Roger Federer höchstpersönlich stoppte die übertriebenen Lobeshymnen auf das deutsche Tennistalent Alexander Zverev, noch bevor dieser in Halle von Oldie Florian Mayer die Grenzen aufgezeigt bekam. "Ich habe nie gesagt, dass er die Nummer eins der Welt wird", sagte der Schweizer Superstar: "Das wäre unfair. Die Eins wird man nicht über Nacht, die erkämpft man sich."
Für Federer ist Zverev hochbegabt, aber nicht der nächste Boris Becker. Zum einen wolle er "auf den Jungen nicht zu viel Druck ausüben", zum anderen spricht er aus eigener Erfahrung: "Bei mir hieß es immer, ich sei der nächste Pete Sampras, dabei hatte ich noch gar keinen Titel gewonnen." Die Vergleiche raubten Federer eine zeitlang den Spaß, "dabei war eine Tenniskarriere immer mein Traum gewesen".
Alexander "Sascha" Zverev, 19 Jahre aus Hamburg, lebt diesen Traum, und er lebt mit dem Druck der deutschen Öffentlichkeit, die sich nach dem nächsten Grand-Slam-Sieger sehnt. Manchmal macht ihm sein Beruf mehr Spaß, wie im Halbfinale der Gerry Weber Open gegen Federer, manchmal weniger. Nach der Finalpleite gegen Mayer war der Teenager um Haltung bemüht, ärgerte sich jedoch extrem über den, seiner Meinung nach, "schlechtesten Auftritt seit Wochen".
In diesen Momenten gibt Zverev viel von sich preis. Längst erwartet er von sich selbst große Ergebnisse, Turniersiege. Zverev kann es nur schwer akzeptieren, dass er nach zwei Endspielen auf der ATP-Tour noch immer keinen Titel gewonnen hat. Dabei gilt er auf der Tour als eines der größten Versprechen auf die Zukunft, ist von der "NextGen" die Rede, fällt auch immer sein Name.
"Er arbeitet hart, sehr seriös"
Noch aber überholt Zverevs Ehrgeiz manchmal sogar seine außerordentlichen Fähigkeiten und seinen beeindruckenden Kampfgeist. Er treibt ihn jedoch im Training immer wieder zu Höchstleistungen. Das gefällt Federer, der ab und an mit Zverev übt, am besten. "Er arbeitet hart, sehr seriös. Das muss er aber auch, um ganz nach vorne zu kommen."
Nach dem Finale von Halle wird Zverev erstmals unter den besten 30 Spielern geführt, in der kommenden Woche in Wimbledon geht er erstmals als gesetzter Spieler an den Start und damit in den ersten Runden den Topleuten aus dem Weg. Punkte hat er im Rest des Jahres kaum noch zu verteidigen, so dass selbst die Top 10 kurzfristig machbar erscheinen. "Ich bin überzeugt, dass er es schafft", sagte der siebenmalige Wimbledonsieger Federer in Halle. Die Kunst sei es jedoch, Jahre im Kreis der Besten zu verbringen.
So rasant wie bisher wird sich Zverev mit großer Wahrscheinlichkeit nicht weiterentwickeln. Rückschläge warten, wie er mit ihnen umgeht wird über seine Zukunft entscheiden. Bisher hat Zverev aus jeder Niederlage gelernt und Motivation für die nächsten harten Wochen auf dem Trainingscourt gezogen. Das zumindest verbindet ihn schon mit Becker, Sampras oder Federer.
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