Djokovic lebt den Grand-Slam-Traum

SID
Novak Djokovic küsst die Trophäe nach seinem Sieg gegen Andy Murray
© getty

Beim Champagner-Umtrunk unter Müttern genossen Dijana Djokovic und Judy Murray das "savoir vivre" nach einem denkwürdigen Finale im Stade Roland Garros. Doch die Serbin blickte ein wenig ernster drein als die Schottin. Vielleicht ahnte sie schon, dass ihrem Sohn Novak Djokovic nach seinem ersten French-Open-Triumph, der seine Major-Sammlung komplettierte, nicht viel Zeit zum Genießen gewährt wird.

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Die Frage jedenfalls, ob der 29-Jährige als erster Spieler nach Rod Laver 1969 in dieser Saison den Grand Slam holen kann, sie war allgegenwärtig. "Ich will ja nicht arrogant klingen, aber ich denke, dass im Leben alles erreichbar ist", sagte die Nummer eins nach dem beeindruckenden 3:6, 6:1, 6:2, 6:4 gegen den Briten Andy Murray (Nr. 2).

Djokovic verschwieg, dass im olympischen Jahr 2016 nicht nur der Grand Slam, sondern sogar der Golden Slam das Ziel ist. Alle vier Majortitel plus Olympiagold hat bislang nur Steffi Graf (1988) geholt. Es ist eine historische Chance, die sich dem scheinbar unantastbaren "Robotovic" bietet. Djokovics inzwischen verstorbene erste Trainerin Jelena Gencic hätte recht behalten, als sie den jungen Novak einst "goldenes Kind" nannte.

Die derzeitige Dominanz des zwölfmaligen Grand-Slam-Champions jedenfalls ist erdrückend. "Einfach phänomenal, was er in den letzten zwölf Monaten geleistet hat. So etwas wird es vielleicht lange Zeit nicht mehr geben", lobte Murray.

"Novak Referenz für alle anderen"

Als dritter Spieler in der Geschichte und erster nach Rod Laver vor 47 Jahren hält Becker-Schützling Djokovic alle vier Grand-Slam-Trophäen gleichzeitig. Die L'Equipe, die Djokovic auf der Titelseite mit der Überschrift "Plus Grand" (größer) huldigte, sah sich sogar veranlasst, eine Abstimmung zu starten. Über die ultimative Rangfolge der Superstars Roger Federer, Rafael Nadal und Djokovic.

Der Schweizer (17) und der Spanier (14) sind dem Serben in puncto Major-Titel zwar (noch) voraus. Doch dieser ist längst aus dem Schatten von "Maestro" Federer und Sandplatzkönig Nadal getreten. "Dabei war es am Anfang alles andere als freudig, Teil dieser Ära mit Roger und Rafa zu sein", sagte Djokovic schmunzelnd und mit Blick auf einige bittere Lehrstunden: "Aber ich habe akzeptiert, dass ich mich mit diesen beiden Champions messen muss. Und ab diesem Punkt ging es bergauf."

Sowohl gegen Federer (23:22 Siege) als auch gegen Nadal (26:23) und Murray (24:10) besitzt das Sprachengenie mittlerweile eine positive Erfolgsbilanz. "Novak ist längst die Referenz für alle anderen", meinte die frühere Nummer eins Mats Wilander.

Körper im Autopilot-Modus

Djokovic hat sechs der letzten acht Grand-Slam-Turniere gewonnen, 2016 erst dreimal verloren (44 Erfolge) - und in dieser Saison 17 von 18 Duellen gegen "Top-Ten"-Konkurrenten für sich entschieden.

Sein Coach Boris Becker ist ein wichtiger Bestandteil des Gesamtkunstwerks. Nicht zuletzt mit Blick auf den Triumph an der Seine. Nach Djokovics bitterer Final-Niederlage bei den French Open 2015 gegen den Schweizer Stan Wawrinka organisierte Becker für das Training in Wimbledon ein paar Wochen später einen besonderen Hitting-Partner: Nämlich Wawrinka. "Um Dinge zu überwinden, muss man sich ihnen stellen. Du kannst nicht vor ihnen davonlaufen", erklärte Becker der New York Times den Psycho-Trick.

Djokovic gewann im vergangenen Jahr zum dritten Mal im Tennis-Mekka Wimbledon - und überwand nun auch sein Paris-Trauma. Letzteres sogar mit einer außerkörperlichen Erfahrung. "Mein Körper ging beim letzten Punkt in den Autopilot-Modus. Es war, als ob mein Geist ihn verlässt", erzählte Djokovic.

Novak Djokovic im Steckbrief

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