US Open - Daniil Medvedev im Interview: "Ich nehme immer die 33, weil ich so ein großer Fan von Mario Gomez bin"

Florian Regelmann
26. August 202111:35
Daniil Medvedev spricht im Interview über seine Liebe zum FC Bayern.spox
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Titel in Toronto, Halbfinale in Cincinnati: Daniil Medvedev ist in Topform und bei den am Montag beginnenden US Open nach Novak Djokovic einer der großen Favoriten. Vor dem Start des letzten Grand-Slam-Turniers des Jahres spricht der Superstar im Interview mit SPOX aber über seine andere große Liebe: den FC Bayern.

Der 25-Jährige verrät, wie er zu einem Hardcore-Bayern-Fan wurde und wer sein absoluter Lieblingsspieler ist.

Außerdem erzählt die Nummer zwei der Tenniswelt, was er von Julian Nagelsmann hält und was für eine Art Fußballer er hätte werden können.

Daniil, Sie sind als großer Fußball-Fan, vor allem als großer Bayern-Fan bekannt. Wie hat sich das entwickelt?

Daniil Medvedev: Um ehrlich zu sein, habe ich mich so richtig in Fußball und in Bayern verliebt, als ich so 12 Jahre alt war. Da hat es richtig angefangen. Aber mir hat Bayern schon davor gut gefallen. Ich erinnere mich, da war ich 6 Jahre alt, und Bayern war richtig gut zu der Zeit Anfang der 2000er-Jahre, dass ich meinen Eltern immer gesagt habe: Bayern spielt im Fernsehen, wir müssen das anschauen. Aber als ich 12 war, ging es richtig los und ich habe zu mir gesagt: Hey, ich brauche jetzt ein Team.

Gab es keinen Klub in Russland, den Sie unterstützt haben?

Medvedev: Doch. Am Anfang meiner Kindheit war ZSKA Moskau mein Klub. Aber ZSKA hat nicht in der Champions League gespielt oder wenn sie mal dort gespielt haben, dann haben sie oft verloren. Also brauchte ich ein Team in Europa, das ich als Fan unterstützen und anfeuern konnte. Dann habe ich mich an die Bayern erinnert und mir gesagt: Das ist jetzt meine Mannschaft. So habe ich mir meinen Verein ausgewählt und von diesem Zeitpunkt an habe ich natürlich angefangen, bestimmte Spieler zu vergöttern und die Bayern-Sache wurde immer größer und größer in meinem Leben.

Sie haben also alle Spiele verfolgt?

Medvedev: Klar! Als ich noch in der Schule und in der Universität war, habe ich mir absolut alles reingezogen. Ich habe jedes Bayern-Spiel angeschaut, auch jedes Freundschaftsspiel, ganz egal. Von mir aus auch jedes Training, wenn es irgendwo zu sehen war. Ich bin ein riesiger Fan geworden. Als ich dann anfing, etwas besser Tennis zu spielen und erfolgreicher wurde, musste ich Fußball ein wenig zurückstellen, weil ich einfach nicht mehr so viel Zeit hatte. Aber ich verfolge den FC Bayern täglich, auch wenn ich auf der Tour unterwegs bin.

Wie machen Sie das?

Medvedev: Es gibt einen russischen Social-Media-Channel, auf dem du alle News zu den Bayern bekommst. Da bekommst du alle Infos. Dort schaue ich jeden Tag rein und lese alles, was es zu den Bayern zu finden gibt. Weil wir so viel reisen, ist es schwierig, irgendwo ein Abo abzuschließen, um alle Spiele zu sehen. Aber wenn ich nicht trainieren muss oder zu der Zeit kein Match habe, versuche ich immer, einen Online-Stream zu finden, um nichts zu verpassen. Es ist ganz witzig, ich habe sogar ein paar Jahre lang beim Kickbase-Managerspiel mitgemacht mit ein paar Freunden. Ich habe auch immer gewonnen, aber weil die Bundesliga nicht ganz so beliebt ist wie die Premier League in Russland, haben meine Freunde aufgehört, zu spielen. Deshalb musste ich leider auch aufhören.

"Ich werde versuchen, zu jedem Spiel nach München zu kommen"

Waren Sie schon mal bei einem Spiel der Bayern in München?

Medvedev: Nein, leider noch nicht. Als ich jünger war, habe ich einmal ein kleines Turnier in Ismaning gespielt, das ist ja nicht so weit von der Allianz Arena entfernt. Das war während der Winterpause in der Bundesliga. Es war also nichts los, aber ich bin natürlich trotzdem zur Arena gefahren und habe eine Tour durchs Stadion gemacht. Ich war auch im Fanshop - es war ein richtig cooles Erlebnis, selbst ohne ein Spiel sehen zu können. Und eine Sache weiß ich ganz sicher: Sobald Tennis eine kleinere Rolle in meinem Leben spielt und ich endlich die nötige Zeit habe, werde ich versuchen, zu jedem Spiel nach München zu kommen. Oder zumindest zu sehr vielen. (lacht)

Die Bayern haben Ihnen ja nach Ihrem Triumph bei den ATP Finals ein Trikot geschenkt.

Medvedev: Genau, sie haben mir einige Sachen geschickt, das war supernett. Ich nehme bei Trikots immer die Nummer 33, weil ich so ein großer Fan von Mario Gomez bin. Als er bei den Bayern spielte, hat er so großartige Leistungen gezeigt - ich habe ihn so sehr geliebt. Er war mit Abstand mein absoluter Lieblingsspieler und alleine wegen ihm ist die 33 meine Lieblingsnummer.

Aber warum ausgerechnet Mario Gomez?

Medvedev: Ich glaube, es hat etwas damit zu tun, dass ich auch mal Stürmer war, als ich früher in der Jugend Fußball gespielt habe. Ich war auch groß und hatte keine Technik. (lacht) Aber ich habe auch Tore geschossen. Mario war einfach fantastisch und irgendwie war er mir von seiner ganzen Art und Weise sehr nahe. Aber Arjen Robben war auch genial, er war wie ein Magier auf dem Platz.

Medvedev: "Ich bewundere Robert Lewandowski"

Wer sind denn Ihre Lieblinge aus der aktuellen Mannschaft?

Medvedev: Es ist ein bisschen langweilig und fast zu offensichtlich, aber ich muss Robert Lewandowski sagen. Ich bewundere ihn dafür, wie hart er an seinem Spiel, aber auch an seiner Fitness und an seinem Körper arbeitet. Auch seine mentale Herangehensweise imponiert mir. Früher konnten wir alle ja nur verfolgen, was die Spieler auf dem Platz machen. Heute bekommen wir zum Beispiel durch Instagram viel mehr Einblicke und können sehen, wie sie arbeiten. Ich habe extrem großen Respekt davor, was Lewandowski macht und ich versuche, im Tennis einen ähnlichen Ansatz zu verfolgen. Was du außerhalb des Courts machst, spielt eine große Rolle für deinen Erfolg auf dem Court. Cristiano Ronaldo ist ja auch ein perfektes Beispiel dafür. Wenn ein Spieler zu den Bayern kommt, sieht er ein Jahr später wie ein Bodybuilder aus. (lacht) Es ist sehr beeindruckend, wie fit alle Spieler sind.

Was ist mit jemandem wie Joshua Kimmich, der gerade seinen Vertrag verlängert hat?

Medvedev: Witzig, dass Sie genau nach ihm fragen. Ich sehe noch vor mir, wie ich den Supercup geschaut habe, noch zu Zeiten von Pep Guardiola, und ich hatte keine Ahnung, wer dieser Kimmich ist. Ich war richtig überrascht. Wahnsinn, was für ein herausragender Spieler er geworden ist. Und was für einen herausragenden Charakter er besitzt. Seine Mentalität ist ganz besonders. Du brauchst solche Spieler unbedingt, um Spiele und große Titel zu gewinnen. Er schießt vielleicht nicht in jedem Spiel den Ball aus 30 Metern sensationell in den Winkel, wobei er ja auch Tore machen kann, aber er ist so wichtig für den Erfolg der Mannschaft. Wenn Kimmich nicht auf dem Feld steht, sinkt die Wahrscheinlichkeit, das Spiel zu gewinnen, sofort. Die Energie, die er auf den Platz bringt, ist brutal. Er ist ein echter Unterschiedsspieler.

Und er verkörpert in gewisser Weise auch sehr gut die berühmte Mia-san-Mia-Mentalität der Bayern.

Medvedev: Ich muss zugeben, dass es für einen Typen wie mich, der kein Deutsch spricht und versteht, etwas schwierig ist, so ganz zu fühlen, was Mia san Mia bedeutet. Deshalb hat es für mich wahrscheinlich nicht ganz die Bedeutung wie für die Bayern-Fans in München. Aber das macht nichts. Ich weiß, wie wichtig diese Mentalität für die Bayern ist und ich weiß natürlich die generelle Bedeutung. Dass es Ausdruck der besonderen Siegermentalität des Klubs ist, dass er auch die Verbundenheit zur Heimat reflektiert. Und es ist einfach der Slogan meines Klubs, also benutze ich ihn auch gerne immer mal wieder.

Bayern hat einen neuen Coach seit dieser Saison. Was ist Ihr Eindruck von Julian Nagelsmann?

Medvedev: Ich bin total begeistert, dass er der neue Bayern-Coach geworden ist. Ich habe seine Karriere von Anfang an verfolgt, angefangen von seiner Zeit in Hoffenheim, als er mit 28 Jahren schon Cheftrainer geworden ist. Das ist so verrückt. Mein Fitnesscoach hat früher selbst Fußball gespielt in der vierten Liga in Frankreich. Mit ihm habe ich mich über Nagelsmann unterhalten, weil er meinte, dass es in Frankreich unmöglich wäre, so früh Chefcoach eines Klubs in der ersten Liga zu werden. Nagelsmann hat in Hoffenheim einen unglaublichen Job gemacht. Er hat Spieler gefunden und gefördert - und sie zu Superstars geformt. Auch in Leipzig hat man gesehen, was er drauf hat. Mir gefällt seine Art, Fußball spielen zu lassen und ich freue mich einfach, dass er hoffentlich lange bei Bayern bleibt und eine Ära prägen kann.

Das große Ziel der Bayern neben der Meisterschaft ist natürlich immer die Champions League. Jetzt gibt es aber in Paris ein Team, das mit Messi, Neymar und Mbappe auflaufen wird - sollte Mbappe nicht noch wechseln.

Medvedev: Das ist unfassbar. Ich bin ehrlich: Paris ist nicht so weit weg von meinem Zuhause in Monaco, ich werde auf jeden Fall ein paar Trips in den Prinzenpark planen. Ich muss diese drei Jungs zusammen spielen sehen, ich muss! Oder wenn sie mit PSG nach Monaco kommen natürlich. Aber trotzdem kann Bayern auch PSG mit Messi, Neymar und Mbappe schlagen. In der Champions League ist alles möglich. Wer hätte in der vergangenen Saison zu Beginn auf Chelsea als späteren Sieger getippt? Niemand! Und am Ende haben die Blues das Ding sogar in überragender Manier und verdient gewonnen. Abgesehen von Real unter Zidane hat es kein Verein geschafft, die Champions League zweimal in Folge zu gewinnen - das macht diesen Wettbewerb so reizvoll.

"Dummerweise war ich immer richtig mies in der Abwehr"

Jeder will jetzt wahrscheinlich mit PSG auf FIFA spielen. Sie haben früher auch viel gezockt.

Medvedev: Das stimmt. Ich war sogar sehr gut, bis ich so 17, 18 Jahre alt war. Dann habe ich angefangen, meine Tenniskarriere etwas professioneller anzugehen und mehr Turniere zu spielen. Aber davor war ich auf dem gleichen Level unterwegs wie die besten FIFA-Spieler in Russland. Ich war auf dem gleichen Niveau wie ein Typ, der jetzt glaube ich dreifacher FIFA-Champion in Russland ist. Es hat so viel Spaß gemacht. Nachdem ich fünf oder sechs Jahre gar nicht mehr gespielt habe, habe ich in diesem Jahr mal wieder die Playstation angeschmissen. Überragend war ich nicht, das muss ich sagen, ich wäre gerne etwas besser gewesen, aber es war okay. Ich habe Ultimate Team gespielt, ich habe mich immer in der Liga gehalten und meine Bilanz war ziemlich gut - ein bisschen zocken kann ich noch. (lacht)

Wenn Sie Fußballer geworden wären, was für ein Spieler wären Sie?

Medvedev: Das ist eine gute Frage, aber auch eine schwierige. Ich glaube nicht, dass ich viel Erfolg gehabt hätte als Fußballer. Alleine wegen meiner Größe hätte ich wohl ein starker Innenverteidiger werden sollen, das wäre in der Theorie einfach gewesen für mich. Dummerweise war ich immer richtig mies in der Abwehr. Ich habe keine Ahnung, warum das so war, aber irgendwie fehlt mir das Gefühl für die Verteidigung. Deshalb wäre ich vielleicht eher wie Artem Dzyuba. Er hat die meisten Tore für die russische Nationalmannschaft geschossen in der Geschichte, er ist ein großer Spieler bei uns. Leute, die sich im Sport nicht auskennen, würden sagen, dass er gar nichts kann, aber er schießt am laufenden Band Tore. So ähnlich wäre ich vielleicht. Keinen Plan haben auf dem Feld, aber richtig stehen und irgendwie den Ball im Tor unterbringen.

Wenn Sie Sportdirektor eines Vereins wären und das Budget hätten, um jeden Spieler der Welt kaufen zu können, für wen würden Sie sich entscheiden?

Medvedev: Ich würde gar nicht einen Spieler für 100 Millionen kaufen wollen. Mir würde es viel mehr Spaß machen, einen 18-Jährigen in irgendeiner zweiten Liga irgendwo auf der Welt auszugraben und zu sehen, wie sich so ein Junge eines Tages zu einem Superstar entwickelt. Das muss doch richtig cool sein. Und wenn er nicht schon für Bayern spielen würde, dann würde ich Serge Gnabry kaufen. Einfach nur deshalb, weil ich seinen Torjubel so abfeiere.

Daniil Medvedev will bei den US Open seinen ersten Grand-Slam-Titel holen.getty

"Schon mehr erreicht, als ich jemals gewagt hätte, zu träumen"

Im Fußball ist die Atmosphäre natürlich anders als im Tennis. Sie sind ein sehr emotionaler Spieler auf dem Court und lieben es auch, ein bisschen mit den Fans zu spielen. Wie sehr brauchen Sie die Energie der Fans, um Ihr bestes Tennis zu spielen?

Medvedev: Ich glaube, das gilt erstmal für jeden Sportler oder jeden Sport. Wir alle lieben es, die Fans auf den Rängen zu sehen und ihre Unterstützung zu hören. Wir haben in der Pandemie jetzt so viele Turniere ohne Fans erlebt und auch wenn du selbst dann immer weißt, dass sie zuhause vor dem Fernseher sitzen und du für sie gewinnen willst, ist es einfach nicht das Gleiche. Es macht so viel mehr Spaß, wenn du die Fans deinen Namen schreien hörst, wenn sie so nahe an dir dran sind. Selbst wenn sie mal gegen dich sind. Dann kannst du zu dir sagen: So, jetzt schlage ich euch alle! Wenn wir jetzt in New York wieder Night Sessions mit Fans erleben werden, ist das wahrscheinlich die Stimmung, die einer Stadionatmosphäre im Fußball am Ähnlichsten ist. New York am Abend ist einfach elektrisierend.

Ihren ersten Grand-Slam-Titel zu gewinnen, ist natürlich Ihr großes Ziel. In New York gehen Sie zusammen mit Novak Djokovic als großer Favorit an den Start. Aber was muss in den nächsten zehn Jahren passieren, damit Sie mit Ihrer Karriere zufrieden sein werden? Sind es die Grand-Slam-Titel?

Medvedev: Die Antwort auf diese Frage ist ganz leicht für mich. Ich habe nicht dieses eine Ziel, das ich unbedingt erreichen muss, damit ich am Ende nicht enttäuscht bin. Natürlich könnte ich mich jetzt hier hinsetzen und sagen, dass ich 30 Grand Slams und 55 Masters gewinnen will. Aber das ist wahrscheinlich unmöglich. Deshalb ist mein oberstes Ziel, mein Bestes zu geben - auf und auch außerhalb des Courts. Ich will so hart arbeiten, wie ich nur kann und versuchen, jedes Match zu gewinnen, sobald ich den Platz betrete. Ich habe in meiner Karriere schon mehr erreicht, als ich jemals gewagt hätte, zu träumen. Nicht falsch verstehen: Ich will noch viel mehr erreichen, das ist meine Persönlichkeit, so bin ich gestrickt. Aber das Wichtigste ist, dass ich, wenn ich den Schläger mal zur Seite lege, zu mir selbst ehrlich sagen kann: Ich habe alles gegeben und alles getan, was nur irgendwie möglich war. Jetzt schauen wir uns mal an, wofür es gereicht hat. Dann werde ich auch nichts bereuen.