Der frühere Weltranglistenerste zog nach dem Kollektiv-Aus seiner Kollegen vom Vortag schon vor den Achtelfinals durch Siege in der Runde der besten 16 gegen den Dänen Jonathan Groth (4:3) sowie im Viertelfinale gegen den Finnen Benedek Olah (4:2) zum siebten Mal in Serie ins EM-Halbfinale ein und hat damit seine insgesamt neunte Einzelplakette bei kontinentalen Titelkämpfen sicher.
Boll avancvierte spätestens dadurch unverhofft nochmal zum Anwärter auf Gold und damit die Nachfolge des auch in Runde zwei ausgeschiedenen Titelverteidigers Dimitrij Ovtcharov (Hameln/Orenburg). Im Semifinale (Sonntag/11.30 Uhr) spielt der 35 Jahre alte EM-Rekordsieger, der nach Olympia wegen einer Nackenverletzung zunächst wochenlang pausieren musste, gegen den Franzosen Simon Gauzy um die Chance auf seinen insgesamt siebten EM-Einzeltriumph.
"Dass ich so weit kommen könnte, hätte ich vorher wirklich nicht erwartet", sagte der ehemalige WM-Dritte zu seinem Sprung in die Medaillenränge.
Außer durch den überraschend spielstarken Olympia-Fahnenträger bringt das DTTB-Team noch drei weitere Medaillen aus Ungarn mit. Im Damen-Doppel spielen Petrissa Solja/Shan Xiaona (Berlin) und Kristin Silbereisen/Sabine Winter (Kolbermoor) den Titel in einem deutschen Finalduell (Sonntag/15.30 Uhr) unter sich aus, und im Herren-Doppel hat der Saarbrücker Patrick Franziska zusammen mit Groth im Endspiel (16.30 Uhr) ebenfalls noch eine Goldchance. Im Damen-Einzel jedoch scheiterten die topgesetzte Weltranglistensiebte Han Ying (Tarnobrzeg), die frühere Weltcup-Dritte Solja und DM-Titelträgerin Silbereisen als beste DTTB-Spielerinnen im Viertelfinale.
"Mit Herren-Ergebnis nicht zufrieden"
"Auch wenn wir uns für und über Timo freuen und Patrick im Doppelfinale steht, können wir mit dem Herren-Ergebnis nicht zufrieden sein. Für die Damen ist das Finalduell zwar ein starkes Ergebnis, aber mit Spielerinnen auf den Setzpositionen eins bis drei hatten wir auch im Einzel auf etwas mehr gehofft", resümierte DTTB-Sportdirektor Richard Prause.
Trotz ihrer Überlegenheit als Mannschaft blieben die deutschen Team-Europameisterinnen und-Olympiazweiten in Budapest zum zweiten Mal nacheinander bei einer EM ohne Podestplatzierung im Einzel. Tags zuvor hatten die insgesamt fünf Spielerinnen von Bundestrainerin Jie Schöpp ausnahmslos das Achtelfinale erreicht und damit für die beste EM-Zwischenbilanz der DTTB-Damen seit 16 Jahren gesorgt.
Boll zeigte bei seinen beiden Erfolgen auch Kampfgeist. Gegen Groth geriet der Linkshänder dreimal in Rückstand, und gegen Olah musste der über 50 Plätze höher notierte Routinier ein 0:2 aufholen. "Da war Stehvermögen gefordert", sagte Boll.
Daür scheint vier Jahre nach seinem bislang letzten EM-Erfolg der Weg zum Titel auf dem Papier frei: Aus dem Spitzenquartett der Setzliste ist nur noch Boll im Turnier dabei.