Patrick Mouratoglou ist nicht nur seit 2012 der Erfolgscoach von Serena Williams. In seiner Mouratoglou Tennis Academy in der Nähe von Nizza reifen viele der Stars von morgen heran. Im SPOX-Interview spricht der 48-Jährige über sein Konzept, die besondere Beziehung zu Serena Williams und seine Bewunderung für Angelique Kerber.
Außerdem blickt Mouratoglou auf die French Open voraus, gibt seine Einschätzung zu Alexander Zverev ab (BMW Open mit Zverev, Molleker und Co. täglich live auf DAZN) und erklärt, warum er im Tennis die Verwarnungen abschaffen würde.
Herr Mouratoglou, auf der HomepageIhrerAcademyistausdrücklichbeschrieben, dass es Ihnennichtnurums Tennis geht. WiemeinenSiedas?
Patrick Mouratoglou: Wir wollen nicht nur tolle Tennisspieler entwickeln, sondern vor allem auch tolle Menschen. Neben der Tennisausbildung ist auch die schulische Laufbahn wichtig. Ich bin der Meinung, dass beides gleichermaßen wichtig ist. Die Herausforderung für uns ist es, dass wir beides erfolgreich gestalten. Wenn sich Talente für unsere Academy entscheiden, dann machen sie das natürlich, weil sie der beste Tennisspieler werden wollen, der sie sein können. Also ist es natürlich ein Fokus und es ist auch die Rolle als Coach, jedem Spieler dabei zu helfen, sein Potenzial auszuschöpfen. Aber es gibt auch ein Leben nach dem Tennis, auf das die Spieler vorbereitet sein müssen. Das gilt selbst für diejenigen, die es schaffen, Profi zu werden.
WoraufachtenSiebesonders in der Persönlichkeitsentwicklung?
Mouratoglou: Das Wichtigste ist, dass wir für unsere Studenten eine sehr inspirierende Atmosphäre schaffen, in der wir sie entwickeln und wachsen lassen. Vor allem als Mensch. Sie müssen sich vorstellen, dass diese Mädchen und Jungs innerhalb einer Gruppe leben, die mehr als 30 verschiedene Nationalitäten umfasst. Sie wachsen auf höchstem Niveau mit den Werten des Sports heran und werden sowohl auf dem Tennisplatz als auch im Klassenzimmer von Profis geführt. Sie lernen, sich Ziele zu setzen. Hart zu arbeiten, um ihre Träume zu erreichen. Dafür zu kämpfen, was sie erreichen wollen. Sich gegenseitig zu helfen. Ihre Position in einer riesigen Gemeinschaft zu finden. Viele verschiedene Kulturen kennenzulernen. Mehrere Sprachen zu sprechen. Auch einfach offen durchs Leben zu gehen. Ich glaube, dass das Angebot von dieser Art der Ausbildung ziemlich einzigartig ist. Wenn ich sehe, was für Teenager sie mit 17 oder 18 Jahren werden, bin ich wirklich immer sehr von ihnen beeindruckt.
mouratoglou academyMouratoglou: "Serena hat mir von der ersten Minute an vertraut"
Ihreerfolgreiche Zusammenarbeit mit Serena Williams istallenTennisfansbekannt. Als Sie begannen, mit Serena zuarbeiten, hattesieschon 13 Grand Slams gewonnen. Was war die größteHerausforderung, wenn man jemandentrainiert, der schon so vielerreicht hat?
Mouratoglou: Über die Jahre haben sich uns immer wieder neue Herausforderungen gestellt. Wir haben uns zusammen immer wieder neue Ziele gesetzt. Zu Beginn steckte Serena gerade in einer schwierigen Phase. Sie hatte zwei Jahre lang kein Grand Slam mehr gewonnen. Meine Herausforderung war es, Serena wieder groß zu machen. Sie wieder an die Spitze zu führen. Ich erarbeitete einen Plan, den wir durchzogen und der zum Glück aufging. Nachdem wir mit unserer Zusammenarbeit begonnen hatten, gewann Serena innerhalb von drei Monaten Wimbledon, die US Open und olympisches Gold. Sie hat mir vom ersten Tag an vertraut. Das ist wahrscheinlich einer der großen Schlüssel für unseren Erfolg als Duo.
Serena istbekanntdafür, niemalszufriedenzu sein, egalwievielsieschonerreicht hat. Wann haben Sie gemerkt, wie Serena tickt?
Mouratoglou: Ende 2012 war Serena zurück und hatte wieder viel gewonnen. Aber dann erklärte sie mir, was für ein großes Problem die French Open für sie sind. Sie hatte zwar 2002 den Titel in Roland Garros gewonnen, aber dann lief dort zehn Jahre lang nichts mehr zusammen. Sie war einfach nicht in der Lage, in Paris gut zu spielen. Aber sie wollte es so sehr, sie wollte dort wieder gewinnen. Also haben wir einen Plan geschmiedet, wie sie die French Open wieder gewinnen kann. Einige Monate später stand sie mit der Trophäe da und ich wusste, wie viel ihr dieser Triumph bedeutet. Aber dann passierte es. Die Zeremonie war gerade ein paar Minuten vorbei, da bat sie mich, mit ihr zum Stretching zu kommen. Fünf Minuten später machte sie ihre Übungen und schaute mich an: "Jetzt müssen wir Wimbledon gewinnen." Sie hatte wenige Minuten danach ihren Triumph in Paris schon wieder vergessen und sich schon das nächste Ziel gesetzt. Von diesen Geschichten habe ich über die Jahre einige erlebt.
Mouratoglou schwärmt von Angelique Kerber
Serenas großes Ziel ist es sicher, 25 Grand Slams zugewinnen. Wie langewird Sie dem Tennissportnocherhaltenbleiben?
Mouratoglou: Serena ist niemand, der aufgibt. Ihr innerer Antrieb ist extrem und sie hat die Fähigkeit, auch schwere Zeiten auszuhalten und durchzustehen. In den letzten eineinhalb Jahren hatte sie viele gesundheitliche Probleme, aber sie hat das Gefühl, dass sie immer noch Grand Slams gewinnen kann. Sie will dieses Ziel der 25 Slams erreichen.
SerenahatteeinigeepischeSchlachten auf dem Court mit Angelique Kerber. Wenn Sie alsgegnerischer Coach auf Angie Kerber schauen, was fällt Ihnen alsErstesein?
Mouratoglou: Ich bewundere Angelique sehr, sie ist so eine fantastische Sportlerin. Sie ist eine Kämpferin, die sehr hart für ihren Erfolg arbeitet. Ihre Strategie auf dem Platz passt perfekt zu ihren Qualitäten. Sie liest das Spiel extrem gut und sie ist eine der besten, wenn nicht der beste Counter-Puncher im Damen-Tennis.
Wechselnwirzu den Herren. Novak Djokovic hat die letztendrei Grand Slams gewonnen und istabsolut on fire.
Mouratoglou: Novak ist einfach wieder der Novak, den wir seit 2011 kennen. Für zwei Jahre hat er sich selbst ein wenig verloren. Aber seit dem Moment, als er sich entschied, sein altes Team um Coach Marian Vajda wieder zu installieren, hat es sich wieder gedreht. Nole ist wieder Nole. Ich war schon immer der Meinung, dass er in Bestform der dominanteste der Top 3 ist. Er hat seine Motivation wiedergefunden, seine Aura auf dem Platz ist wieder da und vor allem sein Spiel ist sofort wieder zurückgekommen. Er ist extrem schwer zu schlagen, weil er einfach keine Schwächen hat und für alle Probleme Lösungen findet. Dazu kommt, dass er ein unglaubliches Selbstbewusstsein besitzt und ja wirklich keinen Punkt verloren gibt.
AlsNächstesstehen die French Open an. Auch wenn Djokovic die letzten Slams allegewonnen hat, ist es in Paris verboten, nicht auf Rafael Nadal zusetzen, oder?
Mouratoglu: Rafa war in Roland Garros immer der große Favorit, weil er der beste Sandplatzspieler aller Zeiten ist. Aber trotzdem glaube ich, dass Novak ihn in Paris schlagen kann. Er hat ihn schon mehrfach auf Sand geschlagen, in den Finals von Masters-Events und auch in Paris. Wenn Djokovic Nadal in den Turnieren vor Paris mal bezwingen kann, ist er für mich der Favorit für die French Open.
mouratoglou academyMouratoglou über die Chancen von Roger Federer in Paris
Die Sandplatzsaison 2019 isteinebesondere, weil Roger Federer mal wieder auf Asche aufschlägt. Was trauen Sie ihmzu?
Mouratoglou: Erstmal waren das fantastischte Neuigkeiten für alle Fans, dass Roger sich entschieden hat, in diesem Jahr in Paris dabei zu sein. Kann er auch auf Sand weit kommen? Definitiv. Dennoch glaube ich, dass es extrem schwer für Roger sein wird, Rafa, Novak oder auch Stan Wawrinka oder Dominic Thiem über fünf Sätze zu bezwingen. Und um den Titel zu gewinnen, müsste er mehrere dieser Jungs ausschalten...
Sie sprechen Dominic Thiem an, der Nadal mehrfach auf Sand schongeschlagen hat und eigentlich irgendwann einmal Paris gewinnensollte. Oder sehen Sie das anders?
Mouratoglou: Nein. So wie viele andere war auch ich immer schon immer der Überzeugung, dass Dominic in Paris seinen ersten Grand-Slam-Titel holen wird. 2018 stand er im Finale und hat gegen den Sandplatz-König verloren. Aber ich glaube nach wie vor, dass er eines Tages die French Open gewinnen wird.
Über wen wirjetztnochnichtgesprochenhaben, ist Alexander Zverev. Bei den Grand Slams hat ernachwievorProbleme, was muss erausIhrerSichtändern?
Mouratoglou: Sascha ist ein großartiger Spieler, aber es gibt immer noch einige wichtige Dimensionen, die er nicht beherrscht. Er hat Masters-Events gewonnen und die besten Spieler der Welt geschlagen. Was dazu führte, dass jeder dachte, er sei bereit, um ein Grand Slam zu gewinnen. Das hat den Druck auf ihn erhöht. Ich bin mir sicher, dass Ivan Lendl an den Fehlern in seinem Spiel arbeitet, damit Sascha sein ganzes Potenzial ausschöpfen kann. Die Arbeit der nächsten drei Jahre wird darüber entscheiden, ob er das Zeug dazu hat, ein oder mehrere Grand Slams zu gewinnen.
Patrick Mouratoglou im Steckbrief
geboren | 8. Juni 1970 in Neuilly-sur-Seine (Frankreich) |
Coach von | Serena Williams (seit Juni 2012) |
Titel mit Serena Williams | 3x US Open, 3x Wimbledon, 2x Australian Open, 2x French Open, Olympia-Gold, 3x WTA Tour Championships |
Coaches Titel im Einzel | 31 |
ehemalige Spieler | Marcos Baghdatis, Anastasia Pavlyuchenkova, Aravane Rezai, Yanina Wickmayer, Laura Robson, Jeremy Chardy, Grigor Dimitrov |
Mouratoglou: "Die Spieler sollten mehr Freiheiten bekommen"
Sie betreuen in Ihrer Academy aucheinenganzjungenDeutschen: Rudi Molleker. Was können Sie überihnerzählen?
Mouratoglou: Ich kenne Rudi nun schon seit einigen Jahren, seit er 14 Jahre alt ist. Er hat in der Vergangenheit schon immer wieder mal Zeit in der Academy verbracht und ich habe immer gedacht, dass er ein riesiges Potenzial besitzt. Letzten Winter hat er sich meinem Team angeschlossen, um die Saisonvorbereitung zu machen. Rudi ist ein toller Athlet. Er liebt das Spiel und er hat richtige Waffen. Er ist aber auch ein sehr guter Fighter. Er hat natürlich noch sehr viel Luft nach oben, klettert in der Rangliste aber schon schnell nach oben. Ich glaube an Rudi.
Stefanos Tsitsipasisteiner der absolutenJungstars der Szene. Sie sindein Mentor von ihmgeworden. Was gefällt Ihnen so sehr an ihm?
Mouratoglou: Stef hat mich von der ersten Minute an, als ich ihn auf YouTube gesehen habe, fasziniert. Damals war er 16. Was mir gleich aufgefallen ist an diesem Tag war sein Ehrgeiz. Er wollte jeden einzelnen Punkt gewinnen und hat nicht einmal auf den Fehler des Gegners gewartet. Im Gegenteil. Er ist ans Netz gestürmt. Er zeigte Mut und Entschlossenheit. Er übernahm Verantwortung für sein Spiel. Seitdem hat er sich unglaublich schnell stark verbessert. Aber wenn man ihn jeden Tag sieht, ist das keine Überraschung. Ich habe hunderte Matches von ihm gesehen und es niemals erlebt, dass er sich hätte hängen lassen. Er ist in der Lage, Matches gegen Spieler zu gewinnen, die in der Theorie besser sind als er. Er weiß genau, was er will. Seit ich ihn kenne, hat er in jedem Jahr gigantische Fortschritte gemacht.
LetzteFrage: Sie geltenalsjemand, der im Tennis gerneeinige Dinge verändernwürde und dieseauchoffenanspricht. WarumwäreVeränderungausIhrerSichtdennwichtig?
Mouratoglou: Tennis ist ein wundervoller Sport, den ich liebe und dem ich mit großer Leidenschaft verbunden bin. Aber wir müssen alle auch erkennen, dass sich Sport generell in den letzten 20 Jahren stark verändert hat. Tennis muss sich anpassen, um moderner zu werden, um für mehr Leidenschaft bei den Fans zu sorgen und dadurch jüngere Generationen anzuziehen. Grundsätzlich glaube ich, dass alles hilft, was den Fan näher an den Spieler bringt. Wenn der Fan den Spieler besser kennenlernt, ist das gut. Generell On-Court-Coaching zu erlauben, wäre ein toller Schritt in diese Richtung, aber wir sollten auch darüber nachdenken, Verwarnungen abzuschaffen. Die Spieler sollten mehr Freiheiten bekommen, um auszudrücken und mit dem Publikum zu teilen, wie es gerade in ihrer Gefühlswelt auf dem Court aussieht.