Kampfsportveranstalter verwechseln gern Dominanz mit Popularität. Dabei haben sie in der Realität wenig miteinander zu tun. Die Mittelgewichtslegende Anderson war viele Jahre unantastbar, bevor sie ein Publikumsliebling wurde. Clay Guida war dafür vor einigen Jahren einer der fünf beliebtesten Kämpfer in der UFC, obwohl sein Kampfrekord keinen Grund dafür lieferte.
Gäbe es einen Zusammenhang zwischen den beiden Metriken, wäre der UFC-Meister im Bantamgewicht, Renan Barao, der beliebteste Kämpfer in der UFC. Niemand sonst hält so viele dominante Siege gegen so viele bekannte Namen. Und trotzdem will der Funke beim Publikum nicht so recht überspringen.
Dabei ist es unwichtig, ob das Publikum einen mag oder überhaupt nicht leiden kann. Nick Diaz und Chael Sonnen machten über die Jahre hinweg viele Hasser zu Käufern, weil man sie unbedingt untergehen sehen wollte. Wenn das nicht geschah, steigerte das gleich nochmal den Marktwert für den nächsten Kampf.
Dillashaw nur zweite Wahl
Schlimm ist es nur, wenn man beim Publikum überhaupt nicht ankommt, denn dann wird es auch schwierig, Kämpfe aufzubauen. Sagen wir es, wie es ist: Wenn Renan Barao gegen T.J. Dillashaw kämpft, hat das für die meisten Fans quasi keine emotionale Relevanz.
Baraos Qualitäten sind unbestritten - es gibt einen Grund, warum er gegen T.J. Dillashaw vom Team Alpha Male mit 8:1 favorisiert wird. Wenig hilfreich ist auch, dass der amerikanische Herausforderer nur zweite Wahl war. Eigentlich hätte Raphael Assuncao, der Dillashaw Ende 2013 nach Punkten besiegte, den Kampf bekommen sollen. Der verletzte sich aber im Training an den Rippen.
Dillashaw gilt als eines der besten rohen Talente im MMA-Sport. Er ist vielseitig und hat mit Urijah Fabers Team Alpha Male eines der besten Trainingslager der Welt um sich. Gleichzeitig wird man das Gefühl nicht los, dass er in den wichtigsten Kämpfen zu einer Ladehemmung neigt. Er verlor im Finale von TUF 14, in dem er hoch favorisiert war, gegen John Dodson und wurde, als es ursprünglich um den Titelkampf ging, von Assuncao knapp ausgepunktet.
T.J. Dillashaw hat das Können und das Potential, gegen Barao eine gute Figur abzugeben. Niemand ist unschlagbar, auch nicht Renan Barao. Doch genügt das, um einen Titelkampf zu verkaufen?
Henderson trifft auf Cormier
Auf viel breiteres Interesse in der Fangemeinde stoßen die beiden anderen Hauptkämpfe. Die 43-jährige UFC-Legende Dan Henderson will die Uhr noch einmal zurückdrehen, wenn er gegen den ersten designierten Herausforderer im Halbschwergewicht des Jahres 2015, Daniel Cormier, ins Octagon steigt.
Nach drei Niederlagen in Folge, in denen Henderson sukzessive schlechter aussah, konnte er im März den Rückkampf gegen Mauricio "Shogun" Rua durch einen spektakulären Knockout für sich entscheiden, nachdem er selbst gegen den Brasilianer mehrfach zu Boden gegangen war.
Niemand verkörpert "One-Punch-Knockout-Power" im Halbschwergewicht so sehr wie der zweimalige Olympionike Dan Henderson. Seine größte Schwäche ist jedoch, dass er sich seit Jahren nur noch auf seine Fäuste verlässt und sein olympisches Ringen allenfalls defensiv nutzt, um den Kampf im Stand zu halten.
Jünger, massiger, schneller
Cormier schnitt bei den Olympischen Spielen acht beziehungsweise zwölf Jahre nach Henderson noch besser ab als der Kalifornier und holte sich 2004 den vierten Platz. Er ist jünger, massiger, schneller und verfügt auch über K.o.-Power. Auf dem Papier würde man erwarten, dass Cormier die besseren Karten hat und den Kampf ohne Probleme für sich entscheiden können wird.
Doch wenn uns die letzten fünf Jahre etwas gelehrt haben, dann ist es dies: Zähle Dan Henderson nie aus. Ein Treffer kann alles drehen - und das macht den Kampf spannend.
Lawler: Der Mann mit Beton in den Fäusten
Ein anderer Veteran, Robbie Lawler, hat im Weltergewicht in letzter Zeit auch den besten Lauf seiner Karriere. Der sich nun in seinem 15. Profijahr befindende Ringer mit Beton in den Fäusten hätte sich vor zwei Monaten um ein Haar die Weltmeisterschaftskrone gegen Johny Hendricks gesichert und steht momentan verdient an Platz 1 der offiziellen UFC-Rangliste.
Sein Gegner, Jake Ellenberger, steht Lawler prinzipiell in nichts nach. Auch er hat sehr gute ringerische Fähigkeiten, und sein Striking hat zuletzt Namen wie Jake Shields und Nate Marquardt vor unlösbare Probleme gestellt. Doch nach einer bitteren Punktniederlage gegen Rory MacDonald vor zehn Monaten steht Ellenberger am Scheideweg seiner Karriere.
Er gehört nicht zu den Kämpfern, die ins Octagon steigen, weil sie gern kämpfen. Sein Ziel ist ein Titelkampf, und wenn er bei UFC 173 gegen Robbie Lawler verliert, rückt dieser mit Niederlagen gegen die #1 und #2 der Gewichtsklasse in schier unerreichbare Ferne. Für ihn ist ein Sieg somit Pflicht, und er wird alles geben, um Lawlers Jungbrunnen zum Versiegen zu bringen.
Außerdem bei UFC 173:
- Der frühere WEC Weltmeister Jamie Varner steht pünktlich zum 2. Jahrestag seines sensationellen Comebacks gegen Edson Barboza wieder im Octagon. Diesmal geht es gegen den Aufgabegriffspezialisten James Krause, der sich nach seiner ersten Niederlage in drei Jahren gegen Varner zu rehabilitieren gedenkt.
- Takeya Mizugaki hat gegenwärtig in der UFC einen richtig guten Lauf, den er gegen Francisco Rivera aufs Spiel setzen wird. Rivera war in der Vergangenheit dafür bekannt, unter Druck gelegentlich zusammenzuklappen, was der extrem disziplinierte Japaner für sich nutzen könnte.
- Der TUF15-Sieger Michael Chiesa kehrt nach einer Verletzungspause gegen Francisco Trinaldo ins Octagon zurück - eine lösbare Aufgabe für den Amerikaner. Trinaldos beste Chance gegen Chiesa bleibt dessen manchmal unkontrollierter Kampfstil, den ein Allrounder wie er zu seinem Vorteil nutzen kann. Ansonsten macht er keinen Stich.
UFC 173: Barao vs. Dillashaw wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag ab 4 Uhr auf UFC.tv übertragen. Die Vorkämpfe starten um 00:30 Uhr auf exklusiv bei UFC Fight Pass auf UFC.tv.