Nur die Kamele fehlen

Andreas LehnerPhilipp DornheggeFlorian Bogner
08. April 201113:47
Ein seltener Höhepunkt: SPOX-Redakteur Andreas Lehner steigt zum Schmetterball hochspox
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Was ist Snowvolleyball? Die SPOX-Redakteure Philipp Dornhegge und Andreas Lehner wagten sich auf 2000 Metern Höhe in den Schnee und erlebten ein sportliches Fiasko - aber auch ein perfekt organisiertes Event, lässige Veranstalter und eine große Party.

12:17. Wie konnte das passieren? Stand doch gerade noch 12:9 für uns. Aber noch ist nicht Schluss, also weiter: 13:17. Jetzt eine Aufschlagserie, hat heute schon einmal gut geklappt. Aufschlag Team SPOX, Dornhegge tritt an. Meilenweit ins Aus. Das war's.

Für den Rest des Matches ist unser Spiel wie das Wetter: düster, grau und ohne Aussicht auf Besserung. Die Wolken hängen tief an diesem Freitagmorgen auf knapp 2000 Metern Höhe am Grießenkar in Wagrain. Es regnet.

Nur die aus den Boxen dröhnende Party-Musik und die gute Laune der Kommentatorin lassen darauf schließen, dass am Samstag an gleicher Stelle Tausende Menschen beim Snowvolleyball Grand Slam powered by Amway eine große Party feiern werden.

Aus gegen "einen 17-Jährigen und ein Mädchen"

Snowvolleyball. Das ist in der einfachsten Erklärung: Beachvolleyball auf Schnee. Am besten in Fußballschuhen. Beim Hauptturnier wird das Team SPOX allerdings nur als Zuschauer dabei sein, die Qualifikation läuft desaströs: 14:21 geht der erste und einzige Gewinnsatz verloren. Raus in der ersten Runde.

"Jetzt wissen wir, wie sich Rainer Schüttler immer fühlt", wird mit Galgenhumor gewitzelt. Aber irgendwie doch nicht. Schließlich tritt der nicht gegen einen 17-Jährigen und eine 19-Jährige an. Immerhin ist er, Georg, Triathlet und aufgrund seiner Statur für den Volleyballsport geeignet. Sie, Judith, spielt im Verein.

Trotzdem schmerzt die Niederlage. Nicht weniger als der Turniersieg wurde in der Heimat von der Redaktion erwartet. Zugegeben, ein utopisches Ziel. Schließlich treten wir in der Qualifikation gegen elf andere Teams an - darunter die slowenischen U-20-Beachvolleyballmeister Ance Bahc und Dadey Bozenk.

Die Frage, ob man hier wirklich noch von einem "Wildcard Amateur Turnier" sprechen kann, bleibt offen. Für das Endturnier am Samstag sind zehn aktuelle und ehemalige Profi-Spieler eingeladen. Nur sind wir gegen "einen 17-Jährigen und ein Mädchen" ausgeschieden, wie unser SPOX-Kollege Florian Bogner nicht müde wird zu betonen.

Niederlage schönreden - und ab an die Bar

Da helfen nur zwei Sachen: die Blamage schönreden (siehe Video!) und ab an die Bar. Wieder treffen wir auf Judith und Georg, Team Lungau 1. Judith war im vergangenen Jahr schon am Start, damals schied sie in der ersten Runde aus, sie kennt unser Schicksal.

"Zu viel Schnaps", sagt sie grinsend und bestellt gleich eine Runde. Immerhin: "Dieses Jahr war's weniger." Weniger! Nicht gar nix, nur weniger. Herrje, das wird ja immer schlimmer. Einer geht noch. "Danke, dass ihr unsere Gegner ward's." Die zweite Runde geht auf uns.

Am Tisch nebenan sitzt Sebastian Tatra: österreichischer Ex-Profi und jetzt Trainer im Leistungszentrum in Graz. Er hat unser Leid mitbekommen und kennt unsere Gegnerin schon aus dem Vorjahr.

"Der Unterschied zwischen Sand und Schnee ist nicht so groß. Aber es gibt halt ein paar Faktoren, die die Flugbahn des Balles verändern: die Höhe, die leichteren Bälle und der Wind", sagt Tatra. Das sollten wir uns für das Schönreden in der Redaktion merken.

Sebastian Tatra - der Showman

Am Abend auf der "Players Party" wird Tatra mit dem ehemaligen Generali-Haching-Profi Patrick Schwaack zusammengelost. Beide kennen sich gut, sind befreundet und haben auch im letzten Jahr schon zusammengespielt. Sie scheiterten an den späteren Siegern im Halbfinale. Dieses Jahr wollen sie mehr.

Tatra und Schwaack im Doppel-Interview: "Fußballschuhe sind das Beste"

"Er ist halt ein Showman", sagt Veranstalter Martin Kaswurm über Tatra. Einer, der für so ein Turnier unverzichtbar ist. Nie um einen Spruch verlegen, immer die Zuschauer animierend. Und er lässt keine Party aus.

Im vergangenen Jahr stieg er als erster Spieler in den Whirlpool, der auch dieses Mal oben am Grießenkar aufgebaut ist. Bis dahin hatte sich nur eine Blondine getraut: Judith. Daher kennen sich die beiden.

Organisator Kaswurm: Extravaganz ist Trumpf

Aktionen wie diese wünscht sich Kaswurm für sein Event. Zwar hat er dem Snowvolleyball Grand Slam durch die hochkarätige Besetzung einen sportlich professionellen Anstrich verpasst, aber erst der Mix mit "Apres Ski und Ramba Zamba" verleiht der Veranstaltung sein Flair.

"Wenn du so was machen willst, brauchst du was Extravagantes. Da brauchst du Helikopter, Palmen, da brauchst du Kamele."

Kaswurm steht in der "Haar-Trog-Alm", einer recht modern wirkenden Holzhütte am Fuße des Berges. Ein schmächtiger Kerl in Jeans, großkariertem rot-weißem Hemd und Chucks. Sein Gesichtsausdruck changiert irgendwo zwischen Spitzbübigkeit und Draufgängertum. Beides braucht er für den "365-Tage-Job" eines Eventveranstalters.

Wagrain: Äquivalent zu Klagenfurt

In Salzburg studiert der 24-Jährige Event-Management. Zusammen mit Veit Manninger, 32, betreibt er die Firma "Chaka2". Sie organisieren Sport- und Musikveranstaltungen. "Nach dem Pareto-Prinzip", wie er meint. Sie konzentrieren sich auf Großereignisse.

Er bestellt Radler. "Mehr geht heute nicht. Aber das holen wir morgen auf der 'Champions Party' nach."

In Wagrain will Kaswurm auf Schnee das etablieren, was Klagenfurt auf Sand ist - das Mekka des Beachvolleyballs. Sein Traum: "Jeder Österreicher soll wissen: am ersten Wochenende im April steigt in Wagrain eine Riesen-Party beim Snowvolleyball."

"Da is koa Oarsch dabei"

Als er mit Georg Klampfer, 26, vor drei Jahren die Idee entwickelte, hatte er mit der rasanten Entwicklung nicht gerechnet.

Im ersten Jahr kamen 1000 Zuschauer, im zweiten 2000, damals profitierte die Veranstaltung von den Ski-Touristen an Ostern. In diesem Jahr lautete die offizielle Zuschauerzahl 2200. Viel mehr Einheimische konnten sich für das Spektakel an der Bergstation begeistern.

"Unser Grundgedanke ist, auch die buchungsschwachen Zeiten anzuheizen", sagt Kaswurm. Deshalb kann er sich auch der Unterstützung der ortsansässigen Betriebe und der Region Salzburg sicher sein - was nicht selbstverständlich ist.

Doch in Wagrain ziehen alle am selben Strang. "Da is koa Oarsch dabei", sagt Martins Schwester Karin Kaswurm, die beim Snowvolleyball Grand Slam für die Pressearbeit zuständig ist.

Snowvolleyball in Dubai?

Und so hat Kaswurm mit seinen Kollegen innerhalb kürzester Zeit ein sportliches Party-Event auf die Beine gestellt, das Investitionen im sechsstelligen Bereich verlangt. Ihr nächstes Ziel ist eine Snowvolleyball-Tour.

Dass ausgerechnet in Dubai der erste Ableger gedeihen soll, wirkt surreal. Trotzdem hat das Emirat bereits seine schriftliche Zusage für ein Snowvolleyball-Turnier 2012 in einer seiner Schneehallen gegeben.

Vom Wetter ist das Wohl der Veranstaltung dort nicht abhängig. Ende April fliegt Kaswurm mit seinen Partnern an den Persischen Golf, um die letzten Details zu klären.

Auf einmal ist Sommer

Auch in Wagrain herrscht am Samstag, dem Hauptturniertag, Kaiserwetter. Blauer Himmel, strahlender Sonnenschein, rund 20 Grad. Der Court liegt wie in einem griechischen Theatron eingebettet zwischen zwei Berghütten.

Das Turnier ist sportlich hochklassig und auch abseits ein voller Erfolg. Die Tribünen sind ebenso voll wie die Sonnenterrassen. Es gibt Hubschrauberflüge und Fallschirmsprünge, in der VIP-Lounge wird Champagner ausgeschenkt. Palmen und Whirlpool wirken auf 2000 Meter überhaupt nicht fremd. Auf einmal ist Sommer. Nur die Kamele fehlen.

Das Verhältnis zum Schnee verschiebt sich. Eis und Kälte ist aktuell keine Assoziation. Spieler hechten oberkörperfrei durch den Schnee, Cheerleader tanzen in kurzen Lederhosen und die Sonnencreme ist teures Gut. Der Unterschied zwischen Schnee und Sand, zwischen Piste und Strand, verwischt.

Kaswurm und sein Team haben auf dem Gipfel jetzt schon eine Parallelwelt zum Dorfleben in Wagrain während der Nachsaison erschaffen. Es ist laut und hektisch, aber gleichzeitig unbeschwert und entspannt.

Erfolgserlebnis für SPOX: Ein Punkt gegen die Profis

Das Turnier gewinnt am Ende das österreichisch-slowenische Duo Andre Hitzenbichler und Danijel Pokersnik. Ihr Pokal ist ein Hirschgeweih, ein echter Zwölfender.

Und das Duo Tatra/Schwaack? Sie scheinen vom SPOX-Fluch befallen zu sein. Eine Stunde vor Turnierbeginn ist das Team SPOX zum Warmmachen mit den beiden Profis verabredet.

Wir schlagen uns gut, zumindest besser als am Tag zuvor. Dass wir chancenlos sind, steht außer Frage. Aber wir machen einen Punkt - per Netzroller.

"Ihr habt Euch redlich bemüht, ward sehr aufgeregt und wissbegierig. Ihr habt's euch voll reingehauen und seid den Bällen sehr vorbildlich hinterher gesprungen", sagt Schwaack. "Mit der richtigen Einstellung und dem richtigen Engagement kann man eben auch den ein oder anderen technischen Mangel wett machen."

"Aber um uns zu schlagen, hätten wir gestern dann doch noch ein bisschen länger feiern müssen", lacht er. Es sollte das letzte Erfolgserlebnis für die beiden Profis gewesen sein. Es folgen drei Niederlagen und das Aus ohne einen einzigen Sieg. Da hilft nur eins: Schönreden und ab an die Bar.

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