Jackson verlor seine Weltmeisterschaft vor inzwischen drei Jahren und zwei Monaten an Forrest Griffin und ist seitdem wie ausgewechselt. War er früher für seinen wilden Kampfstil bekannt, der ihm entweder spektakuläre Siege verschaffte oder einen Niedergang mit fliegenden Fahnen, so mutierte er nach dem Weltmeisterschaftsgewinn zu einem Konterkämpfer.
Das funktionierte gegen Wanderlei Silva wunderbar, gegen Keith Jardine leidlich und gegen Rashad Evans gar nicht. In den letzten eineinhalb Jahren gewann Jackson eine Punktentscheidung gegen Lyoto Machida, die noch heute einige Fragen aufwirft und zeigte eine anämische Leistung gegen einen völlig überforderten Matt Hamill.
Kämpft er gegen den neuen Weltmeister Jon Jones so auf wie in den letzten Jahren, wird Jackson untergehen - vermutlich in den ersten beiden Runde. Doch genau dieses Wissen macht das Aufeinandertreffen so interessant.
Rampage muss gewinnen
Jackson trainiert nicht gern. Er spricht nicht gern mit Journalisten - zumindest mit männlichen. Und wenn er eines verabscheut, dann ist es die strenge Diät in den Wochen vor seinen Kämpfen, damit er überhaupt in die Nähe der Höchstgrenze von 205 amerikanischen Pfund kommt, die das Halbschwergewicht vorschreibt.
Er mag zwar immer noch ungern trainieren und sich lieber eine Zehe abhacken, als an einer Pressekonferenz teilzunehmen, aber diesmal war Jackson bereits eine Woche vor dem Kampf beim geforderten Gewicht. Er wird zum ersten Mal seit Jahren in einen Fight gehen, für den er nicht in letzter Sekunden zehn Kilogramm an Flüssigkeit verlieren muss. Dies zeigt, dass ihm sehr wohl bewusst ist, dass er den Kampf gewinnen muss, wenn er nicht endgültig zum alten Eisen gelegt werden will.
Auf dem Papier ist er der krasse Außenseiter gegen den jungen Jon Jones, der in den letzten Jahren die UFC im Sturm eroberte und jeden Gegner, der ihm in den Weg gestellt wurde, wie einen blutigen Anfänger aussehen hat lassen. Jones ist unberechenbar und bringt Aktionen erfolgreich durch, die es außerhalb von Videospielen einfach nicht geben kann.
Ähnlich wie sein Herausforderer zu Beginn seiner Karriere kämpft Jones so, als würde er keinerlei Druck verspüren, keinerlei Taktik befolgen müssen und völlig frei agieren können. Ihm brachte es innerhalb weniger Jahre den Weltmeistertitel ein.
Jones haushoher Favorit
Jones hat inzwischen bewiesen, dass er mit talentierten Kämpfern klarkommt, mit Weltklasseringern ebenso wie mit alten Hasen und explosiven Konterkämpfern. Man tut sich schwer, überhaupt einen Punkt zu finden, an dem man als Gegner ansetzen kann. Klar - auf dem Papier ist seine noch geringe Erfahrung ein gefundenes Fressen für jeden Gegner, aber bislang hat sich Jones keinerlei Blöße gegeben.
Die einzige Frage, die er bisher noch nicht beantworten konnte: Wie wird er damit klarkommen, wenn jemand ihn mit harten Schlägen zum Kinnwinkel eindeckt. Seien wir ehrlich: Shogun Rua hätte zwar theoretisch die Möglichkeit dazu gehabt, aber seine Niederlage stand bereits fest, als er in den Käfig stieg. Shoguns Gesichtsausdruck sprach Bände und versprach genau den Kampfverlauf, der am Ende in die Geschichtsbücher einging.
Auf den Punkt gebracht: Die einzige Chance, die Quinton Jackson in diesem Kampf hat, ist, zu seinen alten Qualitäten zurückzufinden, alle Taktik und Vorsicht über Bord zu werfen und zu hoffen, dass er Jones überrennen kann wie in alten Tagen.
Spielt er das Defensivspiel der letzten beiden Jahre, nimmt ihn Jon Jones auseinander. Jackson weiß dies, doch darf man bezweifeln, ob er sich noch einmal aus der dunklen Ecke herausbegeben können wird, in die er sich zuletzt hineinmanövriert hat. Rampage kann den Kampf gewinnen, Quinton Jackson nicht.
Mission Impossible für Hughes
Im zweiten Hauptkampf des Abends trifft mit Matt Hughes eine der bekanntesten Persönlichkeiten der UFC-Geschichte auf den vermutlich einzigen Menschen, dem es gelingen könnte, Hughes zum Publikumsliebling zu machen: Josh Koscheck. Eigentlich war ein Fight zwischen Hughes und Diego Sanchez angesetzt worden, aber nachdem sich letzterer verletzte, wurde er ausgerechnet durch seinen Erzrivalen ersetzt.
Für Matt Hughes wurde aus einer schwierigen, trotzdem aber schaffbaren Aufgabe eine Mission Impossible. Koscheck kann alles, was Hughes kann, besser. Er ist jünger, schneller, massiger, explosiver, KO-gefährlicher und insgesamt stilistisch ein richtig schlechter Gegner für den Altmeister.
Koscheck nahm den Kampf mit nicht einmal drei Wochen Vorlauf an. Ein richtiges Trainingscamp wird er somit nicht mehr durchlaufen haben können. Es ist auch fraglich, in welcher körperlichen Verfassung er sich nach seiner langen Verletzungspause befindet. Ist er körperlich eingerostet? Spielt die Kondition mit? Diesen Fragen kann man natürlich nachgehen, aber bei Lichte besehen muss man sich eingestehen, dass sie wohl für den Kampfausgang zweitrangig sein werden.
Matt Hughes gewann seine Kämpfe deswegen, weil er seine Gegner körperlich überrannte und dann ihren Kampfwillen brach. Das hätte gegen Diego Sanchez durchaus fruchten können, aber Koscheck ist Hughes in allen Bereichen überlegen. Auf psychologischer Ebene schwingt bereits seit einem Jahr das Wort "Ruhestand" mit.
Relikte einer längst vergangenen Ära
Während Hughes früher seinen Gegnern eine Tracht Prügel versprach, die sich gewaschen hatte, gibt er heutzutage deutlich leisere Töne von sich: "Ich weiß nicht, ob ich nach dem Kampf weitermache. Mein Vertrag endet mit dem Koscheck-Fight, und wer mich kennt, der weiß, dass ich noch nie des Ruhmes wegen ins Octagon gestiegen bin", so Hughes im Gespräch mit SPOX.
Als neutraler Beobachter schwingt bei solchen Worten immer die Befürchtung mit, dass man den Kampf schon abgeschrieben hat und nur noch die Kampfbörse mitnehmen will. Josh Koscheck wird einen gewaltigen Fehler machen müssen, um den Kampf gegen Hughes zu verlieren. Selbst mit angezogener Handbremse wird ein Sieg herausspringen, wahrscheinlich durch Knockout, weil er mit Hughes in den Schlagabtausch geht.
Manchmal schreibt das Leben die besten Geschichten, doch am Samstag werden die Fans der UFC-Legenden Quinton Jackson und Matt Hughes vermutlich leer ausgehen und ihre Idole als Relikte einer längst vergangenen Ära des MMA-Sports dastehen. Alles, was bleibt, ist in beiden Fällen das Prinzip Hoffnung.
UFC 135 wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag ab 3 Uhr live und ungekürzt auf SPOX und UFC.TV übertragen. Die Vorkämpfe starten um Mitternacht auf facebook.com/UFC.