Angelique Kerber (GER/1) - Dominika Cibulkova (SVK/7) 3:6, 4:6
Gegen das Energiebündel Dominika Cibulkova fand die am Sonntag fehleranfällige Nummer eins der Welt von Beginn an kein erfolgsversprechendes Mittel. Damit bleibt Steffi Graf (1996) vorerst die letzte deutsche Siegerin, die die inoffizielle WM gewonnen hat.
Angelique Kerber, die in diesem Jahr die Australian Open und die US Open gewann, produzierte in Satz eins zu viele Fehler - vor allem auf der Rückhand. Zudem wirkte ihr in den vergangenen Monaten stark verbessertes Aufschlagspiel wie eine Großbaustelle. Sechs Doppelfehler und eine Aufschlagquote von unter 60 Prozent spielten Cibulkova in die Karten, die sich mit konsequenten Angriffsspiel Satz eins sicherte.
WTA, ATP, Davis und Fed Cup live? Diese Turniere zeigt DAZN live und auf Abruf
In der Folge wirkte Kerber, die 2016 drei von acht Endspielen für sich entschied, stark verbessert, und stemmte sich mit letzten Kraftreserven gegen die drohende Niederlage. Doche gerade als sie sich bei eigenem Aufschlag zu stabilisieren schien, schlug die Nummer acht der Welt zu und sicherte sich das entscheidende Break und wenig später den größten Erfolg ihrer Karriere seit dem Einzug ins Finale der Australian Open 2014.
Kerber bleibt als zweifache Grandslamsiegerin weiter die Nummer eins der Weltrangliste und streicht mit der Finalteilnahme von Singapur weitere 1,2 Millionen US Dollar Preisgeld ein. Die Deutsche hatte bereits vor den WTA-Finals die Marke von mehr als zehn Millionen US-Dollar Preisgeld innerhalb einer Saison geknackt - als erst zweite Spielerin nach Serena Williams überhaupt.
Die Reaktionen:
Cibulkova: "Es ist einfach unglaublich. Ich habe hier das beste Spiel und gesamte Turnier meiner Karriere gespielt. Ich kann meine Emotionen noch nicht in Worte fassen. Ich bin immer noch am Zittern. Angelique ist eine große Inspiration gewesen dieses Jahr für mich. Danke dafür - auch an mein Team - ihr seid alles für mich."
Kerber: "Zu allererst eine riesen Gratulation an Dominika. Du hast unglaublich gespielt. Ich habe nochmal alles gegeben, alles auf dem Platz aus mir herausgeholt. Vielen Dank an mein tolles Team. Wir haben ein wunderschönes Jahr mit zwei Grand-Slam-Erfolgen erlebt. Ich bin stolz auf uns und froh, vor den ganzen Fans auf den großen Bühnen spielen zu dürfen."
Der Spielfilm:
Satz 1
Cibulkova eröffnet mit eigenem Aufschlag und präsentiert sich von Beginn an aggressiv. Zwei Gewinnschläge und ein Returnfehler von Kerber bringen der Slowakin den ersten Spielgewinn. Die Deutsche zeigt sich davon wohl etwas beeindruckt und muss unter anderem nach einem Doppelfehler und einem weiteren Fehler bei 15:40 zwei Breakbälle abwehren. Die Slowakin nutzt mit Konsequenz und viel Power direkt die erste Chance. Nur zwei Minuten später steht es 3:0 für Cibulkova, die ihren Aufschlag zu Null hält.
Die Weltranglistenerste versucht danach selbst, die Initiative zu übernehmen. Aber mit erneuten Fehlern auf der Rückhandseite und dem zweiten Doppelfehler macht sich die Deutsche selbst das Leben schwer. Doch Kerber kämpft in der Defensive und kommt über Einstand zu ihrem ersten Spielgewinn.
Das gibt der Deutschen Auftrieb: Zwar wird die Favoritin bei fast jedem Ballwechsel weit hinter die Grundlinie gedrängt. Doch Kerber nutzt jetzt ihre ausgezeichnete Laufstärke. Prompt schnellt die Fehlerquote von Cibulkova in die Höhe - Break zum 2:3.
Das hindert die Weltranglisten-Achte aber nicht daran, weiter auf jeden Ball draufzugehen. Kerber schafft es zu selten, Länge in ihre Grundlinienschläge zu bekommen, Cibulkova glänzt mit ihren Vorhandwinnern fünf und sechs und erhält zur Belohnung das erneute Break zum 2:4!
Diesen Vorsprung hält die Slowakin und hat im neunten Spiel bei eigenem Aufschlag die Chance, den Satz zu beenden und schafft das direkt im ersten Versuch. Cibulkova holt sich überraschend aber hochverdient Satz eins mit 6:3.
Satz 2
Kerber holt sich in der Satzpause den Rat ihres Coaches Torben Beltz ein. Mit dem vermehrten Einsatz des Slice-Aufschlags über außen solle sie ihre Quote bei eigenem Service erhöhen, zudem zunächst die Rückhand der Gegnerin anvisieren und dann mit früh genommenen Vorhandkontern das Feld öffnen.
Kerber vertraut in der Folge ihrem Erfolgscoach, kommt besser in die Begegnung hinein. Doch die erfolgreichen Schläge heben sich immer noch nicht von den Unforced Errors ab. Doch zumindest die ersten beiden Aufschlagspiele sichert sich Kerber.
Beim Stand von 1:1 und Einstand präsentieren die beiden Kontrahentinnen den bisher längsten Ballwechsel des Endspiels. Kerber variiert mit zwei Slicebällen und beendet das Hin und Her mit einem Vorhandkonter die Linie entlang. Der lautstarken Anfeuerung folgt der Spielgewinn - 2:1 nun aus Sicht der Deutschen. Doch Cibulkova besticht mit Konstanz - zu Null gleicht sie zum 2:2 aus.
Kerber hat jetzt ihren Rhythmus bei eigenem Service gefunden. Beide Spielerinnen halten souverän ihr nächstes Aufschlagspiel - 3:3. Vorbei mit Souveränität: Wo ist der erste Aufschlag? Mit ihrem bereits sechsten (!) Doppelfehler eröffnet Kerber der Slowakin die nächsten Breakmöglichkeiten. Cibulkova bedankt sich und geht mit 4:3 in Führung. Und Probleme beim eigenen Aufschlag kennt die 27-Jährige in diesem Finale nicht. Cibulkova geht mit 5:3 in Führung.
Kerber hält zwar ihren eigenen Servive, muss wenig später beim Stand von 4:5 und 15:40 die ersten beiden Matchbälle abwehren. Doch Cibulkova wackelt und produziert einen Doppelfehler. Auch Matchball Nummer zwei und wenig später Nummer drei (ein wahrer Elfmeter) vergibt die 27-Jährige. Doch beim vierten Matchball taucht der Tennisgott kurzzeitig auf und hilft ihr mit einem tödlichen Netzroller. Cibulkova schnappt sich Satz zwei mit 6:4 und gewinnt das Match und die WTA-Finals.
Schlag des Spiels:
Könnte definitiv der fehlende erste Aufschlag und die schwache Rückhand der Deutschen sein. Doch Cibulkova glänzte ein ums andere Mal mit tollen Vorhandwinnern. Der Mut, diese permanent einzusetzen und dennoch die eigene Fehlerquote niedrig zu halten, wurden am Ende belohnt. Mit einem dieser brutal aggressiven Vorhandbälle erspielte sie sich auch den entscheidenden Matchball Nummer vier.
Ballwechsel des Spiels:
Bei 1:1, Einstand und eigenem Aufschlag im zweiten Satz stemmt sich Kerber gegen den drohenden Matchverlust. Die Deutsche rennt von links nach rechts, variiert mit dem Rückhandsclice und beendet den Ballwechsel zu ihren Gunsten mit einer tollen Vorhand die Linie entlang.
Das fiel auf:
- Die Weltranglistenerste hatte in Satz eins große Probleme mit ihrem eigenen Aufschlag und ihrer sonst so stabilen Rückhand. Kerber blieb mit ihrer Aufschlagquote beim ersten Service unter 60 Prozent. Und den zweiten Aufschlag - generell eine Schwäche der Deutschen - attackierte Cibulkova permanent und gewann sieben von zehn möglichen Ballwechseln. In Kombination mit einer zu hohen Fehlerquote auf der Rückhand war der Satzgewinn der Slowakin hochverdient.
- Kerber hat einen tollen Coach, das wurde heute wieder einmal klar. Doch auch Beltz vermochte mit seiner Taktikumstellung nach Satz eins nicht, die Gegnerin zu stoppen. Die sonst auch eher reagierende als agierende Cibulkova überzeugte mit Powertennis - 28 Winner (Kerber 14) in nur zwei Sätzen sprechen für sich. Trotz der offensiven Spielweise hielt die Nummer acht der Welt ihre Fehlerquote mit 14 Unforced Errors niedrig (Kerber 23).
- "Ich kann nicht mehr. Ich bin bei jedem Ball zu spät", erklärte Kerber im Zwiegespräch mit ihrem Coach, der Mitte des zweiten Satzes nochmals versuchte, Kerber auf die Siegerstraße zurückzubringen. Der Akku der Nummer eins der Welt war - höchstens - noch halbvoll. Das 81. Einzel (Rekord) eines langen Jahres war in diesem Finale zu viel.
Die Weltrangliste der Damen im Überblick