Boris Becker im Interview nach Haftentlassung: "Hatte einen Mithäftling, der mich umbringen wollte"

Von Filip Knopp/sid
Boris Becker gibt nach seinem Gefängnisaufenthalt ein Exklusiv-Interview.
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Boris Becker hat aus seiner schwierigen Zeit im Gefängnis auch positive Energie gezogen und etwas in sich wiederentdeckt. Und: Er zeigt Reue.

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Boris Becker redete nicht drumherum, manchmal kämpfte er auch mit den Tränen. "Natürlich", sagte er mit Nachdruck, "war ich schuldig." Ganz in Schwarz gekleidet und deutlich erschlankt stellte sich das tief gefallene Sportidol in seinem ersten Interview nach 230 Tagen hinter Gittern. Ein Auftritt, der nicht nur in Deutschland und in Beckers Herzensheimat Großbritannien mit Spannung erwartet wurde - und in dem er jene Reue zeigte, die bei ihm vor Gericht noch vermisst worden war.

Becker hat nicht nur feuchte Augen, als er an den Tag seiner Inhaftierung zurückdenkt. Das Gefängnis hat ihn verändert. Er habe "zum ersten Mal in meinem Leben Hunger gefühlt, ich bin hungrig eingeschlafen", erinnerte sich der 55-Jährige, der beim Vergleich mit einem Foto vor seiner Verurteilung einen deutlichen Unterschied feststellte: "Ich sehe den gleichen Menschen. Davor nervös und unsicher. Danach etwas schlauer, demütiger. Der gleiche Mensch, aber zwei verschiedene Leben."

Hinter englischen Gittern war Becker plötzlich "nur eine Nummer. Meine war A2923EV. Im Gefängnis bist du niemand." Aus der schwierigen Zeit hat die Tennisikone aber auch Kraft gezogen, "ich glaube, ich habe den Menschen in mir wiederentdeckt, der ich einmal war", so Becker bei Sat.1.

Am Donnerstag hatte Becker das Huntercombe-Gefängnis nahe London verlassen dürfen. Gut acht Monate nach seiner Verurteilung wegen Vergehen im Insolvenzverfahren profitierte er kurz vor Weihnachten davon, dass die britischen Haftanstalten überfüllt sind - er ist wieder ein freier Mann. Nur seine Wahlheimat musste er verlassen.

Boris Becker: "Harte Lektion gelernt"

Unruhig erwartete Becker seine Abreise. In den letzten Stunden vor seiner Abschiebung nach Deutschland war für Becker wie schon zuvor viel Geduld gefragt. "Ich saß ab sechs Uhr in der Früh auf meiner Bettkante und hoffte, dass die Zellentür aufgeht", erzählte der sechsmalige Grand-Slam-Sieger im "Sat.1 Spezial. Boris Becker": "Sie kamen um halb acht, schlossen auf und fragten: 'Bist du fertig?' Ich sagte: 'Los geht's!' Ich hatte auch schon alles gepackt."

Bei Becker hat die schwierigste Zeit seines Lebens Spuren hinterlassen. Optisch, aber natürlich vor allem psychisch. Er habe "eine harte Lektion gelernt. Eine sehr teure. Eine sehr schmerzhafte", gab Becker zu. Und nun versucht er, in Freiheit etwas daraus zu machen. Denn das Ganze habe ihn eben "etwas Wichtiges und Gutes gelehrt. Und manche Dinge passieren aus gutem Grund."

Becker: "In der Zelle wirst Du wahnsinnig"

Die ersten Wochen seiner Haft verbrachte er in Wandsworth, dann wurde er nach Huntercombe verlegt. Wandsworth beschrieb Becker als "extrem schmutzig, extrem gefährlich". Dort treffe man "Mörder über Kinderschänder über Drogenhändler. Da geht es ums nackte Überleben. Jeden Tag musst du aufpassen auf deine Haut." Dort sei er auch erpresst worden. In Huntercombe sei gar sein Leben bedroht worden.

Becker arbeitete allerdings auch regelmäßig, er unterrichtete Englisch und Mathematik: "Mein Leben wurde leichter", stellte er fest, denn: "In der Zelle wirst du wahnsinnig."

Boris Becker: Erstes Interview nach Haftentlassung im Liveticker zum Nachlesen

Sendungsende: Das war es mit dem großen Becker-Interview. Bei Sat.1 ist die Sendung nach etwas mehr als zwei Stunden beendet. Damit endet auch dieser Ticker. Danke fürs Mitlesen.

Becker über sich in zehn Jahren: "Umringt von meinen Kindern. Ich hoffe, es kommen noch ein paar dazu. Ich bin ein Familienmensch und meine Kinder sind..." Becker kommen die Tränen. Weiter: "...die Liebe meines Lebens. Alles, was mich motiviert, ist aufgrund meiner Kinder. Dass ich in Frieden und Freiheit glücklich mein Leben verbringen kann. Ich muss arbeiten und bin mir dafür auch nicht zu schade. Ich bin dankbar, dass eigentlich alle meine Partner bei mir geblieben sind und mir eine zweite Chance geben. Ich muss hart arbeiten und mir ihre Bestätigung zurückgewinnen. Ich glaube, dass ich in diesen acht Monaten und sechs Tagen viel gelernt habe und ein besserer Mann bin als vorher."

Becker über Freundin Lilian und eine mögliche Heirat: "Sie ist sehr klug, intelligent. Sie hat mir vor allem gesagt, dass ich über unser Privatleben und unsere Pläne nichts sagen darf. Sie ist die große Liebe meines Lebens. Was wir alles tun werden, kann ich so nicht sagen."

Becker über seine Zukunft: "Das ist eine Kernfrage. Ich hatte dieses Dilemma vielleicht seit 2012, dass ich gemerkt habe, ich habe nicht genügend Geld. So geht das nicht mehr weiter. 2012 habe ich mir von der Bank Geld geliehen. Das ist jetzt vorbei. Ich kann jetzt zum ersten Mal nachdenken, was ich mit dem Rest meines Lebens mache. Ich kann nicht ehrlich sagen, wohin ich jetzt gehe. Ich glaube nicht Deutschland, weil ich meine Privatsphäre über alles schätze. Das schaffe ich hier nicht. Ich kann ehrlicherweise nicht sagen, wo es mich hinziehen wird. Aber dass ich überhaupt nachdenken und eigenes Geld verdienen darf, irgendwann eine Wohnung oder ein Auto kaufe... Ich habe Ideen, bin aber vorsichtig mit meinen Aussagen über die Zukunft geworden."

Becker über die ersten Tage wieder in Freiheit: "Donnerstag bin ich im Haus geblieben, wir wollten nicht raus in ein Restaurant. Alles immer noch ganz reduziert. Ich kam gerade raus, das schüttelt man nicht so ab. Körperlich ging es mir nicht gut, habe Ärzte besucht. Zuhause habe ich eine Pizza gegessen, im privaten Kreis. Mir war das recht. Ich habe mich dann aber auch nicht mehr verstecken wollen, ich war frei. Gestern bin ich nach München gekommen, um dich heute zu besuchen. Jetzt ist es mir egal, ich bin ein freier Mann."

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Becker über die Planung seiner Abreise nach Deutschland: "Ich habe das geplant. Ich habe gefragt: Was ist mit einer Privatmaschine? Ein Freund von mir hat mir das angeboten, dass er sie für mich organisiert. Ich habe gesagt: 'Das musst du nicht machen.' Er sagte: 'Doch, das will ich machen, dass du sicher nach Hause kommst.' Er musste mit dem Gefängnis sprechen, die Piloten angeben, die Mitreisenden. Es wurde der Flugplan untersucht, dass ich auf keinen Fall in Schottland oder Irland lande." Es ging dann nach Stuttgart, so Becker: "Keiner erwartet mich in Stuttgart. Ich wollte nicht in einem Trubel ankommen, vor Fotografen in die Freiheit kommen. Das ist uns gelungen. Ich hatte Schiss, dass das irgendeiner mitbekommt. Am Privatflughafen in Stuttgart war kein Mensch. Die Polizei kam, hat meinen Pass untersucht. Ich hatte ein Auto organisiert, ein bekanntes Ehepaar, enge Freunde von uns, sie haben mir erlaubt, bei ihnen zu bleiben. Nicht in Stuttgart, in Heidelberg. Dann habe ich mein erstes Bier getrunken, das war das beste in meinem Leben."

Becker über die Entlassung aus der Haft und den Prozess dessen: "Das grüne Licht habe ich am 12.12. bekommen, also vor knapp einer Woche, dass ich am 15.12. früh am Morgen das Gefängnis mit einer Privatmaschine nach Deutschland verlassen dürfen. Ich habe die Nacht nicht geschlafen. Ich saß um Viertel nach Sieben angezogen auf meinem Bett. Ich durfte mein Reisedokument zur Entlassung unterschreiben."

Becker über seine Lehren: "Ich kann nur das ausgeben, was ich verdiene. Ich bin 55 Jahre alt und habe in dem Fall dazugelernt, dass ich deutlich vorsichtiger sein muss mit Beratern und guten Freunden. Bis ich es verstehe, werde ich keinen Vertrag mehr unterschreiben oder Dritten etwas glauben. Seit meiner Insolvenz habe ich ein komplett neues Umfeld geschaffen. Die Gefängnisstrafe war der letzte Schritt, aber die Veränderung ist schon 2017 passiert. Die Menschen in meinem Umfeld wollen nicht in der Presse stehen, brauchen keine Öffentlichkeit. Sie haben mich in dieser Zeit unterstützt. Ich konnte ihnen nichts zurückgeben außer meinen Charakter, meinen Herz."

Becker über finanzielle Nöte: "Das ist bis 2017 nicht passiert. Bis 2017 habe ich alle Rechnungen bezahlen können, bis es eine Auseinandersetzung mit einer englischen Privatbank gab. Die hat ihre Schuld von 3,5 Millionen Euro per Gericht zurückbekommen. Der Streit eskalierte, weil sie einen Zins von 25 Prozent draufgelegt hat. Das wären zehn Millionen geworden, das wollte ich nicht zahlen. Die Bank hat Recht bekommen. Ich wurde für insolvent erklärt, das Insolvenzverfahren wurde eingeleitet. Gegenüber dem Insolvenzverwalter musst du die Hosen runterlassen, das habe ich gemacht. Wie konnte der Becker seine Rechnungen weiter bezahlen? Ich hatte nach wie vor ein sehr gutes Einkommen, das ist für einen Insolventen unüblich. Von meinem Einkommen habe ich die Hälfte abgegeben, die Hälfte durfte ich behalten. Aber was ich dadurch verloren habe, war meine Finca auf Mallorca mit einem Wert von zehn Millionen Euro, meine Wohnung in Chelsea für 2,5 Mio. Pfund, mein Elternhaus in Leimen, wo meine Mutter immer noch lebt, im Wert von zwei Millionen Euro. Zum Glück habe ich vor über zehn Jahren eine Klausel in den Vertrag gemacht, dass meine Mutter lebenslanges Wohnrecht hat. Egal, was mit dem Haus passiert. Jemand hat das Haus gekauft, aber meine Mutter darf bis ihr Lebensende darin wohnen."

Becker über Geld, das er sich geliehen hat und seine finanzielle Situation vor der Haft: "Ich wusste nicht, wie viel Geld ich habe und wie viel ich ausgebe. Ich dachte, ich kann den Leuten um mich herum vertrauen. Geld war noch nie meine Motivation. Ich habe nie für Geld Tennis gespielt, mit 17 meine erste Million verdient, fast vergessen, mein Preisgeld abzuholen. Geld hatte nie einen Wert für mich. Mich hat das ins Gefängnis gebracht, deswegen ist es eine teure Lehre. Mich interessiert der Erfolg immer mehr, dass ich etwas Gutes schaffe, dass es ein Zugewinn für alle Seiten ist. Mir war Geld nie so wichtig, bis du irgendwann keines mehr hast."

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Becker über die Haft als Chance, sein Leben neu zu justieren: "Während der Zeit war es die schlimmste Zeit meines Lebens. Es klingt komisch, aber vielleicht habe ich das gebraucht. Ich bin nicht mal eine Woche raus. Ich habe mich geläutert, hatte Zeit zum Nachdenken, habe meine Fehler eingesehen. Ich habe über Jahre Fehler gemacht, falsche Freunde gehabt, war nicht organisiert genug, nicht detailverliebt, habe falschen Leuten zugehört, habe mich treiben lassen, war faul. Man wird bequem, fett. Dieser Aufenthalt hat mich zurückgeholt. Meine Aufgabe ist nun, diesen Weg nicht mehr zu verlassen. Ich habe eine zweite Chance bekommen. Es liegt an mir, diesen Weg weiter zu gehen, mir treu zu bleiben."

Becker über die Atmosphäre im Gefängnis: "Du schläfst nicht. Da schreit immer einer, Musik... Ich dachte, ich kann gut Englisch. Aber was ich für Schimpfwörter gehört habe - unterirdisch!"

Becker über das Verhältnis zu seinen Ex-Frauen Barbara und Lilly: "Erstmal zu Barbara: Wir können stolz sein, wie wir diese Scheidung zusammen gemeistert haben, auf unsere Söhne, was aus ihnen geworden ist. Wir sind entspannt und ich freue mich, wenn sie nächstes Jahr wieder sehe. Wir sind nicht ganz so eng verbandelt, aber ich habe Respekt für sie. Sharlely - ich sage Sharlely - hat mich gebeten, sie nicht mehr Lilly zu nennen, denn den Namen habe ich erfunden. Ich bin ihr dankbar, dass sie mir Amadeus geschenkt hat. Ich bin nicht der Typ, der negativ über eine Ex-Frau spricht. Das macht ein Gentlemen nicht. Sie hat sich einige Male geäußert. Ich möchte ihr nichts Böses wünschen. Das gehört sich nicht. Sie ist für ihre Taten verantwortlich, werde kein böses Wort sagen"

Becker über seinen jüngsten Sohn Amadeus: "Ich bin sehr stolz auf meine vier Kinder. Mit meinem Jüngsten habe ich zu wenig gesprochen. Ich wollte nicht, dass er mich mit seinen zwölf Jahren im Gefängnis besucht. Ich habe zu seiner Mutter ein schwieriges Verhältnis und wollte keinen Druck ausüben. Ich vermisse ihn enorm und sobald es möglich ist... Ich kann ja momentan nicht zurück nach England. Das kriegen wir hin. Ich habe aber noch nie so oft mit meiner Tochter gesprochen wie im Gefängnis. Es brauchte ein Gefängnis, dass wir uns so nahe gekommen sind. Auch sie wollte mich besuchen, aber auch da war ich scheu. Das werden wir bald in Freiheit nachholen. Elias ist in New York Zuhause, hat mich aber zweimal besucht. Wir wurden daraus stärker. Ich bin dankbar, dass ich sie habe. Das war uns eine Lehre, dass wir deutlich mehr Zeit miteinander verbringen müssen."

Becker über mögliche Angst, Lilian zu verlieren: "Nein. Ich hatte nicht einen Moment, wo ich das Gefühl hatte, es bricht etwas auseinander oder sie verliert die Lust an der Liebe. Wir haben das angesprochen. Ich weiß nicht, wie wir es geschafft haben, aber wir haben jeden Tag mindestens einmal telefoniert. Es gab Momente, in denen ich sie emotional halten musste. Durch ihre Liebe und Kraft, ihre Entscheidung, dass diese Partnerschaft nicht an einem Gefängnis scheitert, habe ich überlebt, haben wir als Paar überlebt."

Becker über Freundin Lilian, ihre Besuche und den Moment, als sie ohne ihn wieder ging: "Das war das emotionale Highlight der Woche, des Monats. Es ist eine Eigenart im Gefängnis, wenn man einen besuch bekommt, da freut man sich für den anderen. Sonst passiert nicht viel im Gefängnis. Ich habe Komplimente bekommen: 'Wie hast du es geschafft, so eine hübsche Freundin zu bekommen?' Das Schlimme ist dann: Man möchte zusammen nach Hause. Das geht nicht, man geht in der Zelle emotional in den Keller. Es hatte gute Seiten, aber das Gefühl danach war immer brutal."

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Becker über weitere Personen, die Kontakt zu ihm wollten: "Es gab jeden Tag dutzende Briefe. Ich wollte nicht auffallen, habe aber so viele Briefe von Fans, Freunden, Menschen, die ich lange nicht gesprochen habe, bekommen. Ich habe jeden gelesen und werde über Weihnachten jedem antworten. Diese Briefe haben mir sehr geholfen, meine Moral und Lust am Leben nicht zu verlieren. Michael Stich hat mir einen dreiseitigen Brief geschrieben." Ihm kommen dabei die Tränen. "Er hat tolle Worte gefunden, ich hatte das so nicht erwartet. Du hast im Gefängnis alle Zeit der Welt. Ich könnte eine halbe Stunde erzählen, wer mir alles geschrieben hat, war wirklich dankbar."

Becker weiter über seine Mithäftlinge: "Sie mussten von ihrem knappen Geld etwas abzapfen und mir schenken. Es ist im Gefängnis eine andere Welt. Ich habe so einen Zusammenhalt mit anderen Menschen in freier Wildbahn kaum erlebt. Da ist man abhängig voneinander. Man schmeißt das, was man hat, in einen Hut. Ich glaube, dass ich mit einigen Häftlingen ewig verbunden bleibe. Das hat etwas davon, wenn man zusammen im Krieg war. Ich werde mit einigen Kontakt behalten und sie bald in Freiheit sehen. Wir haben uns gebraucht, uns unterstützt."

Becker über seinen 55. Geburtstag im Gefängnis: "Das war auch schwierig, weil ich natürlich nicht dachte, dass ich überhaupt mal einen Geburtstag im Gefängnis habe. Es war der 22.11. im Jahr 22, das ergibt die Summe 55. Ich habe drei unterschiedliche Kuchen bekommen, das habe ich nicht mal in der Freiheit bekommen. Ich weiß nicht, wie das im Gefängnis ging. Du teilst dort alles, wir haben den Kuchen drei Tage lang gemeinsam gegessen. Das war ein besonderer Moment."

Becker über seine alte Mutter: "An dem Tag, an dem in Deutschland Muttertag war, habe ich sie angerufen. Ich habe ihr gesagt, dass ich lebe, dass es mir gut geht. Sie sagte, dass sie mich liebt, mich vermisst. Wir haben fünf Minuten gesprochen, ich habe sie beruhigt. Ich habe natürlich gelogen, es war gefährlich. Es war für sie ein wichtiger Anruf, dass sie meine Stimme gehört hat."

Becker über Prominente, die ihn besuchen wollten: "Ich bin mit Jürgen Klopp und Johannes B. Kerner befreundet, sie wollten mich besuchen. Ich habe die Namen angegeben. Die Antwort: 'Jürgen darf dich nicht besuchen, der ist zu bekannt. Wir haben Angst um seine Sicherheit, wollen den Rummel nicht, müssen dir das ablehnen.' Jürgen hat das verstanden."

Becker über den englischen Pass, den er nicht besitzt, die daher plötzliche Abschiebemöglichkeit, weswegen er auch umverlegt wurde: "Kein Mensch hat mir das gesagt. Meine Anwälte wussten das auch nicht. Anwälte durften mich besuchen. Ich wurde so schnell abgeführt, dass ich gar nicht wusste, wohin ich komme. Es hat sich erst entwickelt, es gab im Juli eine Gesetzesänderung und zu dem Zeitpunkt war es erst Mai."

Becker über Besuche in Haft und das Filtern, wer kommt und wer nicht: "Ich durfte zwei Besuche pro Monat bekommen. Der Governer hat sich überlegt, ob der Gast erlaubt ist oder nicht."

Becker über seine Familie während des Haftaufenthalts: "Natürlich war ich beschämt, mir war es mehr als peinlich, dass ich verurteilt wurde. Mein Verhältnis mit meinen Kindern war immer sehr offen und direkt. Am Anfang durfte ich zwei Anrufe machen, dann erstmal nicht. Du willst deiner Familie nicht zumuten, ein gefährliches Gefängnis, dass sie da irgendwelche Probleme bekommen. Es ist ein Loch. Was willst du denen nach einer Woche auch erzählen? Meine Liebe war erschrocken, wie ich aussah."

Becker über Beschäftigung hinter Gittern: "Es dauert Wochen, bis man einen Job hat. Ich habe innerhalb von zehn Tagen einen Job angeboten bekommen: Ob ich Englisch und Mathe unterrichten kann. Ich habe das gerne angenommen. Wir hatten morgens und nachmittags zwei Stunden, 25, 30 Gefangene pro Kurs. Ich habe englischen Menschen Englisch beigebracht. Aber so wurde mein Leben etwas leichter, weil ich aus der Zelle kam. In der Zelle wirst du wahnsinnig. Für die Psyche ist es sehr schwierig."

Becker über das Essen im Gefängnis: "Kartoffeln, Reis, Sauce."

Becker nochmals über die Drohungen: "Das waren die zwei Momente, wo ich Angst um mein Leben hatte. Ich bin da mit Schwerverbrechern, die haben Menschen umgebracht. Die wissen, wie das geht - ich nicht."

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Becker auf die Frage, ob sein Leben im Gefängnis wirklich gefährdet war oder es nur mögliche Gefahrensituationen gab: "Es gab eine Situation mit einem, der in den ersten zwei, drei Wochen sehr nett zu mir war. Der wollte aber an meine Kohle. Er hat angefangen, mich leicht zu erpressen. Ich hatte auch einen Mithäftling, der mich umbringen wollte. Er saß schon 16 Jahre im Gefängnis. Man sagt auch, dass Häftlinge nach sieben Jahren Probleme mit der Außenwelt haben, dass die Psyche geschädigt ist. Der konnte nicht verstehen, dass ich so organisiert war - auch mit schwarzen Gefangenen -, dass wir uns geholfen haben. Der wollte mir an die Wäsche und hat mir auch verbal alles erklärt, was er mit mir machen wird. Im Oktober hatte ich so eine Position in meinem Flügel, dass er etwas gesagt hat, woraufhin er von den anderen bedroht wurde. Ich habe gezittert, hatte mein Essenstablett in der Hand. Man sagte mir: 'Keine Sorge, der wird sich morgen entschuldigen.' Am nächsten Tag wurde ich gefragt, ob ich die Entschuldigung annehme. Ich kam in die Wäscherei und er hat sich zu Boden geworfen, meine Hand geküsst. Ich habe ihn hochgenommen, umarmt." Als er das erzählt, weint Becker. "Ich habe ihn umarmt und gesagt, dass ich großen Respekt vor ihm habe."

Becker über Mithäftlinge: "Mein Glück war, dass ich relativ schnell drei Häftlinge kennengelernt habe. Die erklären dir, was passiert, haben das Vertrauen vom Gefängnis. Die bereiten dich verbal vor, was passiert. Es sind starke Jungs, mit denen willst du dich nicht anlegen. Sie haben meinen Flügel kontrolliert, mich aufgenommen. Der Governer wollte, dass die erfahrenen Häftlinge mit dem Novizen Becker umgehen und mich beschützen. Sie haben mein Leben gerettet! Die Welt hat weiter wild spekuliert. Mitgefangene haben von draußen Informationen bekommen und dadurch ging von denen eine Gefahr aus."

Becker seine Ankunft und ersten Tage im Gefängnis: "Man bekommt einen Bettbezug, ein kleines Handtuch, eine Kleinigkeit zu essen. Das war es auch schon. Die Zelle wurde zugemacht. Mich hat keiner informiert, wie der Tagesablauf ist. Wenn die Zellentür zugeht - das ist schwierig, die ganze Welt bricht auf einen zusammen. Das ist der einsamste Moment, den ich im Leben hatte. Du bist allein. Du versuchst, ruhig zu bleiben, kühlen Kopf zu bewahren. Ich war verzweifelt, habe nicht geweint, aber hatte Angst. Ich habe mir Bücher gekauft, aber du weiß nicht, was du liest, du kannst dich nicht konzentrieren."

Becker über seine Kleidung: "Ich wurde informiert, dass ich Sportklamotten mitnehmen soll. Ich habe leider den Fehler gemacht, mir nur schwarze Kleidung geholt habe. Ich wollte auf Gangster machen, als Schutz. Zu viel darf man nicht mitnehmen. Alles war schwarz. Im ersten Gefängnis sagten sie: Gut versucht, aber nicht schwarz."

Becker über Gefahren in der Haft: "Geld! Sie sagen: 'Ich weiß nicht, ob du was hast Oder du kennst eben reiche Menschen. Sag denen, dass sie was überweisen sollen, sonst gehe ich dir an die Kehle.'"

Becker über das Gefängnis: "Es gibt einen klassischen Ganzkörpercheck, Hosen runter. Bei mir war das auch so. Dann kommst du in eine größere Auffangzelle mit 25, 30 Gefangenen. Da hatte ich das erste Mal Angst, da kann dir schon etwas passieren. Zwei, drei haben den Fall in den Medien erlebt. Ich war eine Stunde dort drin. ich hatte zwei große Sorgen: eine Doppelzelle. Der Zellennachbar kann die Nerven verlieren, dich angreifen, dich bedrohen. Da hatte ich Schiss. Und die zweite große Angst hatte ich vor dem Duschen. Es gibt eine große Dusche mit einzelnen Duschkabinen. Du siehst da keinen nackt. Da waren die ersten zwei großen Sorgen vorbei. Mich haben sie als 'High risk' eingestuft, das sind Kinderschänder, Mörder oder eben welche, die etwas zu verlieren haben. Das Gefängnis hatte Angst, dass Mitgefangene mich bedrohen, dass ich im Gefängnis eine Sicherheit genieße. Das habe ich sehr geschätzt. Sie haben mich auch in der Zelle schützen wollen."

Becker über das Gefängnis: "Es sind 1800 Gefangene. Extrem schmutzig, extrem gefährlich. Mörder, Kinderschänder, Drogenhändler. Alles ist Zelle an Zelle. Man trifft jeden. Das ist das Auffanggefängnis für Verbrecher aus London. Je nachdem, was du gemacht hast und wie lange du bekommst, verbringst du da vier bis sechs Wochen. Einige sind über Jahre drin. Es geht um das nackte Überleben. Du musst jeden Tag auf deine Haut aufpassen, denn die Wächter tun es nicht."

Becker über seine Ankunft in Haft: "Die Gefangenen fragen: 'Was hast du gemacht?' Ich wurde sofort mit einer Realität konfrontiert, wo ich keine Ahnung hatte, was passiert. Es war gefährlich. Ich habe mich extrem zurückgehalten, Augen auf dem Boden, niemanden zu lange angeschaut."

Becker wird emotional: "Zwei Minuten", sagt Becker. Ihm stockt die Stimme, als er über seine Familie und den Tag der Verurteilung spricht. Nach wenigen Sekunden macht er aber weiter.

Becker über die zwischenzeitliche Trennung von seiner Familie: "Mein Anwalt hat mich informiert, dass ich mich bereithalten soll. Beim Urteil sitzt man in einem Glaskasten, ich kann mich nicht von meinem Lieben verabschieden. Wenn der Richter sagt, ich bin schuldig, werde ich sofort abgeführt. Deswegen haben wir uns vorher verabschiedet und geweint. Es tat mir sehr gut, dass alle Kinder das ehrlich und stark angenommen habe. Es hat mich berührt. Ich habe meiner Partnerin gesagt: 'Meine Liebe, du musst nicht auf mich warten.' Ich weiß nicht, wie lange ich ins Gefängnis muss. Sie sagte mir: 'Boris, wir sind ein Team!' Sie hat mich umarmt und gesagt: 'Rede nicht so einen Scheiß, wir schaffen das zusammen.'"

Becker über die Beratung seiner Anwälte: "Da möchte ich öffentlich einen Dank aussprechen. Wir haben alles versucht, mein Leben zu retten. Vielleicht habe ich nicht genug Reue gezeigt, habe mein Bestes gegeben. Ich wurde beraten, was ich auszusagen habe, was nicht. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Es hätte besser laufen können, aber auch viel schlechter."

Becker über Verurteilung wegen offenbar fehlender Reue und Demut: "Alle Richter sind ähnlich streng. Sie hat mich nicht für schuldig gesprochen, sondern die Jury. Sie hatte keine Wahl, als mir eine Haftstrafe aufzulegen. Als ich im Zeugenstand war, habe ich offen, emotional und ehrlich versucht, meine Unschuld zu erklären, dass ich nichts böswillig gemacht, aber bestimmt Fehler gemacht habe. Aber was ich nicht gemacht habe. Gesagt: 'Natürlich, ich bin schuldig.' Ich habe mich für nicht schuldig gesehen, deswegen vielleicht diese Aussagen zum Schluss."

Becker rechnete nicht mit Haft: Zu dem Urteil sagt er: "Der Prozess ging schon Ende März los, die Dauer war ungefähr drei Wochen. Ich habe mit meinen Anwälten versucht, meine Unschuld zu erklären. Es ging fast um Leben und Tod. Als ich schuldig gesprochen wurde, hatte ich bis zur finalen Entscheidung der Richterin noch mal drei Wochen. Bis dahin waren wir auch noch der Überzeugung, dass ich vielleicht mit einer Bewährung davonkomme, ich nicht rein muss. Das Problem war, dass es in der britischen Justizgeschichte noch nie einen vergleichbaren Becker-Fall gab. Deswegen wussten wir nicht: Wird es eine Bewährung? Gibt es sieben Jahre? Noch mehr? Ich habe gebetet, war jeden Tag in der Kirche. Ich habe meine drei Kreuze gemacht. Als die Richterin mir für den ersten Punkt 2,5 Jahre gegeben hat, rutschte mein Herz in den Keller. Für die weiteren Punkte gab sie mir 18 Monate. Da wusste ich, dass ich direkt vom Gerichtssaal abgeführt werde."

Becker über Gewichtsverlust: Becker hat in Haft einige Kilos abgespeckt. Der 55-Jährige zu einem Vorher-Nachher-Bild: "Ich sehe erst einmal den gleichen Menschen. Davor vielleicht etwas unsicher, ungewiss. Danach vielleicht etwas schlauer, demütiger. Es ist der gleiche Mensch, aber zwei verschiedene Leben. Ich habe sehr viel Gewicht verloren. Ich bin mit 97 Kilo ins Gefängnis gekommen, hatten dann 90 Kilo. Ich habe zum ersten Mal im Leben Hunger gefühlt. Ich dachte, ich hätte mit 55 alles erlebt, aber das war neu. Ich habe monatelang sehr wenig gegessen. Meiner Gesundheit tat das Gefängnis nicht gut."

Interview beginnt: Nun geht es mit dem Gespräch los. War er unschuldig im Gefängnis? Becker: "Nein, natürlich war ich schuldig. 25 Punkte der Anklageschrift habe ich gewonnen, in vier verloren. Gerade beim vierten Punkt, als ich Gelder aus meinem Firmenkonto genommen habe, um Kosten zu zahlen, hat mich die Jury in London für schuldig gesehen. In drei weiteren Punkten auch. Ich habe mein Haus in Leimen geheim gehalten, eine Hypothek auf dem Haus. Und dass ich eine Aktien in einer Sportinternetfirma geheim gehalten habe."

Boris Becker gibt nach seinem Gefängnisaufenthalt ein Exklusiv-Interview.
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Boris Becker gibt nach seinem Gefängnisaufenthalt ein Exklusiv-Interview.

Gefängnisbesuch: Gätjen unterhielt sich noch in der Haft zwei Stunden mit Becker.

Vorab-Erklärung: In einem Beitrag wird nun erst einmal erklärt, warum Becker in Haft war. Sat.1 zeigt dazu auch Aufnahmen einer eigenen Reise zum Gefängnis am 8. Dezember. Über Beckers Freundin kam es zu der Vereinbarung des Interviews.

Sendung beginnt: Los geht das Boris-Becker-Spezial. Steven Gätjen begrüßt die Zuschauer, hinter ihm sitzt Becker bereits am Gesprächstisch. "Keine Tabus, keine Ausreden, kein Blabla", sagt Gätjen. Ehe das Interview beginnt, zeigt Sat.1 noch ein paar Eindrücke, wie Becker mit Sohn und Freundin am Studio ankam.

Boris Becker: Erstes Interview nach Haftentlassung im Liveticker - Vor Beginn

Vor Beginn: Die Prime Time rückt näher, in wenigen Minuten geht es bei Sat.1 los mit dem aufgezeichneten Becker-Interview.

Vor Beginn: Becker hat im Gefängnis sichtlich Gewicht verloren, seine Haare sind zudem etwas länger geworden. Zu seiner Abschiebung sagt er: "Ich saß ab sechs Uhr in der Früh auf meiner Bettkante und hoffte, dass die Zellentür aufgeht. Sie kamen um halb acht, schlossen auf und fragten: ,Bist du fertig?' Ich sagte: ‚Los geht's!' Ich hatte auch schon alles gepackt."

Vor Beginn: Und weiter: "Ich glaube, ich habe den Menschen in mir wiederentdeckt, der ich einmal war. Ich habe eine harte Lektion gelernt. Eine sehr teure. Eine sehr schmerzhafte. Aber das Ganze hat mich etwas Wichtiges und Gutes gelehrt. Und manche Dinge passieren aus gutem Grund."

Vor Beginn: Über die Bild sind schon ein paar Vorab-Aussagen aus dem Interview veröffentlicht worden. Becker: "Im Gefängnis bist du niemand. Du bist nur eine Nummer. Meine war A2923EV. Ich wurde nicht Boris genannt. Ich war eine Nummer. Und es interessiert sie einen Scheißdreck, wer du bist."

Vor Beginn: Becker hätte ohne dieses Programm gemäß der britischen Gesetzgebung eigentlich mindestens die Hälfte absitzen müssen, folglich Ende Juli 2023 auf Bewährung entlassen worden wären.

Vor Beginn: Dass Becker schon nach etwas mehr als einem halben Jahr in Haft freigelassen wurde, hängt mit einem speziellen Abschiebeprogramm in England zusammen. Zunächst einmal: Becker wurde aus England abgeschoben. Dabei profitierte er von dem Entlassungsverfahren, damit es in Gefängnissen nicht zu einer Überfüllung kommt. Es würde jeden ausländischen Häftling betreffen, "der bis zu zwölf Monate vor dem frühesten Entlassungszeitpunkt aus dem Gefängnis entlassen und abgeschoben werden kann".

Vor Beginn: Der 55-Jährige war Ende April wegen Insolvenzverschleppung eigentlich zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Becker hatte zuvor ein Vermögen im Wert von mehr als einer Million Euro in seinem Insolvenzverfahren nicht offengelegt, den Besitz einer Immobilie in seiner Geburtsstadt Leimen verschleiert, illegal hohe Summen auf andere Konten und Anteile an einer Firma für künstliche Intelligenz und eine Darlehensschuld verschwiegen.

Vor Beginn: Boris Becker ist wieder ein freier Mann. Nach rund siebeneinhalb Monaten wurde die Tennis-Legende am vergangenen Donnerstag im Westen Londons vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Am heutigen Dienstagabend erklärt er sich in einem Interview mit dem Moderator Steven Gätjen - auf Deutsch und auf Englisch. Dieses wird ab 20.15 Uhr bei Sat.1. gezeigt.

Vor Beginn: Willkommen im Liveticker!

Boris Becker: Erstes Interview nach Haftentlassung heute im TV und Livestream

Das Exklusiv-Interview mit Boris Becker läuft heute wie erwähnt ab 20.15 Uhr im Free-TV bei Sat.1. Das Programm des Senders lässt sich auch im kostenlosen Livestream verfolgen, möglich ist das über JOYN, den Streamingdienst der ProSiebenSat.1 Media. Einer Anmeldung bedarf es hierbei nicht.

Boris Becker: Steckbrief

Boris Becker
NameBoris Franz Becker
Geburtsdatum22. November 1967
Alter55 Jahre
GeburtsortLeimen, Deutschland
Größe1,91 m
ElternElvira Pisch, Karl-Heinz Becker
Kinder4
EhenLilly Becker (verh. 2009-2018), Barbara Becker (verh. 1993-2001)
Tennis-Profi1984 bis 1999
Erfolge49 Turnier-Siege im Einzel, 15 im Doppel - u.a. sechs Grand Slams
Spielhandrechts
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