SPOX: Herr Neureuther, nach einem Bandscheibenvorfall im Frühjahr mussten Sie auf Grund einer Grippe auf den Saisonstart in Sölden verzichten. Ziehen Sie solche Rückschläge an?
Felix Neureuther: Ich hatte in meiner Karriere nur eine einzige verletzungsfreie Saisonvorbereitung. Aber das ist nun einmal so im Skisport, der sehr körperbetont ist.
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SPOX: Sie haben Ihr Training nach den Rückenproblemen umgestellt. Was hat sich verändert?
Neureuther: Nach dem Bandscheibenvorfall musste ich einfach etwas ändern. Ich trainiere jetzt mehr über Umfänge und weniger über Gewicht. Viele Wiederholungen bei leichterer Belastung. Das Augenmerk liegt auf Bauch und Rücken. Und ich mache jeden Tag spezielle Übungen. Bevor ich die einzelnen Übungen ausführe, muss ich immer genau darauf achten, dass der Rücken stabilisiert ist.
SPOX: Das klingt sehr aufwendig.
Neureuther: Ich will das, was ich im Frühjahr hatte, auf gar keinen Fall noch einmal haben. Wenn man sein Bein auf einmal nicht mehr nach vorne ausstrecken kann, begreift man sehr schnell, das man etwas tun muss. Da macht man solche Übungen sehr gerne. Ich stehe einfach jeden Tag 20 Minuten früher auf und mache die Übungen gleich im Bett. Nicht, dass es beim Aufstehen gleich wieder in den Rücken schießt.
SPOX: Lassen sich schon Fortschritte feststellen?
Neureuther: Diese Übungen sind ganz speziell und haben nichts mit Kraft zu tun. Es geht darum, den ganzen Rücken einmal durchzubewegen. Eine Bandscheibe ist wie ein Schwamm, und wenn sie nachts nicht bewegt wird, sammelt sich Wasser an. Deshalb passieren 70 Prozent der Bandscheibenvorfälle am Morgen. Der Druck muss raus aus dem Rücken. Dann ist die Gefahr auch geringer, dass man sich etwas tut.
SPOX: Denken Sie noch oft an die Verletzung?
Neureuther: Die Verletzung ist draußen aus dem Kopf. Komplett raus aus der Birne. Wenn man mich im Training fahren sieht, weiß man das.
SPOX: Das klingt nach perfekten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Winter.
Neureuther: Es hat sich schon viel verändert. Ich merke einfach, dass das Vertrauen wieder zurückgekommen ist. Letztes Jahr war sicherlich schwierig und keine einfache Situation für mich, auch über die ganze Saison hinweg gesehen. Aber zum Schluss ist ja alles noch versöhnlich ausgegangen und hat sich einigermaßen zum Guten gewendet.
SPOX: Also haben Sie auch aus einer schlechteren Saison etwas Positives gezogen.
Neureuther: Ich bin ja immerhin nach wie vor die Nummer zwölf im Slalom auf der Welt. Trotz einer schlechten Saison. Aber daran kann man sehen, dass auch in wirklich schwierigen Situationen immer noch etwas aus sich herauszuholen ist. Einfach nie aufhören, nie aufgeben. Das habe ich daraus gelernt.
SPOX: Ist es nicht schwierig, sich nach einer Verletzung immer wieder zu motivieren?
Neureuther: Es nützt ja nichts, herumzujammern und zu sagen: Ich bin so arm, mein Rücken tut so weh. Man muss immer nach vorne schauen und positiv denken. Meiner Meinung nach haben auch die letzten Jahre gezeigt, dass dieser Weg der richtige ist. Es hat nie etwas geholfen, alles in sich hineinzufressen. Man muss überall das Beste rausholen.
SPOX: Dann war auch die Rückenverletzung nicht umsonst.
Neureuther: Sogar aus meinem Bandscheibenvorfall ziehe ich etwas Positives. Ich muss jetzt anders trainieren und habe so meinen ganzen Körper in Schwung gebracht. Dadurch konnte ich andere kleine Verletzungen ausmerzen. Und auch in Bezug auf meine Grippe: Wer weiß, ob es gut gewesen wäre, wenn ich in Sölden hätte starten können. Dann fährt man nicht gut, kriegt einen auf den Sack und steht total verunsichert in Levi am Start.
SPOX: Trotzdem haben Sie das erste Saisonrennen verpasst.
Neureuther: Natürlich war das auch körperlich ein Rückschritt. Aber andererseits war es auch mal interessant, im Fernsehen zu sehen, wie sich die Jungs da runter knüppeln. Da merkt man auch wieder, wie hart man arbeiten muss. Das hat mich total motiviert. Den kompletten zweiten Durchgang saß ich auf dem Rad. Ich habe noch den ganzen Sonntag trainiert.
SPOX: Sie arbeiten seit dieser Saison mit einem neuen Trainerteam zusammen. Sind schon Veränderungen auszumachen?
Neureuther: Durch die neuen Trainer sind wir alle ein bisschen näher zusammengerückt. Die Weltmeisterschaften in Garmisch 2011 sind unsere große Vision, unser großes Ziel. Wir wollen dort als Mannschaft stark auftreten. Dazu ziehen wir alle an einem Strang und das merkt man auch schon. Die Trainer stehen voll hinter uns.
SPOX: Wie macht sich das bemerkbar?
Neureuther: Mir macht das Skifahren gerade unheimlich viel Spaß. Und genau so soll es auch sein. Diesen Spaß hatte ich in der vergangenen Saison manchmal schon ein bisschen verloren. Da war keiner, der mich mal ein bisschen aufgebaut und den Rücken gestärkt hat. Das habe ich ein wenig vermisst. Aber dieses Jahr ist das definitv anders.
SPOX: Können Sie das genauer erklären?
Neureuther: Mein Trainer Manni Weiderer bringt unheimlich gute Stimmung rein. Albert Doppelhoffer ist eher so der Toughe, der einem so richtig in den Hintern tritt. Das tut mir auch hier und da sehr gut. Jeder hat seine Aufgabe und erledigt sie zu hundert Prozent. Alle stehen hinter einem und das merkt man an unserer Leistung.
SPOX: Das Umfeld ist also auch beim Skisport sehr wichtig.
Neureuther: Unser Umfeld stimmt und das ist ganz, ganz wichtig. Beim Fußball ist es doch auch so: Wenn ein Trainer ein perfektes Umfeld schafft, in dem sich die Spieler wohlfühlen und die Symbiose zwischen anspruchsvollem Training und gutem Klima stimmt, dann funktioniert die ganze Mannschaft. Jeder Spieler für sich wird besser.
SPOX: Apropos besser: Wer sind denn Ihre Favoriten in diesem Olympia-Winter?
Neureuther: Das sind immer die üblichen Verdächtigen. Ich persönlich schätze Cuche in Bezug auf den Gesamtweltcup und Olympia extrem stark ein. Ligety ist bei Großereignissen immer unberechenbar und Neureuther wird auch ein Wörtchen mitreden. Da gibt es noch so viele: Grange, Lizeroux und wie sie alle heißen. Auch Pranger und Raich. Gerade die Slalom-Konkurrenz ist extrem stark.
SPOX: Welchen Stellenwert haben die Olympischen Spiele für Sie?
Neureuther: Die Olympischen Spiele sind für jeden Sportler das Größte. Dementsprechend werde ich Gas geben und alles dafür tun. Eine Medaille ist mein Traum und das größte Ziel, die große Vision. Und wenn sich das erfüllt, wäre das wirklich gigantisch.
SPOX: Haben Ihre Eltern noch großen Einfuss auf Ihre Karriere?
Neureuther: Meine Eltern werden immer viel mitreden. Aber ich bin mein eigener Mensch und habe mich schon aus sehr großem Mist selber wieder herausgezogen. Mittlerweile weiß ich, wie ich mit schwierigen und unangenehmen Situationen umgehen muss.
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