Sieger David Ferrer zuckte nach dem Triumph ratlos mit den Schultern, auf der anderen Seite des Netzes wurde die Nummer eins der Tennis-Welt zum "Phantom". "Ich will die Leistung meines Gegners wirklich nicht schmälern, er hat sehr gut gespielt, aber ich war gar nicht auf dem Platz", sagte Novak Djokovic.
War er aber doch. 3:6, 1:6 lautete das überraschende Ergebnis nach einer desolaten Vorstellung im zweiten Gruppenspiel beim ATP-Tour-Finale in London.
Dem Serben geht am Ende seiner erfolgreichsten Saison offenbar die Puste aus. "Mir fehlen die Worte. Es ging nichts. Das war das schlechteste Match des Jahres. Das ist Fakt", sagte Djokovic, der 2011 als bester Spieler zehn Turniere gewann, darunter die Grand Slams in Melbourne, Wimbledon und New York.
"Unglaubliche Saison"
Um in London noch ins Halbfinale einzuziehen, muss der 24-Jährige am Freitag das letzte Gruppenspiel gegen seinen Landsmann Janko Tipsarevic gewinnen. Dieser war als Ersatz für den verletzten Andy Murray ins Achter-Feld gerückt.
Doch selbst, wenn er in der britischen Metropole vorzeitig scheitern sollte, ginge für Novak Djokovic die Welt nicht unter. "Ich denke, nichts kann mir diese Saison noch verderben. Auch wenn ich nach den US Open überhaupt nicht mehr gespielt hätte, wäre das eine unglaubliche Saison", sagte der Djoker gelassen.
Schließlich stand schon Anfang Oktober fest, dass er das Jahr auf dem Tennis-Thron beenden wird. Auf diesen hatte er sich im Juni nach seinem Erfolg in Wimbledon gesetzt, und er hat es sich dort inzwischen gemütlich gemacht.
Knacks im September
Der Knacks kam im September, ausgerechnet im Davis-Cup-Halbfinale gegen Argentinien. 66 Spiele hatte Djokovic im Jahresverlauf bis dato bestritten, die 67. Partie war eine zu viel. Unter Tränen und mit starken Schmerzen warf der Überflieger völlig entkräftet und mit einer Muskelverletzung im Rippenbereich gegen Juan Martin Del Potro das Handtuch. Es folgte eine Pause, und dann war alles auf einmal anders.
Der erfolgsverwöhnte Djokovic kassierte plötzlich Niederlagen, die zuvor kaum möglich gewesen wären. In Basel unterlag er dem Japaner Kei Nishikori, in Paris dem Franzosen Jo-Wilfried Tsonga und nun David Ferrer. Es war die fünfte Pleite in diesem Jahr bei stolzen 70 Siegen und knapp elf Millionen Dollar Preisgeld.
"Solche Tage gibt es"
"Vielleicht liegt es an der langen Saison, vielleicht auch nur daran, das ich mich derzeit nicht wohl fühle. Solche Tage gibt es im Sport, das muss man akzeptieren", resümierte der Serbe.
So richtig wohl fühlte sich auf der Gegenseite sein Bezwinger David Ferrer. "Das war mein bestes Spiel des Jahres", sagte der Finalist von 2007. Auf die Frage, warum er nach dem Sieg mit den Schultern gezuckt habe, antwortete Ferrer: "Ich war einfach überrascht. Ich habe schließlich die Nummer eins der Welt in zwei Sätzen geschlagen." Und das gelingt auch einer Nummer fünf der Welt nicht alle Tage.
Die Weltrangliste der ATP-Tour