Tim Pütz ist Tennisprofi, weil er gerade nichts anderes vor hatte. Er findet das Spiel auf Rasen "todlangweilig" und steht in der zweiten Runde von Wimbledon. Tim Pütz ist so etwas wie der Gegenentwurf zu den meisten seiner Kollegen auf der Tour. Das macht den 26 Jahre alten Frankfurter im All England Club nur noch weniger berechenbar.
Sein persönliches Wimbledon-Märchen, das am Mittwoch gegen den Italiener Fabio Fognini seine Fortsetzung findet, begann eigentlich schon in Ostwestfalen. Beim Vorbereitungsturnier in Halle tapste Pütz mehr schlecht als recht zum ersten Mal in seinem Leben über den Tennisrasen.
Dem Erstrundenaus in der Qualifikation folgte die erste Sternstunde seiner jungen Karriere. "Roger Federers Coach hat mir eine SMS geschrieben. Daraufhin stand ich zwei Stunden mit Roger auf dem Platz", erzählte Pütz nach seinem Erstrundensieg über den Russen Teimuras Gabaschwili in Wimbledon.
Die Nummer 251
Zwischen den ersten Ballwechseln mit dem Rasenkönig aus der Schweiz und seinem ersten Erfolg auf der Profitour vergingen nicht einmal 20 Tage; ein Beleg für die rasante Entwicklung, die Pütz dank seiner ausgeprägten Fähigkeit zu lernen gemacht hat.
Dabei war Tennisprofi nie sein Traumberuf, ihm war das Dasein als Dauer-Reisender im Wanderzirkus der ATP-Tour und ihrer kleinen Ableger zuwider. "Ich mag das Leben am Anfang nicht, die Future-Turniere, wo man um 60 Euro Preisgeld spielt", sagte Pütz. Hier in Wimbledon, das sei ja nicht die richtige Tennis-Welt. Für Pütz, die Nummer 251 im Ranking, wirkt es "noch immer nicht real, hier zu sein".
Ohne die Zulassungsbeschränkungen der Universität in Frankfurt wäre Pütz wohl auch nie nach Wimbledon gekommen: "Dort wurde ich zunächst nicht für den Master in Volkswirtschaft angenommen, also hatte ich nichts anderes vor."
Golden Set
Eine Profi-Laufbahn stand zunächst jedoch nicht zur Debatte, wie schon nach dem Abitur. Da entschied sich Pütz, der mit starkem Aufschlag und solidem Return wie geschaffen für das Spiel auf Rasen ist, lieber für ein Studium in den USA. An der Universität von Auburn im Bundesstaat Alabama spielte er Tennis und machte seinen Bachelor.
Die zweite Runde von Wimbledon schien weiter weg zu sein als die Freunde in der Heimat. Selbst nach seinem Einstieg ins professionelle Tennis-Geschäft änderte sich daran wenig.
Bei der Qualifikation für die US Open kassierte Pütz gegen den Hamburger Julian Reister einen "Golden Set" - er machte einen Satz lang keinen einzigen Punkt und benannte sich schließlich bei Twitter danach (@GoldenSetTim).
"Es war der Wahnsinn"
Pütz versuchte es wieder, diesmal in der Wimbledon-Quali in Roehampton, "wo die Plätze wirklich schlecht sind" und maximal 20 Zuschauer am Feldrand stehen. Drei Matches gewann er dort und stand plötzlich auf dem Heiligen Rasen des bedeutendsten Tennisturniers der Welt.
53.000 Euro Preisgeld hat er nun sicher, beinahe so viel wie er in den 18 Monaten seiner bisherigen Laufbahn verdient hat (60.000). Wichtiger sei es ihm jedoch, seiner Familie und seinen Freunden Tickets zu besorgen.
"Es war der Wahnsinn, wie ich hier kämpfen musste, um alle reinzubekommen", sagte Pütz. Er gewann den Kampf, auf und neben dem Platz - und ist auch am Mittwoch alles andere als chancenlos.
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