SPOX: Nick, am Samstag kehrt die UFC zum ersten Mal seit November 2010 wieder nach Deutschland zurück. Wie wichtig ist dieser Schritt, um die Sportart trotz des TV-Verbots ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken?
Nick Hein: Es ist ein Anfang, ganz klar. Wobei ich in den letzten Wochen sehr positiv überrascht war, wie die UFC und der komplette MMA-Sport von den Medien dargestellt wurde. Dafür muss man sie auch mal loben. Es wurde objektiv und sachlich berichtet, der Tenor war fast durchweg positiv. Es ist schön zu sehen, dass man uns eine Chance gibt.
SPOX: Trotzdem hat die UFC weiterhin mit den gängigen und bekannten Klischees zu kämpfen. Die Rede ist unter anderem von brutalen Prügelshows und dumpfen Hinterhofschlägereien.
Hein: Nun ja, manchen Leuten kann man halt einfach nicht helfen. Wer immer noch auf 20 Jahre alten Vorurteilen herumreitet, den kann man wohl nicht mehr vom Gegenteil überzeugen. Wobei ich mich gerne mit jedem unterhalten würde, damit sie verstehen, was MMA meiner Meinung nach zum komplexesten und schönsten Sport der Welt macht. Es hat schon fast etwas von einem Zehnkampf.
SPOX: Wie erklären Sie sich diese sture Sichtweise?
Hein: Die meisten Kritiker haben in ihrem Leben noch nie einen kompletten Kampf, geschweige denn ein ganzes Event gesehen. Man schaut dreiminütige Highlight-Videos mit den härtesten Knockouts an, und schon denkt man, eine Sportart einschätzen zu können. Aber die Journalisten und Politiker sollten ihre Hausaufgaben machen, bevor sie ein Urteil fällen. Ansonsten ist das sehr unprofessionell. Nur mal ein Beispiel: Ich kann auch die Formel 1 in Afghanistan vorstellen, indem ich einen Clip von schweren Unfällen zeige. Dann bekommt man auch ein komplett falsches Bild. Und genauso lief das leider in der Vergangenheit mit der UFC ab.
SPOX: Das Bild des blutüberströmten UFC-Kämpfers ist weit verbreitet. Zu Unrecht?
Hein: Das ist totaler Quatsch. Es gibt keinen typischen UFC-Fighter. So etwas findet man ja in keiner Sportart. Das Problem ist, dass die Events früher mit diesem Image verkauft wurden. Man wollte sich von allem anderen abheben, deswegen gab es auch fast keine Regeln. Aber das gehört schon längst der Vergangenheit an. Kaum jemand der heutigen Kämpfer würde unter diesen Bedingungen ins Octagon steigen. Und die Sache mit den Blutshows ist fast schon lustig. Es ist ja nicht so, dass wir uns vor einem Fight mit Schweineblut einreiben. Aber bei einem Vollkontaktsport kommt es nun mal zu Verletzungen und Cuts. Aber die passieren auch im Boxen. Selbst während meiner Zeit als aktiver Judoka habe ich mir mal eine Platzwunde zugezogen.
SPOX: Das große Problem für die UFC in Deutschland ist neben der geringen Akzeptanz vor allem das TV-Verbot. Wie groß ist die Hoffnung, dass dieses Gesetz gekippt wird?
Hein: Ich bin fest davon überzeugt, dass die UFC irgendwann einmal wieder im TV zu sehen ist. Es gibt nichts Vergleichbares. Die Leute sind übersättigt von dem Einheitsbrei, der im Sport übertragen wird. Die Lösung liegt auf der Hand. Hoffentlich sieht das auch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien bald ein.
SPOX: Auch Sie spielen eine große Rolle für die UFC in Deutschland. Sie sind Bundespolizist, verheiratet und haben keine Tattoos. Das hört sich fast schon wie der perfekte Schwiegersohn an.
Hein: (lacht) Um Gottes Willen, soweit würde ich nicht gehen. Wer mich mal bei einem großen Familienessen erlebt hat, würde darüber wohl schmunzeln. Da kann ich schon mal locker fast das komplette Buffet plündern.
SPOX: Aber für die UFC dürfte es reichen. Man hat den Eindruck, Sie werden als das neue Gesicht in Deutschland aufgebaut?
Hein: Das kann schon sein. Im Profisport lassen sich nun mal Geschichten gut verkaufen. Es sind meistens starke Charaktere, die den Menschen im Kopf bleiben. Oder Sportler, die etwas Interessantes aus ihrem Leben erzählen können und sich damit vermarkten lassen. Damit können sich die Fans viel einfacher identifizieren. Das beste Beispiel ist Olympia. Die ganzen Leute aus den Amateurbereichen bekommen alle vier Jahre zwar eine große Bühne geboten. Aber am Ende redet jeder wieder nur über Usain Bolt, der seine Faxen macht und auf den letzten Metern einen Moonwalk hinlegt.
SPOX: Aber Sie wollen sicherlich mehr sein als ein Maskottchen.
Hein: Ganz klar, ich wurde in erster Linie aus sportlichen Gründen verpflichtet. Wenn ich zehn Niederlagen und nur einen Sieg auf dem Konto hätte, wäre niemand von der UFC auf mich zugekommen. Meine Geschichte als erfolgreicher Judoka, der fest im Leben steht, war ein Aspekt, aber nicht der entscheidende.
SPOX: Sie sprechen Ihre Zeit auf der Matte an. Sie hätten 2008 fast an den Olympischen Spielen teilgenommen. Woran scheiterte Ihre Nominierung?
Hein: Tja, Ole Bischof war einfach besser. Ich bin nicht an ihm vorbeigekommen, deswegen ist er nach Peking gefahren. Das war eine große Enttäuschung, Olympia ist der Traum eines jeden Athleten.
SPOX: Bischof hat anschließend Olympisches Gold gewonnen. Wie groß war der Neid?
Hein: Das ist längst abgehakt. Ole ist ein guter Freund von mir, ich habe ihm den Olympiasieg von Herzen gegönnt. Und ich sehe es so: Gott hat einfach einen anderen Plan mit mir gehabt. Wer weiß, ob ich mir den ganzen Zirkus der letzten Jahre angetan hätte, wenn ich damals in seiner Position gewesen wäre? Dann würde ich wohl nicht am Samstag mein UFC-Debüt feiern und mir damit einen kleinen Traum erfüllen. Deswegen bin ich ganz zufrieden, wohin mich mein Weg geführt hat.
SPOX: Der Wechsel vom Judo in den MMA-Sport hatte aber seine Tücken. Es gibt sogar eine Geschichte über eine ominöse Hochzeit in Italien. Was hat es damit auf sich?
Hein: (lacht) Das war eine wilde Aktion. Ich hatte gerade meinen ersten MMA-Kampf geplant. Allerdings bekam ich dann ganz unverhofft eine Einladung für ein Judo-Trainingslager in der Nähe von Berlin. Es wussten damals noch nicht viele von meinen MMA-Plänen. Deswegen habe ich den Bundestrainer gefragt, ob ich denn zwei Tage später kommen kann. Als Grund habe ich ihm die Hochzeit eines guten Freundes in Italien genannt. Mir ist einfach nichts Besseres eingefallen.
SPOX: Und das klappte?
Hein: Ja, auch wenn man es vielleicht nicht glauben mag. Nach dem Kampf bin ich mitten in der Siegesfeier abgerauscht, ins Auto gestiegen und die ganze Nacht hindurch nach Berlin gefahren. Pünktlich um halb zehn war ich in der Halle, um mit dem Training zu beginnen. Noch mal brauche ich so etwas aber nicht.