Nachdem sie ihr Reich in Stuttgart souverän verteidigt hatte, saß Tennis-Königin Angelique Kerber am Steuer des Siegerautos und winkte glücklich in die Menge. Angeschnallt hatte sich die Australian-Open-Siegerin für den Weg von der Rampe auf den Centre Court nicht, aber dieser kleine Fauxpas ging im Tollhaus von Bad Cannstatt völlig unter.
"Ich hatte ein Gänsehaut-Gefühl, es war einfach eine perfekte Woche. Es ist unglaublich, hier meinen Titel verteidigen zu können. Besser geht es nicht", sagte Kerber nach dem 6:4, 6:0 im Finale gegen Laura Siegemund. Für die Qualifikantin aus Metzingen, die Nummer 71 der Welt, endete nach acht Spielen in neun Tagen ihre märchenhafte Reise.
Doch die Psycholgin war nach einer "Wahnsinnswoche" trotzdem happy: "Ich habe noch nie so viele Emotionen auf dem Platz gespürt wie in diesen Tagen", sagte Siegemund und kündigte an: "Das ist noch nicht das Ende der langen Reise."
Nach dem Triumph im ersten deutschen Endspiel im Schwäbischen durfte sich Kerber über ein Preisgeld in Höhe von 104.477 Euro und das lava-orangene Cabriolet freuen. Nach 1:21 Stunden verwandelte die deutsche Nummer eins ihren ersten Matchball, ließ ihr Racket fallen und streckte erleichtert beide Arme nach oben.
Kerber dominant
Noch nie zuvor hatte Kerber einen ihrer bis dato acht Titel wiederholen können. Die Weltranglistendritte bewies zudem, dass sie mit dem Hype um ihre Person und dem neuen Stress umgehen kann. "Ich habe in den letzten Wochen gelernt, jede einzelne Minute voll zu nutzen, um Energie und Kraft zu tanken", sagte Kerber, die sich auch nach der magischen Nacht von Melbourne gewohnt sympathisch und volksnah präsentierte. Nichts zu spüren von Starallüren bei ihrem ersten Turnierauftritt in Deutschland seit ihrer Sternstunde Down Under Ende Januar.
Nach einem 0:3-Fehlstart im ersten Satz gegen Siegemund agierte Kerber aggressiver und wurde ihrer Favoritenrolle vor 4600 Zuschauern in der ausverkauften Arena gerecht. Im ersten Durchgang gelang "Angie" das Break zum 5:4, nach 40 Minuten ermöglichte ihr Siegemund mit einem Fehler den Satzgewinn.
Danach merkte man der Außenseiterin die jüngsten Strapazen aber an. Siegemund, die im Duell mit Kerber 14 der ersten 18 Punkte gewann, blieb damit die Krönung ihres Siegeszuges verwehrt. "Ich hatte keinen Tag Pause und keine Zeit zum Genießen. Die werde ich mir jetzt nehmen", kündigte sie an.
Siegemund klettert
Die 28-Jährige, die ihre Bachelor-Arbeit zum Thema "Versagen unter Druck" geschrieben hatte (Note 1,3), hatte auf dem Weg in ihr erstes WTA-Endspiel unter anderem die topgesetzte Agnieszka Radwanska (Polen) sowie davor Roberta Vinci aus Italien (Nr. 6) und die Rumänin Simona Halep (Nr. 4) ausgeschaltet.
Doch durch ihre Auftritte von Stuttgart hat sich Siegemund in die Herzen der Zuschauer gespielt. Sie agiert äußerst variabel und sucht oft den Weg ans Netz. "Ich versuche immer, alles flott zu machen. Ich bin halt so ein aufgepumpter Typ", meinte die extrovertierte Siegemund.
In der neuen Weltrangliste wird Siegemund am Montag auf Position 42 notiert sein. Vor Kerber hatten bereits Anke Huber (1991 und 1994) und Julia Görges (2011) das Turnier im Schwäbischen gewonnen, das zwischen 1978 und 2005 noch in Filderstadt vor den Toren Stuttgarts ausgetragen wurde.
Die Weltrangliste der Damen