"Eine Sache, die man von Vitor Belfort noch nie gesehen hat, ist, dass er vom Rücken aus einen Aufgabegriff durchgebracht hätte", so UFC-Kommentator Joe Rogan kurz nach Beginn der ersten Runde, nachdem UFC Halbschwergewichtsmeister Jon Jones seinen brasilianischen Herausforderer mit einem Takedown zu Boden gebracht hatte.
Von vornherein war klar, dass Belfort darauf angewiesen war, Jones auf den Beinen mit einer Schlagsalve zu überraschen und auszuknocken, um sich den Sieg sichern zu können. Das war auch dem Weltmeister klar, und so überraschte es wenig, dass er den Kampf auf allen Vieren begann und dann Belfort schleunigst auf die Matte holen wollte.
Womit aber niemand gerechnet hatte - nicht die Fans, nicht die Kommentatoren und am allerwenigsten Jon Jones selbst -, ist, dass Vitor Belfort vom Rücken aus mit einem Aufgabegriff den Kampf zu beenden versuchen würde. Er klammerte sich zunächst an Jones' Oberkörper fest, damit dieser seine gefürchteten Ellenbogenstöße nicht durchbringen konnte.
Jones stand mit Belfort auf und warf sich mit ihm wieder zu Boden, um die Umklammerung zu lösen, doch Belfort nutzte den Gunst der Stunde, um etwas Distanz zwischen sich und Jones zu bringen, den eigenen Körper zu drehen und Jones' rechten Arm mit den Beinen zu umklammern.
Jones am Rande der Niederlage
Es passierte in Bruchteilen einer Sekunde. Vitor Belfort erwischte den Weltmeister eiskalt auf dem falschen Fuß. Er versteifte seinen Körper, drückte die Hüfte durch, um den Arm zu überstrecken und Jones in eine prekäre Lage zu bringen. Die Sekunden verstrichen.
Jones stand auf und versuchte verzweifelt, sich aus dem Griff zu befreien, während sein Arm so weit überstreckt war, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis ein Knochen bricht. Er hob Belfort so weit aus, dass dieser zeitweise nur noch mit dem Kopf die Matte berührte und zog verzweifelt an seinem Arm. Mit 3:34 Minuten verbleibender Rundendauer kam er frei.
Vitor Belfort hätte um ein Haar die Welt geschockt. Er machte in dieser Situation alles richtig und brachte den schier unschlagbar anmutenden Weltmeister Jones mit einer Aktion, mit der wirklich niemand gerechnet hatte, an den Rand einer Niederlage.
"Der Arm wurde sofort taub"
"Ich dachte in dem Moment wirklich, dass mein Arm gleich brechen wird. Ich machte gedanklich bereits mit der Erkenntnis, dass es das gewesen war und dass ich jetzt verlieren würde, meinen Frieden", so Jones auf der Pressekonferenz nach der Veranstaltung. "Ich spürte, wie die Knochen aus dem Gelenk sprangen. Der Arm wurde sofort taub. Den restlichen Kampf über konnte ich ihn kaum mehr richtig gebrauchen. Aber ich hätte niemals aufgegeben."
Belfort gab zu, dass er wohl etwas locker gelassen hatte, als er das Geräusch vernahm, das entsteht, wenn der Ellenbogen auskugelt. Jones nutzte diesen Moment, um die sichere Niederlage doch noch abzuwenden. Und damit wendete sich das Blatt völlig. Jones malträtierte Belfort noch in derselben Runde mit Ellenbogenstößen, die einen tiefen Cut über dem rechten Auge öffneten. Er trat Belfort wieder und wieder gegen das rechte Knie, um selbiges zu überstrecken und ihm die Basis für seine harten Schlagsalven zu nehmen..
Belfort zeigte viel Kämpferherz. Bis in Runde vier rettete er sich völlig erschöpft und von seinen Cuts blutend. Dabei zog er Jones immer wieder auf den Boden, was zumindest mal überraschend war, denn dort kassierte er regelmäßig weitere Ellenbogenstöße, kam gleichzeitig aber nicht mehr in die glückliche Lage, mit einem Aufgabegriff aus der Unterlage punkten zu können. "Ich hatte mir im Training eine Rippenverletzung zugezogen und wollte deswegen am Boden kämpfen", sagte Belfort auf der Abschlusspressekonferenz den verdutzten Journalisten.
Diese Rippenverletzung, genauer: eine Rippenfellentzündung, war dann auch die Erklärung, warum Belfort wie ein nasser Sack zu Boden ging, als ihn Jones einmal mit der Ferse dort traf. Anders war es auch nicht zu erklären, dass sich Belfort ein halbes Dutzend Mal freiwillig gegen Jones in die Unterlage begab.
Ein wilder Schlagabtausch
In der vierten Runde tat Belfort endlich das, auf das die Fans gewartet hatten: Er ging mit Jon Jones in einen wilden Schlagabtausch, doch zu dem Zeitpunkt war der Tank längst auf Reserve, und Belforts Schläge waren maximal noch lästig aber nicht mehr gefährlich.
Belfort und Jones gingen ein weiteres Mal auf die Matte, wobei aber nicht klar war, wer den Kampf dorthin verlagern wollte. Jones verließ Belforts Guard, ging in den Side Mount, klemmte Belforts linken Arm unter seinem linken Bein ein, traf mit einigen Ellenbogenstößen aus der Oberlage und beendete den Fight mit einem Americana Armhebel.
Alter und neuer Weltmeister nach 54 Sekunden von Runde vier: Jon Jones.
Mighty Mouse erster Champ im Fliegengewicht
Im zweiten Hauptkampf des Abends sicherte sich Demetrious "Mighty Mouse" Johnson gegen Joseph Benavidez die Fliegengewichtskrone der UFC in einem Schocker. Der Schocker bestand weniger darin, dass Johnson der Punktsieg überhaupt gelang, sondern mehr in seiner Deutlichkeit. In vier der fünf Runden frustrierte er Benavidez mit seiner überragenden Geschwindigkeit und Wendigkeit und war nie dort, wo sein Gegner ihn haben wollte.
Entsprechend wenig gelang dem hoch favorisierten Benavidez in der Offensive. Der einzige brenzlige Moment kam in der vierten Runde, als Benavidez Johnson mit einer Rechten erwischte, die Mighty Mouse anklingelte und zu Boden schickte.
Benavidez setzte dort den gefürchteten Guillotinen Choke von Team Alpha Male an, und er manövrierte sich sogar in den Full Mount, doch Johnson verteidigte optimal und hinderte seinen Kontrahenten daran, die Finger zu verschränken. Der Griff war auch mit einem Arm extrem eng anliegend, sodass Johnson für das Durchhalten sehr viel Respekt gebührt.
Am Ende sah ein Punktrichter Benavidez überraschend mit 48-47 Punkten vorn, während zwei Johnson den Sieg mit 49-46 und 48-47 Punkten zusprachen. Damit geht Demetrious "Mighty Mouse" Johnson als erster Weltmeister im Fliegengewicht in die UFC-Annalen ein.
Bisping empfiehlt sich für Titelkampf
Der Brite Michael Bisping setzte sich nach Punkten gegen Brian Stann durch. In der ersten Runde musste Bisping eine harte Rechte des Amerikaners einstecken und stand kurzzeitig auf wackeligen Beinen, doch sein Kinn hielt den Angriffen stand, und Bispings überlege Kondition in Verbindung mit seinen klaren technischen Vorteilen brachte ihm an Ende den Sieg ein.
Überraschend im positiven Sinne waren die starken ringerischen Fähigkeiten, die der Sieger der dritten Staffel von The Ultimate Fighter an den Tag legte. Kein Wunder, dass Chael Sonnen mit Bisping solche Probleme gehabt hatte. Ebenfalls ungewohnt war, dass das Publikum in Kanada ihn anfeuerte - wo man es sonst gewohnt ist, dass er in Nordamerika zu den unbeliebtesten Kämpfern gehört.
Mit dem Sieg empfiehlt sich Michael Bisping endgültig für den Titelkampf gegen Weltmeister Anderson Silva, den er bereits seit Jahren will. Ob er ihn bekommen wird oder zuerst noch gegen einen Chris Weidman oder Tim Boetsch antreten muss, steht jedoch noch in den Sternen.
Swanson mit zweiter Überraschung des Abends
Matt Hamill besiegte in seiner Rückkehr aus dem Ruhestand Roger Hollett nach Punkten. Das einzig Positive an dem Kampf war, dass Hamill mit seinem Ground and Pound in Runde eins einen neuen UFC-Rekord für die meisten Wirkungstreffer in einem Kampf in seiner Gewichtsklasse aufstellte. Ansonsten gaben beide Kämpfer kein gutes Bild ab - langsam, unmotiviert, schlechte Beinarbeit... insgesamt nicht titelgefährlich.
Cub Swanson sorgte für die zweite Überraschung des Abends, als er Charles Oliveira nach 2:40 Minuten der ersten Runde mit einem Schlag ins Land der Träume schickte. Vinny Magalhaes gelang das Comeback gegen Igor Pokrajac nach 1:14 Minuten der zweiten Runde durch Armbar. T.J. Grant setzte sich nach Punkten gegen Evan Dunham durch - ebenfalls ein Außenseitersieg.
Sean Pierson besiegte Lance Benoist nach Punkten. Marcus Brimmage beendete Jim Hettes' Siegesserie ebenfalls durch einen Punktsieg. Seth Baczynski schlug den Norweger Simeon Thorensen nach 4:10 Minuten der ersten Runde k.o., Mitch Gagnon zwang Walel Watson nach 1:09 Minuten mit einem Rear-Naked Choke zur Aufgabe, und im Eröffnungskampf besiegte Kyle Noke den "Spaniard" Charlie Brenneman nach nur 45 Sekunden durch technischen Knockout.