrem Publikum und verkündete in brüchigem Englisch ihre Theorie: "Federer und Nadal hatten das Duopol auf Grand-Slam-Titel. Beide werden vom gleichen Ausrüster gesponsert und haben unglaublich viele Fans, sodass es viele Interessenten dafür gibt, die beiden im Finale zu sehen."
Auf dem Weg dorthin, so Pijetlovics These, gehen Federer und Nadal jeweils ihren Angstgegnern aus dem Weg. Federer spielt ungern gegen den Schotten Murray (6:8), während Nadal - den Sandplatz ausgenommen - eine negative Bilanz gegen Djokovic hat (7:13). Die French Open sind daher auch das einzige Major der vergangenen vier Jahre, bei dem die Theorie nicht greift, die statistische Ausnahme.
Bei allen anderen zwölf Grand-Slam-Turnieren seit den Australian Open 2008 zogen Federer und Nadal die vermeintlich leichteren Halbfinal-Lose, obwohl die Wahrscheinlichkeit dafür einem Münzwurf gleicht. "Die Chance, dass die Münze zwölfmal auf der gleichen Seite landet, beträgt 0,02 Prozent", sagte Pijetlovic, die Sport- und Rechtswissenschaft an der Technischen Universität Tallinn in Estland lehrt. "Zeit-Online" zitiert sie: "Die Frage ist nicht, ob manipuliert wurde, sondern wie und wer dahinter steckt." Der "Spiegel" stellte die Frage, ob es "Endspiele nach Wunsch?" gibt.
Grand-Slam-Komitee: "Nonsens"
Die Veranstalter in Melbourne und New York äußern sich zu den Anschuldigungen nicht. Bill Babcock vom Grand-Slam-Komitee weist die Behauptungen als "falsch und möglicherweise rechtlich anfechtbar" schroff zurück. Wimbledon-Sprecher Johnny Perkins nannte die statistischen Belege "Nonsens".
Mehr als erstaunliche Daten in kuriosen Zusammenhängen kann Pijetlovic nicht aufweisen. Viele Tennis-Fans halten ihre Erkenntnisse daher für eine Verschwörungstheorie. Vermeintliche Pläne, ein Traumfinale herbeizulosen, können vor allem aber sportlich durchkreuzt werden.Der Serbe Djokovic hat es in diesem Jahr vorgemacht und drei Grand-Slam-Titel gewonnen, obwohl er in Federers Hälfte stand. Auch beim Tour-Finale in London muss jeder Spieler vier Partien bestreiten, um ins Endspiel einzuziehen. Wer im Halbfinale seinem Angstgegner begegnet, entscheidet nun nicht mehr die Auslosung. Das haben die Topstars der Szene dank der Gruppenspiele selbst in der Hand.
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