Das letzte Grand Slam des Jahres steigt in Flushing Meadows. SPOX blickt durch das Hawk-Eye auf die Herren bei den US Open 2015 (ab 17 Uhr im LIVETICKER) und sieht einen heißen Favoriten. Ein Big Name droht vom Dark Horse überrannt zu werden und der Djoker will seine Saison krönen. Außerdem: Was macht dieses Turnier eigentlich so besonders?
Der Top-Favorit: Die Amerikaner sprechen sehr gerne von Momentum im Sport. Und wer könnte mit mehr Momentum nach Queens reisen als Roger Federer? Der hat vor zwei Wochen erst die Konkurrenz in Cincinnati niedergebügelt, kein einziges Break abgegeben und dann sogar im Finale Novak Djokovic überlegen besiegt. Der Schweizer, dessen letzte zwei Turniere Wimbledon und Cincy waren (Finale, Sieg), hat im Vorfeld der US Open Kräfte geschont und eben nur ein Turnier in den USA bestritten. Ob das die letzten Kräfte zum 18. Grand-Slam-Triumph freimacht?
Der Weg ins Finale von Flushing Meadows ist recht easy, wenn man bedenkt, was für ein Level der Schweizer zuletzt gezeigt hat. Ein Stolperstein könnte sicherlich im Achtelfinale drohen, denn dort stünde fast garantiert ein Aufschlagmonster im Weg. Ob das nun John Isner oder Ivo Karlovic wird, ist da fast schon egal. Die nächste große Nummer im Anschluss hieße Andy Murray im Halbfinale. Allerdings hat er den zuletzt zweimal in der Vorschlussrunde (auch in Wimbledon und Cincy) nahezu deklassiert. Und dass er den Djoker derzeit schlagen kann, hat Roger erst kürzlich bewiesen.
Der Titelverteidiger: Marin Cilic tritt dieses Mal als Nummer neun der Setzliste an und eröffnet seinen erneuten Anlauf auf den Thron gegen den Qualifikanten Guido Pella. In der dritten Runde käme es wohl zum Duell mit Mikhail Kukushkin oder Grigor Dimitrov, der Nummer 17 des Turniers. Im Achtelfinale jedoch wartet wohl mit David Ferrer ein großer Brocken. Der Spanier gilt zwar als Sandplatzspezialist, aber seine Saisonbilanz von 17-3 auf Hardcourt ist beeindruckend. Sollte der Kroate aber auch ihn überstehen, wäre eine Wiederholung des Vorjahresfinals mit Kei Nishikori möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich.
Auf der US-Tour überzeugte der 26-Jährige bislang noch nicht. Ihm gelang zwar der Einzug ins Halbfinale beim 500er von Washington/DC, aber dort war gegen Nishikori Schluss. In Montreal war nach dem ersten Auftritt (gegen Bernard Tomic) Endstation, in Cincinnati wiederum langte es nur zum Achtelfinale gegen Richard Gasquet. Andererseits hätte im Vorjahr auch keiner mit seinem Triumph gerechnet.
Beste Vorbereitung: Im Grunde müsste hier auch Federer stehen, da er sein einziges Turnier in Nordamerika für sich entschied. Aber Andy Murray hat Montreal gegen Djokovic gewonnen, was gerade in der amerikanischen Presse als Statement betrachtet wurde, nach dem Motto: "Willst du der Beste sein, musst du den Besten schlagen." Allerdings verlor Murray bekanntlich das Halbfinale von Cincinnati gegen Federer. Nichtsdestotrotz scheint der Schotte gewappnet für einen großen Run in Flushing. Schaut man sich den Draw an, hat er nach menschlichem Ermessen vor dem Viertelfinale gegen Stan Wawrinka als größten Kontrahenten nicht viel zu befürchten.
Runde eins könnte etwas eng werden vom Papier her, aber die Bilanz des 28-Jährigen gegen den extrovertierten Aussie Nick Kyrgios ist makellos. Insofern wäre ein zweiter Erfolg bei den US Open nach 2012 durchaus greifbar.
Letztes Jahr: Was war das für ein kurioses Finish in Flushing des Vorjahres? Vor dem Halbfinale schien das Feld bestellt für ein klassisches Duell der Giganten im Finale zwischen Djokovic und Federer, die sich nur noch Überraschungsgegnern hätten entledigen müssen. Doch es kam alles ganz anders. Erst rang Nishikori, damals die zehn der Setzliste, die Nummer eins in vier Sätzen nieder. Und als sich dann alles auf einen lockeren Spaziergang von FedEx zum Titel eingestellt hatte, wurde dieser von Cilic (Nummer 14) in drei Sätzen eiskalt abgefertigt.
Im Finale dann machte Cilic auch noch gegen den Japaner kurzen Prozess und krönte sich erstmals zum Grand-Slam-Champion. Mehr noch: Er schaffte den perfekten Abschluss eines Turniers, das von Anfang an von Favoritensterben zehrte. Bis auf die großen zwei schaffte es keiner aus den Top 10 der Setzliste über das Viertelfinale hinaus. Der erste, den es damals erwischte, war David Ferrer (5), der in Runde 3 an Gilles Simon scheiterte.
Geschichtsstunde: Die US Open Championships sind in mehrerlei Hinsicht einzigartig. Nicht nur ist dies das einzige Grand-Slam-Turnier, das seit seiner Einführung 1881 in wirklich jedem Jahr ausgetragen wurde. Es ist auch das einzige Grand-Slam-Turnier, das auf drei verschiedenen Belegen gespielt wurde.
Seine Anfänge erlebte das Turnier in Rhode Island auf dem Gelände des Newport Casinos. Es folgten Umzüge nach Forrest Hills/New York mit einem kurzen Abstecher nach Philadelphia, bis es dann endgültig nach New York zurückkehrte. Von 1881 bis 1974 war der Untergrund jedoch durchweg Rasen. Von 1975 bis 1977 wechselte man zum Sand und seit dem Umzug ins US National Tennis Center von Flushing Meadows/NY wird nur noch auf Hardcourt gespielt. Der einzige Mann, der im Übrigen auf allen drei Belegen triumphierte, war Jimmy Connors, der sich mit fünf Titeln den Rekord für die meisten Erfolge bei den US Open in der Open-Ära mit Pete Sampras und Federer teilt.
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Dark Horse: Das Dark Horse dieses Turniers kommt mit eingebautem Upset Alert. Borna Coric könnte in den kommenden Tagen für Furore sorgen. Doch bereits in der ersten Runde wartet mit Rafael Nadal eine ganz hohe Hausnummer. Dennoch gibt es Grund zur Hoffnung. Zum einen kam der Spanier auf der US-Tour nicht weiter als ins Viertelfinale von Montreal (Nishikori), zum anderen hat der Kroate das einzige Duell zwischen den beiden für sich entschieden: 2014 in Basel siegte die heutige Nummer 35 der Welt glatt in zwei Sätzen.
Sollte die Überraschung glücken, wäre auch gegen Diego Sebastian Schwartzman, gegen den er auch das einzige Match bislang gewann, einiges drin. Im Grunde genommen scheint sogar das Achtelfinale möglich, denn auf dem Weg dorthin ist Fabio Fognini der höchstgesetzte Gegner und dessen Hartplatz-Bilanz liegt bei schlanken sieben Pleiten und keinem Sieg. Danach aber sollte spätestens gegen Raonic Schluss sein.
Schwerster Draw: Thomas Berdych muss eigentlich immer zum erweiterten Kreis gezählt werden, wenn es um Mitfavoriten auf einen Turniererfolg geht. Nicht umsonst belegt der Tscheche den sechsten Rang der Weltrangliste. Doch auch in Flushing steht ihm ein steiniger Weg bevor. Er ist im selben Viertel des Turnierbaums wie Federer, weshalb spätestens im Viertelfinale Schluss sein dürfte.
Aber schon davor drohen mit Richard Gasquet oder Bernard Tomic zwei Kontrahenten, die mehr als nur unangenehm erscheinen. Schon in der dritten Runde aber wartet mit Guillermo Garcia-Lopez einer, gegen den Berdych eine negative Bilanz aufweist (2-3). Hinzu kommt, dass der 29-Jährige in Cincinnati nicht übers Viertelfinale hinauskam, zuvor in Montreal schon beim ersten Auftritt scheiterte. Der große Wurf bleibt auch dieses Mal aus.
Leichtester Draw: Bei allem Lob für Federer und Murray sollte man eines nicht vergessen: Novak Djokovic spielt immer noch die beste Saison von allen. Bis jetzt hat er lediglich drei Spiele auf Grand-Slam- bzw. Masters-1000-Series-Level verloren, nämlich die Finals von Roland Garros, Montreal und Cincinnati. Ansonsten stehen da nur Siege!
Hawk-Eye der Damen: "Grand Slam" oder Exodus?
Folglich ist der Serbe die klare Nummer eins der Welt und wird dafür belohnt mit dem leichtesten Draw des Turniers. Kurz gesagt: Wirklich alle Spieler, die ihn in dieser Wahnsinns-Saison in großen Spielen besiegt haben - Wawrinka, Murray, Federer - sind in der anderen Hälfte des Brackets. Alles andere als der Finaleinzug wäre damit eine große Überraschung. Aufpassen muss der Djoker allerdings auf Nishikori im Halbfinale, sollte der wieder soweit kommen. Das musste der Serbe im Vorjahr schmerzlich erfahren. Der namhafteste mögliche Kontrahent im Viertelfinale wäre natürlich Nadal, aber auch dieser war selbst auf Sand kein Problem für Djokovic. Finale oder nichts also für Nole.
Die Deutschen: Fünf Deutsche waren von vornherein qualifiziert, über die Qualifikation kamen nochmal zwei dazu. Gesetzt ist lediglich Philipp Kohlschreiber an Position 31, der gleich auf Landsmann Alexander Zverev trifft, der die Qualifikation erfolgreich überstanden hat. Beide trafen erst einmal aufeinander, Kohli siegte in diesem Jahr in München glatt in zwei Sätzen. Der Sieger des Duells - Kohlschreiber ist der Favorit - bekäme es wohl mit Lukas Rosol zutun, gegen den der 31-Jährige nur eines von vier Spielen verlor. In einer möglichen dritten Runde jedoch stünde ihm ein gewisser Schweizer Rekord-Grand-Slam-Champion gegenüber. Da ist dann wohl spätestens Endstation.
Altmeister Tommy Haas, der seiner Form hinterherläuft, bekommt es mit Fernando Verdasco zu tun (Mo., 19 Uhr im LIVETICKER), was allein schon ein hartes Brot ist. Sollte er den noch besiegen, scheint ein Überstehen der zweiten Runde fast ausgeschlossen, denn Milos Raonic ist mit seinem Power-Tennis genau die Art Gegner, die Haas derzeit gar nicht gebrauchen kann.
Florian Mayer wird gegen Martin Klizan sicher nicht favorisiert sein, hat aber Außenseiterchancen. Diese könnte man ihm auch in einem Duell gegen Jeremy Chardy einräumen, doch spätestens in Runde drei wäre Ferrer eine zu hohe Hürde. Benjamin Becker dürfte ebenfalls große Probleme haben, die erste Runde zu überstehen, Gegner Denis Istomin hat gegen den Deutschen in vier von fünf Fällen gewonnen.
Nadal-Schreck Dustin Brown bekommt es mit Robin Haase zu tun. Der Niederländer ist zwar leichter Favorit, aber das einzige Duell der beiden ging an Brown. Das war allerdings schon 2010 und in einem Challenger-Turnier, aber immerhin spielten sie auch damals auf Hartplatz. In Runde zwei gegen Richard Gasquet wäre dann aber auch für den sympathischen Halb-Jamaikaner Endstation.
Der letzte Deutsche im Rennen ist Qualifikant Michael Berrer, der seine letzten US Open absolviert. Er startet gegen die 28 die Turniers, Tommy Robredo. Beide trafen schon zweimal aufeinander, auch wenn die Duelle schon einige Zeit zurückliegen. Den ersten Vergleich gewann der Spanier in drei Sätzen in Mumbai 2006 (!!!), das Rematch dann gewann Berrer 2010 in Cincinnati, ebenfalls in drei Sätzen.
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Die US Open im Überblick