Als Viktoria Rebensburg sich noch ein bisschen über ihren zweiten Rang ärgerte, war Maria Höfl-Riesch mit missmutiger Miene schon über alle Berge. "Ich bin nicht zu Tode betrübt, weil es hier nicht gleich geklappt hat", hatte die Gesamtweltcupsiegerin nach ihrem missratenen Auftaktrennen der neuen Saison behauptet, ihre Stimmung aber dürfte nach dem Riesenslalom auf dem Rettenbachgletscher im österreichischen Sölden gleich doppelt gedämpft gewesen sein.
Höfl-Riesch belegte lediglich Rang 24 - ihrer einstigen Freundin Lindsey Vonn aus den USA gelang dagegen vor Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg und Elisabeth Görgl aus Österreich ein historischer Sieg. "Man sollte das Ergebnis nicht überbewerten", sagte Höfl-Riesch. Es habe sich in der Vergangenheit ja gezeigt, dass Läuferinnen, die im ersten Rennen nicht vorne dabei sind, trotzdem noch eine gute Saison fahren können, "und es hat's auch schon gegeben, dass Läuferinnen, die hier gewinnen, dann die ganze Saison nicht mehr aufs Podium kommen."
Höfl-Riesch enttäuscht, Rebensburg Zweite
Nein, betonte Höfl-Riesch, dieses erste Rennen sei nicht richtungweisend, allerdings räumte sie selbstverständlich auch ein: "Natürlich ist man enttäuscht, wenn es nicht nach Wunsch läuft." Es lief nicht wie erhofft, weil Maria Höfl-Riesch schlecht Ski fuhr, im zweiten Lauf war sie nach einem Patzner fast zum Stehen gekommen.
Umso besser fuhr Viktoria Rebensburg, auch wenn die Olympiasiegerin sich hinterher erst ein wenig ärgerte, nur 0,04 Sekunden langsamer als Lindsey Vonn gewesen zu sein. Die 22 Jahre alte Weltcupgewinnerin des vergangenen Winters war drauf und dran, ihren Vorjahressieg auf dem Rettenbachgletscher zu wiederholen, bei der letzten Zwischenzeit lag sie 0,80 Sekunden vor Vonn, dann aber schmolz der Vorsprung auf den letzten 12 Fahrsekunden im Flachstück vor dem Ziel dahin.
"Das ist schon ärgerlich", sagte Sportdirektor Wolfgang Maier mit einem milden Lächeln, betonte aber auch: "Sie hat ein starkes Rennen gezeigt. Beim Opening auf dem Podium zu sein, ist okay!"
Vonn schafft als 5. Läuferin den Grand Slam
Für Maria Höfl-Riesch entbehrte der Sieg von Lindsey Vonn in mehrfacher Hinsicht nicht einer gewissen Pikanterie. Vor der Saison hatte sie sich unter anderem zum Ziel gesetzt, mit dem Gewinn eines Riesenslaloms eine Art Grand Slam zu komplettieren - also mindestens einen Sieg in jeder der fünf alpinen Disziplinen zu haben.
Nun aber ist Lindsey Vonn die erst fünfte Läuferin nach Petra Kronberger (Österreich), Janica Kostelic (Kroatien) sowie Anja Pärson und Pernilla Wiberg (beide Schweden), der dies mit ihrem ersten Riesenslalom-Erfolg gelungen ist. "Das ist mehr, als ich je erhoffen konnte", sagte die 27 Jahre alte Amerikanerin lächelnd.
Wieder einmal hatte Lindsey Vonn außerdem hoch gepokert. Die Amerikanerin fuhr einen Ski, mit dem sonst Männer im Riesenslalom antreten, er entspricht bereits den Maßen, die ab der kommenden Saison für die Frauen vorgeschrieben sind. Der Ski ist länger, somit in Flachstücken schneller, und auch deshalb fuhr Vonn auf den letzten Metern des Rettenbachgletschers Rebensburg auf und davon.
"So einer Läuferin muss man absolut Respekt zollen"
"Lindsey traut sich halt auch einfach, so etwas auszuprobieren", sagte DSV-Sportdirektor Maier anerkannend und ergänzte: "So einer Läuferin muss man absolut Respekt zollen. Sie ist gut Ski gefahren, sie hat sich getraut und sie hat verdient gewonnen."
Während Maier der enttäuschenden und enttäuschten Maria Höfl-Riesch zugestand, dass auch sie mal das erste Rennen "in den Sand" setzen dürfe, fand er lobende Worte für die deutsche Nachwuchskräfte.
"Das Ergebnis ist okay"
Lena Dürr (Germering) fuhr als 13. zur zweitbesten Platzierung ihrer Karriere, Barbara Wirth (Lenggries) gelang ihr bestes Weltcup-Resultat überhaupt.
"Das Ergebnis ist okay", sagte Maier mit zufriedener Miene. Maria Höfl-Riesch dürfte das anders sehen.
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