Beginn einer neuen Ära?
Der diesjährige Super Saturday der US Open wurde ungewollt zu einem historischen Ereignis. Denn wie lange ist es mittlerweile her, dass es ein Grand-Slam-Finale ohne die Herren Nadal, Federer oder Djokovic gab? Richtig, fast zehn Jahre! Bei den Australian Open 2005 standen sich Marat Safin und Lleyton Hewitt im Endspiel gegenüber, bei den US Open gab es ein Finale ohne das Weltklasse-Trio sogar letztmals 2003!
Grund genug also, dass viele schon vom Beginn einer neuen Ära sprechen. Was zunächst wie eine irre Spinnerei anmutet, ist auf den zweiten Blick gar nicht so abwegig. Federer ist mittlerweile 33, bei Nadal schmerzt abwechselnd das Knie und das Handgelenk und Djokovic erlaubt sich gerne bei aller Klasse auch mal einen Durchhänger.
Neben Nishikori und Cilic stehen mit Grigor Dimitrov und Milos Raonic zwei weiter junge Heißsporne parat, die auf ihren ersten Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier brennen. Fakt ist: Wir erleben den höchstgesetzten Grand-Slam-Champion seit 2002, als Pete Sampras an 17 gesetzt in Flushing Meadows triumphierte. Und: Die Weltspitze ist enger zusammengerückt.
Head to Head
Sieben Matches gab es bisher zwischen beiden, nur eines davon fand nicht auf Hartplatz statt. Nishikori hat fünf dieser Duelle gewonnen, inklusive der letzten drei Aufeinandertreffen.
Besonders interessant: Auch bei den US Open trafen beide schon mal aufeinander. Im ersten Duell 2010 rang der Japaner Cilic in fünf Sätzen in der zweiten Runde nieder, der Kroate revanchierte sich und kegelte den 24-Jährigen 2012 aus der dritten Runde.
In diesem Jahr traf man sich in Brisbane (6:4, 5:7, 6:2 Nishikori) und in Barcelona auf Sans (6:1, 6:3). Auch wenn die Bilanz klar für Nishikori spricht, darf nicht vergessen werden: Cilic spielt momentan so gut, wie vielleicht noch nie in seiner Karriere.
Der Turnierverlauf
Einen leichteren Draw als Cilic hätte man wohl kaum erwischen können. Baghdatis, Marchenko, Anderson und Simon - so hießen die Gegner bis zum Achtelfinale. Daher war der Kroate trotz seines souveränen Viertelfinal-Einzugs auch gegen Berdych kein Favorit - demonstrierte aber eindrucksvoll seine neue Stärke. Dann folgte die Demontage von Federer - und selbst die Kritiker rieben sich verwundert die Augen.
Für Nishikori waren die zwei Wochen in Flushing Meadows bisher reinste Tortur. Nach einem lockeren Aufgalopp gegen Odesnik, Andujar und Mayer folgten die Fünf-Satz-Schlachten gegen Raonic und Wawrinka. Das der Japaner gegen Djokovic überhaupt noch Laufen konnte, war schon beeindruckend. Wie er ihn dann auch noch schlug, spricht Bände über seine Willensstärke. Cilic hatte es aber definitiv einfacher als sein Kontrahent.
Die Saison 2014
Nishikori verzeichnete sicherlich das bisher erfolgreichste Jahr seiner Karriere. Auf Sand hinterließ der Japaner einen hervorragenden Eindruck und siegte in Barcelona und stand im Finale von Madrid.
Eine Verletzung verhinderte jedoch einen Erfolg bei den French Open. Danach spielte er nur noch drei Turniere. In Wimbledon (Achtelfinale), Halle (Halbfinale) und Washington (Viertelfinale) reichte es aber nicht für den großen Wurf.
Dass auf Hardcourt aber mit ihm zu rechnen ist, deutete er bereits Anfang des Jahres an. In Memphis schnappte er sich den Titel, bei den Masters in Miami erreichte er via Roger Federer das Halbfinale.
Cilic dagegen verschlief die Australian Open komplett und flog schon nach der zweiten Runde nach Hause, nur um im Anschluss in Zagreb und Delray Beach zu gewinnen und in Rotterdam das Finale zu erreichen.
Nach einer mäßigen Sandplatz-Saison ließ er mit dem Viertelfinale von Wimbledon aufhorchen. Dass es in diesem Jahr für ein Grand-Slam-Finale reichen würde, war speziell nach der schwachen Vorbereitung auf die US Open nicht abzusehen.
Grand-Slam-Historie
Cilic galt 2010 bereits als neuer Superstar, als er das Halbfinale der Australian Open erreichte. Abgesehen von seinem Titel in Queens war dies sicherlich sein größter Erfolg. Hinzu kommen noch zwei Viertelfinals bei den US Open (2009, 2012) und das Erreichen der letzten Acht in diesem Jahr in Wimbledon.
Nishikori dagegen machte bei seinen bisherigen Auftritten auf der großen Bühne keine ganz so gute Figur, lediglich bei den Australian Open 2012 reichte es für das Viertelfinale. Ansonsten bleibt sicherlich sein US-Open-Run von 2008 in Erinnerung, als er als damals 18-Jähriger das Achtelfinale erreichte und zuvor David Ferrer aus dem Turnier kegelte.
Spielstile
Nishikori ist sowas wie der vermenschlichte Duracell-Hase. Es gibt keine Ecke auf dem Platz, die der Japaner nicht erreichen kann - auch wenn er schon zwei Fünf-Satz-Matches in den Knochen hat. Dank seiner Schnelligkeit und Ausdauer kann sich der 24-Jährige meist ziemlich gut positionieren und Druck mit seiner Vorhand ausüben.
Nishikori agiert meistens von der Grundlinie aus und versucht mit seiner Vorhand den Platz zu öffnen, um dann mit seiner Rückhand longline zu punkten.
Marin Cilics Spielstil unterscheid sich gar nicht so extrem von dem des Japaners, was er auch auf der Pressekonferenz vor dem Finale zugab: "Wir haben ein ähnliches Verständnis von Tennis. Sicherlich gibt es Unterschiede, aber im Grunde lieben wir es beide, mit der Vorhand Druck zu machen."
Der Kroate verfügt zudem über einen mächtigen Aufschlag. Im entscheidenden Aufschlagspiel gegen Federer servierte er locker drei Asse und stellte seine Nervenstärke eindrucksvoll unter Beweis. Am Ende werden sicherlich die Kraftreserven eine Rolle spielen, da beide Spieler auf Power-Tennis ausgerichtet sind.
Die Coaches
Auch in den Boxen der beiden Finalisten tummeln sich Tennis-Legenden. Zum einen wäre da Michael Chang, der Nishikori mit seine Vorstellung von Willenskraft und Einsatz nochmal ein Stück mehr an seine Grenzen gepusht hat. Der 42-Jährige mit chinesischen Wurzeln half Nishikori zudem, sich besser zu konzentrieren und so die Fehler zu minimieren.
Bei Cilic dagegen sitzt mit Goran Ivanisevic ein echter Power-Spieler in der Box. Dieser war es, der Cilic nach seinem positiven Dopingtest Ende 2013 wieder in die Spur brachte, die US Open sind nur die logische Konsequenz der fruchtbaren Zusammenarbeit.
"Goran hat mich nach dem Halbfinale gelobt und gesagt, dass er enorm stolz auf mich ist. Er ist der Schlüssel zu meiner Entwicklung", erklärte Cilic.
Clic galt schon immer als großes Talent, lediglich an seiner Einstellung musste er noch arbeiten. Ivanisevic hat es jetzt geschafft, seinen Landsmann einzunorden - ob ein Grand-Slam-Titel herausspringt, steht noch in den Sternen.
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