"Ich wollte zeigen, dass ich wieder da bin. Dass es gereicht hat, gibt Selbstvertrauen für die kommenden Aufgaben", sagte der 28 Jahre alte Kunstturner nach seinem Erfolg bei den Europameisterschaften in der Schweizer Hauptstadt.
15,566 Punkte war den Punktrichtern die Nguyen-Übung an dessen Paradegerät wert. Und auch wenn der Unterhachinger selbst nicht ganz zufrieden war mit seiner Vorstellung, wusste er um die Bedeutung des Medaillengewinns. "Das ist der Lohn für die harte Arbeit der vergangenen Wochen und Monate", sagte Nguyen, der mit dem Erfolg eine dreijährige Edelmetall-Durststrecke des Deutschen Turner-Bundes (DTB) bei der EM beendete.
"Es ist schon cool, wieder eine Medaille zu gewinnen", sagte Nguyen. Das könne einen Push geben, bei den Olympischen Spielen in Rio (5. bis 21. August) aber dennoch nur mit viel Glück zum Podium reichen. "Die Konkurrenz ist schon stark. Es wird für uns immer schwieriger" - insbesondere dann, wenn die Übungen nicht perfekt gelingen.
Nguyen der erste in der Halle
Leichte Haltungsfehler am Gerät hatte er am Sonntag in Kauf nehmen müssen - unter anderem war die schwierige Felge an einem Holm nicht perfekt gelungen - und auch beim Abgang wackelte Nguyen minimal. Hinter dem Russen David Beljawski (16,033) und dem Ukrainer Oleg Wernjajew (15,716) holte Nguyen aber dennoch mit deutlichem Vorsprung vor dem viertplatzierten Rumänen Marius Berbecar (15,000) die ersehnte Medaille. Weil er es minutiös geplant hatte.
"Am Barren muss man immer die ganze Zeit aufmerksam bleiben", sagte Nguyen. Und wohl auch deshalb begann die Vorbereitungsphase auf seinen wichtigsten Wettkampf der EM-Woche schon früh am Morgen. Mit Bundestrainer Andreas Hirsch, Heimtrainer Valeri Belenki sowie Teamkollege Andreas Toba war er einer der ersten in der Halle.Mit größter Sorgfalt wurden dabei die beiden Holme präpariert, im Gespräch mit den Coaches letzte Details seiner Übung diskutiert - denn die hatte es in sich. Vor allem die "Wackel-Felge" stellte Nguyen in dieser Woche zweimal vor Probleme. Am Donnerstag in der Qualifikation war das äußerst anspruchsvolle Element von den Kampfrichtern nicht anerkannt worden, am Samstag gelang es im Team-Finale nur mit Mühe, den Handstand zu halten. Im Einzel-Finale musste er dann zu schnell umgreifen und beschloss: "Die werde ich wieder aus der Übung nehmen."
"Trotzdem eine geile EM"
Zufrieden war Nguyen auch ohne Medaille mit dem fünften Rang der DTB-Riege am Samstag in der Team-Entscheidung gewesen. Ohne den an der Schulter verletzten Vorturner Fabian Hambüchen und die Olympia-Aspiranten Andreas Bretschneider und Lukas Dauser "war schon vorneweg eigentlich klar gewesen, dass es mit der Medaille schwer wird", sagte Nguyen.
Beim Sieg des alten und neuen Europameisters Russland vor Großbritannien und dem Gastgeber Schweiz stand Nguyen ebenfalls im Mittelpunkt - allerdings nicht am Barren. Nach einer guten Vorstellung an seinem Lieblingsgerät stürzte er am Reck. Da zuvor auch Sebastian Krimmer einen Abstieg verzeichnen musste, war der Traum einer besseren Platzierung geplatzt.
"Es war trotzdem eine geile EM für uns und eine gute Vorbereitung auf das, was noch ansteht", sagte Toba, der in Bern einen guten Eindruck hinterließ und somit ein ernster Kandidat für die Sommerspiele in Brasilien ist. Eine endgültige Entscheidung über die Besetzung der DTB-Riege fällt nach den Deutschen Meisterschaften Ende Juni in Hamburg und einer weiteren Leistungsprüfung am 9. Juli in Frankfurt/Main.