Die 23-jährige Seitz setzte sich vor knapp 7000 Zuschauern in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle mit 54,00 Punkten hauchdünn vor Pauline Schäfer aus Chemnitz (53,90) und Kim Bui (Stuttgart) mit 53,45 Zählern durch. Da musste auch Fabian Hambüchen, getarnt durch ein tief in die Stirn gezogenes schwarzes Basecap, Beifall zollen.
"Ich hatte erst am Samstag entschieden, einen kompletten Mehrkampf zu turnen. Nun bin ich überwältigt, das ist kein normaler Sieg für mich", sagte die Zeitsoldatin. Seitz hatte eigentlich zu Jahresbeginn beschlossen, in der nach-olympischen Saison "ruhig zu machen" und sich auf Stufenbarren und Schwebebalken zu konzentrieren.
Vom ersten Gerät an lieferten Seitz, Schäfer und Bui einen spannenden Dreikampf an der Spitze. Nach dem Sprung übernahm Bui, EM-Fünfte im Mehrkampf, die Führung. Am Stufenbarren schlug die Olympia-Vierte Seitz zurück und zog im Zwischenklassement an ihrer Vereinskollegin vorbei.
Kim Bui patzt, Pauline Schäfer holt auf
Eine Vorentscheidung fiel jedoch am Schwebebalken. Während Seitz nahezu fehlerfrei über das Zittergerät kam, leistete sich Bui zwei Wackler und war sichtlich unzufrieden mit sich. Schäfer holte mit ihrem Schäfer-Salto auf.
Alle drei profitierten aber auch von zwei prominenten Absagen für die nationalen Titelkämpfe. Titelverteidigerin Sophie Scheder aus Chemnitz war in der Arena nur im Fernseheinsatz, die Olympia-Dritte am Stufenbarren leidet noch an den Folgen einer Knieoperation. Weltcup-Gesamtsiegerin Tabea Alt aus Ludwigsburg hat eine Wettkampfpause eingelegt, um ihre schulische Entwicklung voranzutreiben.
Ulla Koch: WM 2019 in Stuttgart motiviert alle
Bundestrainerin Ulla Koch war vom spannenden Wettkampfverlauf begeistert. "Die Atmosphäre war grandios. Es ist toll, dass mehrere Mädchen von der Leistung her so nahe beieinander liegen. Die WM 2019 in Stuttgart motiviert alle", sagte die DTB-Teamchefin.
Die nationalen Titelkämpfe der Gerätartisten werden am Pfingstmontag (13.30 Uhr) mit dem Mehrkampf der Männer fortgesetzt. Dabei fehlen allerdings der zurückgetretene Reck-Olympiasieger Fabian Hambüchen (Wetzlar), Titelverteidiger Andreas Toba aus Hannover nach drei Knieoperationen sowie der Chemnitzer Reckspezialist Andreas Bretschneider (Schulteroperation).