In Singapur kassierte die Kielerin beim 4:6, 4:6 in 1:38 Stunden gegen ihre Angstgegnerin Garbine Muguruza (Spanien/Nr. 2) ihre erste Niederlage im zweiten Gruppenspiel.
Ich hatte meine Chancen und konnte sie nicht nutzen. Das ist schon frustrierend", meinte die Weltranglistensiebte aus Kiel und gab zu: "In den entscheidenden Momenten war sie einfach aggressiver und besser. Das war der Schlüssel. Ich dagegen habe zu viele Fehler gemacht." Es war bereits ihre vierte Schlappe gegen Muguruza in Serie.
Kerber kann nach ihrer ersten Niederlage im zweiten Singapur-Match trotzdem noch davon träumen, beim Saisonabschluss-Turnier als erste Deutsche nach Steffi Graf 1998 ins Halbfinale einzuziehen. Die Ausgangslage vor dem abschließenden Gruppenspiel am Freitag gegen die sieglose Lucie Safarova (Tschechien) ist vertrackt. Im ungünstigsten Fall könnte sogar ein Erfolg von Kerber den K.o. bedeuten - andererseits könnte selbst eine Dreisatz-Niederlage noch für das Halbfinale reichen.
Süße Revanche misslingt
"Ich werde mich damit nicht beschäftigen. Fest steht, ich gehe da raus und will gewinnen. Alles andere wird man sehen", sagte die 27-Jährige, der die Enttäuschung bei der Pressekonferenz deutlich anzumerken war. Mit einem Keks versuchte sie sich, in den Katakomben ein wenig zu trösten.
Linkshänderin Kerber misslang gegen Muguruza die süße Revanche, nachdem ihr ausgerechnet der spanische Shootingstar in diesem Jahr bereits drei bittere Niederlagen zugefügt hatte - unter anderem in der dritten Runde der French Open und in Wimbledon.
Zwei Tage nach dem starken Auftakt gegen die zweimalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova (6:2, 7:6) geriet Kerber im Duell mit Muguruza gleich unter Druck. Doch die Kielerin wandelte einen 0:2-Rückstand in eine 3:2-Führung um, weil sie die aggressiv agierende Spanierin immer wieder auskonterte.
Muguruza gelingen 38 Winner
Muguruza, der insgesamt 38 Winner gelangen, fing sich aber und nahm Kerber den Aufschlag zur eigenen 5:4-Führung ab. Ihrem Frust ließ sie danach freien Lauf, als sie beim Wechsel zu ihrem herbeigerufenen Coach Torben Beltz sagte: "Ich versuche alles, aber es klappt nicht." Wenig später nutzte Muguruza ihren ersten Satzball.
Auch in der Folge musste Kerber bei eigenem Aufschlag hart kämpfen. Nach einem 2:4-Rückstand glich sie noch einmal zum 4:4 aus, doch gegen die vielen erfolgreichen Netzattacken von Muguruza stand sie letztlich auf verlorenem Posten. Selbst ein falscher Ergebnis-Ruf von Schiedsrichterin Marija Cicak (Kroatien), die der 22-Jährige eine falsche 5:2-Führung zuschreiben wollte, brachte sie nur kurz aus dem Rhythmus.
Gleichauf mit Williams
Kerber verpasste damit am vierten Turniertag auch ihren 54. Sieg der Saison, mit dem sie in puncto Erfolge Branchenführerin Serena Williams (ebenfalls 53) überflügelt hätte.
So darf Kerber darf weiter vom ersten Semifinal-Einzug träumen. Denn im Linkshänderinnen-Duell der beiden tschechischen Fed-Cup-Kolleginnen gewann Petra Kvitova in der Weißen Gruppe mit 7:5, 7:5 gegen Lucie Safarova (Nr. 8).
Mit der Qualifikation für das Halbfinale könnte sich für die Kielerin ein Kreis schließen. Es war Steffi Graf, die der Fed-Cup-Spielerin im Frühjahr geholfen hatte, ihre zweimonatige Formkrise zu meistern. Seitdem hatte Kerber vier Turniere gewonnen (Charleston, Stuttgart, Birmingham, Stanford). Nur Serena Williams holte mehr Titel (5).
Nichts dem Zufall überlassen
Um gegen Muguruza nichts dem Zufall zu überlassen, hatte Kerber am Tag zuvor mit Ex-Profi Austin Karosi (USA) trainiert, der die harten flachen Schläge der Wimbledonfinalistin perfekt imitierte.
Zudem setzt Kerber auch in den Tagen von Singapur neben Eisbädern und ausgedehnten Physio-Einheiten auf ihre bewährte "Schlaf-Therapie". "Ich habe gemerkt, dass ich dabei am besten regenerieren kann. Immer wenn ich Zeit habe", berichtete sie schmunzelnd, "versuche ich zu schlafen: Im Flieger und auch sonst überall."
Kerber ist für das Halbfinale des WTA-Finals qualifiziert, wenn...
- sie ihr Match gegen Safarova in zwei Sätzen gewinnt und Garbine Muguruza gegen Petra Kvitova siegt. Selbst ein Erfolg von Kvitova in drei Sätzen würde Kerber noch reichen. Gewinnt Kvitova ebenfalls in zwei Durchgängen, entscheidet der Quotient der Spiele zwischen Kerber und Kvitova.
- sie ihr Match gegen Safarova in drei Sätzen gewinnt und Kvitova nicht in zwei Sätzen gegen Mugurza siegt.
- sie ihr Spiel gegen Safarova in drei Sätzen verliert und Kvitova nicht gegen Muguruza gewinnt.
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