Es war nicht zu übersehen, wie glücklich Alexander Zverev war. Und als er sich wieder etwas gefangen hatte, als ihm seine vielen Gedanken nicht mehr die Sprache verschlugen, da war es auch zu hören. Nein, betonte er dann im Überschwang der Gefühle, dieser Tag sei jetzt nicht der glücklichste in seinem Leben, "wenn ich ins Finale komme, wird das der glücklichste Tag in meinem Leben sein." Dafür müsste der Hamburger am Freitag bei den Australian Open (9.30 Uhr MEZ) das Halbfinale gegen seinen Freund Dominic Thiem gewinnen.
Ja, das Halbfinale. Mit dem 1:6, 6:3, 6:4, 6:3 gegen Stan Wawrinka (Schweiz) und seinem ersten Einzug in die Runde der letzten Vier bei einem Grand Slam hat Zverev endlich "eine Grenze durchbrochen", wie er feststellte: "Es fühlt sich fantastisch an. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet." Früher, glaubt er, sei er bei den Grand Slams "zu ungeduldig" und "fast zu professionell" gewesen: "Ich wollte es zu sehr." Zurzeit "bin ich relaxter, ich mache mehr Sachen, um mich zu entspannen." Es tut ihm gut.
Einen Sieg braucht Zverev noch, um als erster Deutscher seit Rainer Schüttler 2003 ebenfalls bei den Australian Open das Endspiel eines Grand Slam zu erreichen, zwei Siege, um erster deutscher Champion seit Boris Becker 1996 ebenfalls in Melbourne zu sein. Gegner am Freitag ist ein wenig überraschend Dominic Thiem. Der Österreicher rang in einem verbissen geführten Match den Weltranglistenersten Rafael Nadal aus Spanien mit 7:6 (7:3), 7:6 (7:4), 4:6, 7:6 (8:6) nieder. Gegen Zverev hat der Weltranglistenfünfte eine positive Bilanz - 6:2. "Ich freue mich auf Freitag", sagte Thiem.
Zverev wollte sich das Match am Fernseher anschauen. "Ich hoffe, sie spielen sechs Stunden", sagte er im Scherz. Es wurden dann 4:10 Stunden, aber Zverev hat derzeit ohnehin keine Schützenhilfe nötig.
Halbfinale? Alexander Zverev hofft auf "das erste von vielen"
Wie er als erster Deutscher seit Tommy Haas 2009 in Wimbledon in die Runde der letzten Vier bei einem Grand Slam einzog, das ist eines Champions würdig. Nur einen Satz hat er im Turnier abgegeben. Von diesem ersten Satz gegen Wawrinka ließ er sich zudem nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn er später im Spaß sagte: "Ich habe mir schon überlegt, wie ich das erkläre, dass ich in drei Sätzen verloren habe."
Stattdessen musste Zverev berichten, wie ihm die Wende gelungen sei. Bislang, erklärte er, habe er bei kühlen Temperaturen gespielt. Am Mittwoch waren es um die 30 Grad. "da fliegen die Bälle dann schneller und weiter." Darauf habe er sich erst einstellen müssen. Und das wiederum gelang ihm mit einer bemerkenswerten Souveränität. Nun zahle sich eben das harte Training aus, das er nach dem "schrecklichen" ATP Cup und vor Melbourne absolviert habe. "Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt mehr Kontrolle auf dem Platz habe", sagte er.
Nun also Halbfinale, und "ich hoffe", sagte Zverev, "das ist das erste von vielen." Nach dem ersten war es ihm zunächst ein Bedürfnis, erneut mitzuteilen, dass er mitnichten einen neuen Trainer brauche. Er, sein Vater sowie das gesamte Team hätten bewiesen, "dass wir große Turniere gewinnen können", etwa 2018 die ATP Finals. "Es gibt keinen Grund, das zu ändern". Wenn etwas schieflaufe wie neulich beim ATP Cup, sei das allein "meine Schuld". Erst wenn sein Vater sich "müde fühlt, werden wir etwas daran ändern."