Die Rückkehr des alten FedEx?

Tim NollerMarco Kieferl
04. November 201323:57
Roger Federer ist bei den World Tour Finals in London einiges zuzutrauengetty
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Novak Djokovic und Rafael Nadal sind bei den World Tour Finals die großen Favoriten. Doch auch Roger Federer zeigte zuletzt, dass mit ihm zu rechnen ist. Generell fällt auf: Das Teilnehmerfeld ist sehr ausgeglichen, eine Überraschung scheint in London möglich. Das SPOX-Power-Ranking.

1. Novak Djokovic

Rang eins in der Weltrangliste eingebüßt und "nur" ein Grand-Slam-Sieg bei den Australian Open. Verglichen mit dem Traumjahr 2011 spielte Novak Djokovic eine für ihn eher durchschnittliche Saison mit fünf Turniersiegen.

Zum Ende des Jahres kommt der Serbe allerdings noch einmal so richtig ins Rollen. "Wenn ich das Jahr als Nummer eins abschließe, wäre das ein unglaublicher Erfolg", sagte er kürzlich. Die letzten drei ATP-Turniere gewann er allesamt und räumte in den Finalspielen alle Mitfavoriten um den Titel bei den World Tour Finals aus dem Weg.

Rafael Nadal fiel ihm in Peking zum Opfer, in Shanghai besiegte er Juan Martin del Potro und zuletzt bezwang er auch David Ferrer in Paris in einem umkämpften Match in zwei Sätzen. Derzeit scheint Djokovic, der die World Tour Finals schon im vergangenen Jahr gewann, in der besten Form aller Topspieler zu sein.

Da Nadal am Ende der Saison etwas müde wirkt, startet der Djoker in London als Favorit. Allerdings scheint das Feld in den diesjährigen Finals so ausgeglichen wie selten zu sein, weshalb auch anderen Spielern der große Wurf gelingen könnte.

2. Rafael Nadal

Gehen der Nummer eins der Welt zum Ende der Saison die Kräfte aus? Rafael Nadal beeindruckte die Tenniswelt im Jahr 2013 mit einem phänomenalen Comeback. Eine Verletzung im linken Knie hatte den Spanier zu einer Pause von mehr als sieben Monaten gezwungen. SPOX

Doch nachdem die Verletzung ausgestanden war, trumpfte Nadal auf, als wäre er nie weg gewesen. Der 27-Jährige eilte von Sieg zu Sieg und lieferte sich auch gleich wieder eine epische Schlacht mit Dauerrivale Djokovic. Bei den French Open behielt er im fünften Satz des Halbfinals mit 9:7 die Oberhand und holte sich im Finale gegen David Ferrer den achten Titel bei seinem Lieblingsturnier.

Auch bei den US Open dominierte Nadal das Feld nach Belieben und gab bei seinem Erfolg in Flushing Meadows nur zwei Sätze ab. Doch am Ende dieser langen, kräftezehrenden Saison flacht der Höhenflug des Mallorquiners etwas ab. Auf der Asientour kassierte er gegen Juan Martin del Potro und Djokovic deutliche Niederlagen und auch zuletzt in Paris war im Halbfinale gegen Ferrer Schluss.

"Am Ende einer Saison stoße ich oft an meine Grenzen. Nicht nur was das Körperliche angeht, sondern auch mental", gestand Nadal nach dem Aus in Paris. Trotzdem ist klar: Grundsätzlich ist Nadal der Finals-Sieg zuzutrauen.

3. Roger Federer

Roger Federer ist sicher nicht der Topfavorit. Selbst um die Teilnahme am Saisonabschluss musste der Schweizer lange bangen. Schuld daran ist eine für FedEx mäßige Saison, in der er nur ein Turnier gewinnen konnte.

Verbunden mit den teils schwachen Leistungen ist auch der Absturz in der Weltrangliste von Rang zwei auf den sechsten Platz und die Trennung von Trainer Paul Annakone. "Ich habe viele Fehler in diesem Jahr gemacht", zeigt sich der Schweizer einsichtig.

Den Nimbus der Unbesiegbarkeit hat der fünfmalige "Weltmeister" schon lange verloren. Dass dieser mittlerweile an Nadal und Djokovic haftet, musste FedEx diese Saison am eigenen Leib erfahren. 0:5 lautet seine Bilanz gegen seine früheren Toprivalen. Selbst gegen die restlichen Finalteilnehmer ist die Statistik "nur" ausgeglichen.

Doch Federer wäre nicht Federer, würde er nicht pünktlich zum Saisonhöhepunkt wieder in Topform auflaufen. Tatsächlich zeigt die Formkurve seit den US Open auch wieder nach oben. Zuletzt verbuchte er immerhin die Finalteilnahme beim Heimturnier in Basel. Dort musste er sich allerdings knapp Juan Martin del Potro geschlagen geben.

In Paris traf der Schweizer erneut auf den Argentinier - und besiegte ihn. Eben dieses Duell wird in London wohl auch entscheiden, wer in Gruppe B hinter Djokovic ins Halbfinale einzieht. Mit Federer ist trotz mancher Schwierigkeit zu rechnen. Bei der Niederlage im Halbfinale in Paris gegen Djokovic spielte er zumindest im ersten Satz so stark, dass Erinnerungen an den "alten" Federer aufkamen. Kann er dieses Niveau über einen längeren Zeitraum bringen, ist alles möglich.

4. David Ferrer

Heimlich, still und leise hat sich David Ferrer in die Top 3 der Welt geschlichen. Schon zum vierten Mal in Folge steht der Spanier in den Finals, die Rolle des Favoriten gehört jedoch eher anderen. Der Grund ist schnell gefunden: Ferrer gewinnt zu selten Turniere.

Auf der laufenden ATP-Tour stand der 31-Jährige neun Mal im Finale, Titel gelangen ihm aber nur in Buenos Aires und Auckland. Bei den US Open war im Viertelfinale gegen Richard Gasquet Endstation, gleiches gilt für das Turnier in Peking.

Zuletzt zeigte Ferrer aber wieder eine gute Form. In Stockholm und Valencia spielte er sich bis ins Finale vor und auch beim letzten Auftritt in Paris musste er sich erst im Endspiel Djokovic geschlagen geben. Zuvor hatte er seinen Kumpel Nadal aus dem Turnier geworfen.

Ferrers größter Pluspunkt ist wohl sein unbändiger Wille. Gegen den Spanier muss jeder Punkt mühsam erkämpft werden. Zeigt Ferrer in London sein bestes Tennis, kann er überraschen. Zumal Ferrer in Gruppe A auf Tomas Berdych und Stanislas Wawrinka trifft, die er beide schlagen kann.

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5. Juan Martin del Potro

Del Potro hat mehrfach diese Saison bewiesen, dass er die Dominanz von Nadal und Djokovic brechen kann. Der Argentinier ist in blendender Form, er gewann in Basel und Tokio.

Gerade die Duelle mit den Top-2 sind es, die eine Überraschung nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen. Zwar steht die Bilanz in dieser Saison aktuell bei 2:4 Matches, doch mischten sich unter die Niederlagen fast schon epische Schlachten wie der 5-Satz-Krimi im Halbfinale von Wimbledon gegen Djokovic. Auffällig ist, dass es weder Nadal noch der Serbe schafften, gegen den Argentinier ohne Satzverlust zu bleiben.

Del Potro hat allen Grund mit Selbstvertrauen in die Todesgruppe (Djokovic, Federer, Gasquet) zu gehen. Mit vier Turniersiegen und zwei Finalteilnahmen hat er bereits jetzt eine herausragende Saison vorzuweisen.

Einen kleinen Schock musste del Potro am Wochenende in Paris verkraften. Als er am Bahnhof Gare du Nord wartenden Fans Autogramme gab, schnappten sich Diebe seine Tasche - die unter anderem einen von Papst Franziskus gesegneten Rosenkranz, seinen Pass und Bargeld enthielt. SPOX

6. Tomas Berdych

Auf der Suche nach dem Siegergen in entscheidenden Matches ist Tomas Berdych. Der Tscheche kassierte auf der laufenden ATP-Tour bereits drei Finalniederlagen und läuft zum Jahresende seiner Form hinterher. In die World Tour Finals geht die Nummer sieben der Weltrangliste deshalb nur als Außenseiter.

Im letzten Grand Slam des Jahres musste er nach der Viersatzniederlage gegen Stanislas Wawrinka bei den US Open frühzeitig die Koffer packen. In den folgenden Wochen musste der 28-Jährige zwei weitere Enttäuschungen wegstecken.

Zunächst verpasste er die Chance auf seinen insgesamt neunten ATP-Titel, als er im Finale von Bangkok dem Kanadier Milos Raonic in zwei Sätzen unterlag. In Peking musste er zudem im Halbfinale gegen Nadal verletzungsbedingt aufgeben.

Nach dem frühen Ausscheiden in Shanghai und Basel blickt Berdych mit Humor auf die Saison zurück: "Meine Leistung war - super, gut, nichts Besonderes, umwerfend, nicht gut, so lala. Aber ich war immer glücklich."

Zuletzt ließ der Tscheche bei der Viertelfinal-Niederlage gegen Ferrer beim Masters in Paris zwar durchblicken, dass er derzeit phasenweise auf Top-Niveau mithalten kann, jedoch scheint ihm derzeit die Konstanz zu fehlen, um in London eine entscheidende Rolle zu spielen.

7. Stanislas Wawrinka

Stanislas Wawrinka bringt man in dieser Saison zwangsläufig mit den US Open in Verbindung. Mit spektakulärem Tennis mischte er New York mächtig auf. Auf seinem Weg ins Halbfinale fielen ihm die beiden Top-5-Spieler Berdych und der aus Verletzungsgründen in London nicht startende Andy Murray zum Opfer.

Erst im Halbfinale konnte ihn Djokovic nach einem harten Fight über vier Stunden und neun Minuten stoppen. Dabei lag der Schweizer bereits mit 2:1 Sätzen in Front.

Im Anschluss an die US Open lief für den 28-Jährigen allerdings nicht mehr viel zusammen. Das Erreichen des Viertelfinals in Shanghai war sein bestes Resultat im Herbst, wo er gegen Nadal ausschied. So musste Wawrinka lange um die Teilnahme an den World Tour Finals bangen.

Er profitierte vom Ausscheiden des Kanadiers Raonic, der beim ATP-Turnier in Paris im Achtelfinale an Berdych scheiterte, während für Wawrinka erst eine Runde später gegen den Djoker Schluss war. "Kann es kaum erwarten, nach London zu gehen!", twitterte er nach der erfolgreichen Qualifikation. Und auch wenn Wawrinka nicht in Form ist, könnte was drin sein. Gegen Ferrer und Berdych zu gewinnen, ist Wawrinka durchaus zuzutrauen.

8. Richard Gasquet

Nach sechs langen Jahren Pause nimmt Richard Gasquet endlich wieder am Saisonfinale teil. Zu verdanken hat er dies seiner eigenen Renaissance, die er in diesem Jahr durchlaufen hat. Drei Turniersiege bedeuteten für den Franzosen die Einstellung seines persönlichen Bestwerts. Allerdings war es eine Halbfinalteilnahme, die das ehemals hochgelobte Talent wieder in den internationalen Fokus rückte. Bei den US Open scheiterte Gasquet am übermächtigen Nadal.

Auch danach zeigte sich Gasquet in guter Verfassung und schaffte bei den folgenden fünf Turnierstarts immerhin einen Titelgewinn in Moskau. Dazu kamen zwei Halbfinalteilnahmen, eine davon beim hochkarätig besetzten Turnier in Peking.

Beim Masters am vergangenen Wochenende in Paris unterstrich Gasquet seine gute Verfassung, musste sich am Ende im Viertelfinale aber dem überragenden Nadal geschlagen geben. Der Franzose reist mit sehr guter Form zum Saisonabschluss nach London. Trotzdem dürfte es für ihn fast unmöglich werden, die Gruppenphase zu überstehen.

Der Grund: Gasquet trifft in der Todesgruppe auf Djokovic, Federer und del Potro.

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Die World Tour Finals