"Man muss sogar von 20 Slams reden"

Novak Djokovic ist der neue Dominator des Tennis-Sports. Doch was haben Nadal und Federer noch im Tank?
© getty

Die French Open 2016 sind Geschichte. Zeit für eine Aufarbeitung: Ist Übermensch Novak Djokovic nach dem 4. Grand-Slam-Erfolg noch aufzuhalten, oder wird er sogar Roger Federers Rekord knacken? Können Letzterer und Rafa Nadal noch einmal zurückkommen? Ist die Herrschaft von Serena Williams vorbei? Und was ist vom schwachen Abschneiden der Deutschen zu halten? Redakteur Stefan Petri und Chefredakteur Florian Regelmann diskutieren mit Alex Antonitsch und Jens Huiber von tennisnet.com.

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Djokovic knackt Federers Rekord von 17 Grand Slams

Alex Antonitsch: Das wird ihm zunächst einmal ziemlich egal sein, er hat sein größtes Ziel erreicht und man hat gesehen, was ihm das bedeutet hat. Er war wieder "unrund", vorsichtig ausgedrückt, er hat den Druck zu Beginn gespürt. Jetzt hat er einen Vorsprung in der Weltrangliste, den es so noch nie gegeben hat - und sich jetzt schon für das Masters am Saisonende qualifiziert. Das ist schon Wahnsinn. Er hat die Sportart auf ein anderes Niveau gehoben. Aber als bekennender Federer-Fan muss ich sagen: Die 17 hat er noch nicht. Wenn man sieht, was in diesen 14 Tagen alles passieren kann ... Es wird ein interessantes Thema sein: Wie schnell kann ihm die neue Generation gefährlich werden? Er war bisher auch immer frei von Verletzungen.

Florian Regelmann: Für mich ist Roger Federer der größte Sportler aller Zeiten, nicht nur der größte Tennisspieler, und wird das auch immer bleiben. Deshalb tut mir das weh, wenn ich das jetzt sagen muss, aber ich habe Angst. Ich habe echt Angst, dass Djokovic das packt. Es gibt im Sport nichts Schwierigeres, als im Tennis oder Golf einen Grand Slam zu holen. Jordan Spieth war im vergangenen Jahr kurz davor, die ersten drei Majors zu gewinnen, das war schon völliger Wahnsinn. Aber im Golf haben wir die Situation, dass es eigentlich komplett unmöglich ist, weil viel mehr Spieler bei jedem Major für den Sieg infrage kommen als beim Tennis. Und weil es an der Spitze mit Spieth, Rory McIlroy und Jason Day eine Big Three gibt, die viel zu stark ist, als dass einer alles gewinnt. Im Tennis hatten wir die Big Four. Aber jetzt? Ohne Rog und Rafa blieben in Paris eigentlich genau drei Spieler, die das Turnier gewinnen konnten. Nole, Andy und Stan. That's it. Djokovic weiß genau: Spiele ich mein bestes Tennis, kann mich aktuell aus eigener Kraft höchstens Stan schlagen, wenn er wie im Finale 2015 einen seiner Stan-Tage hat. Ansonsten ist Djokovic auf so einem unfassbaren Niveau, er hat das komplette Paket aus Athletik, Defense, Offense und jetzt auch mentaler Power, wie man nach dem verlorenen ersten Satz gut sehen konnte, dass er momentan noch dominanter ist als Federer zwischen 2004 und 2006.

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Jens Huiber: Flo, da muss ich dir Recht geben. Als Federer-Fan bin ich in dieser Hinsicht ebenfalls extrem vorbelastet, aber ich fürchte, dass es so kommen wird. Ich habe ihn in Paris gesehen, vor allem im Spiel gegen Thiem: Er steht so solide an der Grundlinie und weicht nicht zurück, steckt auch den verlorenen ersten Satz weg. Djokovic hat einen Plan und ist fit wie kaum ein anderer. Ich sehe einfach nicht, wer ihm da dauerhaft - oder auch nur in den nächsten zwei Jahren, das würde ihm ja schon reichen - wirklich schaden sollte. Das kann höchstens in Wimbledon jemand sein wie im letzten Jahr Kevin Anderson, vielleicht auch noch bei den US Open. Jemand, der einen Sterntag hat, dessen Aufschlag exzellent funktioniert. Aber je länger das Match dauert, umso schwieriger wird es.

Stefan Petri: Zu Hülf, ich bin von Federer-Fans umgeben! Bin ich denn der einzige, der dem Djoker diesen Titel so wirklich gegönnt hat? Der Mann hat sich in der stärksten Ära im Herrentennis aller Zeit förmlich an die Spitze gefightet, gegen absolute Legenden, und - sieht man vom Sonntag ab - auch oft gegen das Publikum. Jetzt steht er zu Recht allein ganz oben. Klar, derzeit ist es schwer, ihn überhaupt noch einmal verlieren zu sehen, aber mit 29 tickt auch für ihn langsam die Uhr. Milchmädchenrechnung: In diesem Jahr noch einen Slam, 2017 zwei, 2018 ebenfalls - aber dann ist er auch schon 31, und wer weiß, wer da unter ihm noch den Durchbruch schafft, ob er sich verletzt, etc. Gewinnt er auch noch die nächsten drei Slams, dann packt er es. Aber ich würde nicht darauf wetten. Sonst müssen wir Boris Becker auch als Trainer ein Denkmal bauen. Wer hätte das vor fünf Jahren für möglich gehalten?

Jens Huiber: Es hat auch ganz sicher auch mit Boris Becker zu tun. Ich halte Djokovic für einen extrem intelligenten Menschen und Spieler. Er wird wissen, was er an Becker hat. Der wird ihm in den entscheidenden Phasen etwas bringen, gerade im Offensivspiel. Ich sag mal so: Wenn Becker Djokovic nichts geben könnte, dann hätte er sich bereits von ihm getrennt.

Stefan Petri: Also? Zahlen, bitte! Ich tippe auf genau 17 Slams.

Alex Antonitsch: Es ist machbar, aber da muss alles zusammenpassen. Ich glaube eher nicht, dass er noch weitere sechs Grand Slams gewinnt und einen neuen Rekord aufstellt.

Florian Regelmann: Federer hatte die Probleme namens Djokovic und Nadal, die verhindert haben, dass er jetzt bei 20 steht, aber wer sind die, die jetzt Nole stoppen sollen? Im Moment wüsste ich nicht, wie er nicht den Grand Slam holt in diesem Jahr. Dann würde er bei 14 stehen. Und 2018 irgendwann bei 18-20? Es kling völlig abartig, aber ich traue dem Kerl aktuell alles zu. Alles.

Jens Huiber: Ich glaube auch, dass Djokovic Federer einholen wird. Ich fürchte, man muss sogar von 20 Grand Slams reden.