Boris Becker setzte seine Sonnenbrille auf, nahm direkt am Center Court Platz und genoss seine Zeit am Hamburger Rothenbaum sichtlich. "Ich liebe die Stadt, bei so einem Wetter sowieso", sagte das deutsche Tennisidol, das sich über Siege des immer selbstbewussteren Dominik Koepfer und von Yannick Hanfmann freute. Später trübten die Niederlagen von Philipp Kohlschreiber und Jan-Lennard Struff die zunächst heitere Bilanz der deutschen Profis.
Becker richtete den Blick aber auch schon über die Hansestadt hinaus gen Paris. Die French Open starten am Sonntag - und der 52 Jahre alte Fachmann rechnet mit einem Turnier, das deutlich umkämpfter sein wird als in den Vorjahren. "Rafael Nadal ist mein Topfavorit", sagte Becker: "Aber in diesem Jahr wird es besonders schwer für ihn." Nadal, zwölfmaliger Paris-Champion, fehle noch Matchpraxis, sagte Becker. Er sieht Vorteile für Profis, die auch bei den US Open am Start waren.
Dazu gehört auch Deutschlands Topstar Alexander Zverev, der in New York nur allzu knapp seinen ersten Grand-Slam-Titel verpasste. In der Vorbereitung auf Paris hätte Becker den 23 Jahre alten Hamburger gerne auch in dessen Heimatstadt gesehen. "Normalerweise würde ich sagen, dass Sascha auf Sand einer der Favoriten ist", meinte Becker. Nun sieht er ohne Matchpraxis auf Sand eine "nicht optimale Vorbereitung" auf Paris. Sollte sich Zverev in die zweite Turnierwoche kämpfen, sei aber alles drin.
In Hamburg nutzen am Dienstag Koepfer (Furtwangen) und Hanfmann (Karlsruhe) die Chance, sich in Abwesenheit der deutschen Nummer eins größere Aufmerksamkeit zu erspielen. Koepfer erkämpfte sich den 7:6 (7:0), 4:6, 6:1-Sieg gegen den zuvor von ihm "Ballwand" getauften Japaner Yoshihito Nishioka hart. Hanfmann überraschte mit einem 6:4, 6:3-Sieg gegen den Franzosen Gael Monfils, es war sein erster Triumph über einen Spieler aus der Top Ten.
Tennis in Hamburg: Kohlschreiber und Struff ausgeschieden
Auch Routinier Philipp Kohlschreiber und Deutschlands Nummer zwei Jan-Lennard Struff hatten starke Momente, schieden aber aus. Kohlschreiber unterlag dem favorisierten Italiener Fabio Fognini (Nr. 6) mit 6:4, 1:6, 5:7. Struff musste sich dem Russen Karen Khachanov mit 6:7 (5:7), 6:4, 5:7 beugen und haderte wie Kohlschreiber. Koepfer und Hanfmann wollen dagegen mehr. Der letztjährige US-Open-Finalist Daniil Medvedev musste sich dem Franzosen Ugo Humbert mit 4:6, 3:6 geschlagen geben.
"Mein Vater war da, Bundestrainer Michael Kohlmann, dazu Boris Becker. Es hat mich riesig gefreut", sagte Koepfer. Er geht das Duell am Mittwoch mit dem an Nummer vier gesetzten Spanier Roberto Bautista Agut auch im Wissen um seine starken Auftritte beim Masters in Rom mit großem Selbstbewusstsein an. "Ich denke, es ist alles offen", sagte der 26-Jährige.
Das sieht auch Hanfmann so, der es mit dem Chilenen Cristian Garin, der Nummer 22 der Welt, zu tun bekommt. Erst kurzfristig war der Karlsruher aus Paris abgereist, wo er eigentlich die Qualifikation für die French Open spielen wollte. Doch dann ergriff er die Chance auf eine Wild Card in Hamburg. "Ich habe alles richtig gemacht", sagte der 28-Jährige, der wie Koepfer ein Lob von Becker erhielt.
"Das sind harte Arbeiter", sagte der sechsmalige Grand-Slam-Sieger: "So kann man Erfolg haben."