Wer auch immer dort unten auf dem Heiligen Rasen von Wimbledon stand, es war nicht Serena Williams. Das Häufchen Elend, das nicht einmal in der Lage war, einen aus drei Metern Entfernung geworfenen Ball zu fangen, hatte nichts mit der Power-Frau zu tun, die das Tennis im altehrwürdigen All England Club über Jahre beherrscht hatte.
Ein Blick auf die Anzeigetafel bewies jedoch: Es war Serena, die dort neben ihrer Schwester Venus versuchte, sich auf den Beinen zu halten. Serena taumelte, mit glasigen Augen blickte sie Hilfe suchend über den Platz, unfähig, den Ball vor dem Aufschlag aufzutippen. Ihr Service erreichte kaum das Netz oder flog meterweit ins Aus.
Aufgabe nach 15 Minuten
Nach vier Doppelfehlern und einer eindringlichen Bitte des Schiedsrichters Kader Nouni beendeten die Schwestern das unwürdige Schauspiel und gaben ihr Doppel gegen Kristina Barrois/Stefanie Vögele beim Stand von 0:3 auf.
"Das waren die seltsamsten 15 Minuten, die ich je auf einem Tennisplatz gesehen habe", sagte die frühere Weltklassespielerin Tracy Austin später bei der BBC. Bereits beim Einspielen war Serena Williams völlig desoriertiert über den Platz geschwankt, hatte sich anschließend den Blutdruck messen lassen, Tränen vergossen - und zur völligen Überraschung aller Anwesenden doch gespielt.
Die Spekulationen nach dem bizarren Auftritt der 17-maligen Grand-Slam-Siegerin schossen ins Kraut. So recht wollte ihr niemand die offizielle Erklärung "Viruserkrankung" abnehmen. Sie sei untröstlich, nicht mehr in diesem Turnier weitermachen zu können, ließ die 32-Jährige in einem Statement mitteilen. Schwester Venus sprach davon, Serena habe sich unwohl gefühlt.
Gründe noch unklar
Das war kaum zu übersehen, die Gründe bleiben jedoch im Dunklen. Halbschwester Isha Price erzählte, Serena habe sich nach ihrem überraschenden Drittrundenaus im Einzel gegen die Französin Alize Cornet "traurig" gefühlt und tagelang nicht viel gegessen. Allerdings sei das bei ihr normal nach solch einer niederschmetternden Pleite.
Die Gerüchteküche im Londoner Südwesten heizte Williams' Trainer Patrick Mouratoglou an, der angab, Serena seit zwei Tagen nicht gesehen zu haben. Die beiden waren in den vergangenen Jahren nicht nur auf dem Tenniscourt ein Paar gewesen. Eine mögliche Trennung gehört allerdings genauso ins Reich der Spekulation wie die in englischen Medien diskutierte Möglichkeit einer Schwangerschaft.
Pam Shriver, ein weiterer Tennis-Star der 80er Jahre, sagte beim TV-Sender ESPN: "War das ein Drama? Oder ein Schauspiel? Wenn es dir nicht gut geht, brauchst du Hilfe." Serena Williams kündigte indes an, im nächsten Jahr nach Wimbledon zurückkehren zu wollen. Die richtige Serena, nicht ihr taumelndes Ebenbild.
Serena Williams im Steckbrief