Neuner hoch im Kurs - für Greis wird es ganz eng

Liane Killmann
01. Februar 201214:35
Magdalena Neuner, Tina Bachmann, Miriam Gössner und Andrea Henkel holten 2011 WM-StaffelgoldGetty
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Oberhof, Nove Mesto, Antholz - die Januar-Serie der Biathleten ist gelaufen. Zeit, den Blick auf die anstehende Heim-WM in Ruhpolding (29. Februar bis 11. März) zu richten. SPOX nimmt die Formkurven der DSV-Athleten unter die Lupe: Von Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner über Spätstarter Andy Birnbacher bis zum Sorgenkind, Dreifach-Olympiasieger Michael Greis. Dabei wird klar, warum die Damenstaffel in diesem Jahr meilenweit entfernt ist von ihrer traditionellen Favoritenrolle.

Magdalena Neuner

"Gold-Lena" geht als Top-Favoritin in ihre letzte WM, Konkurrenten wie Fans müssen sie in allen Rennen auf der Rechnung haben. In Nove Mesto gab es von Neuner in Sachen Laufleistung entgegen ihrer Natur gar eine echte Ansage: "Läuferisch bin ich sehr zufrieden, aber ich weiß, dass es auch noch ein bisschen besser geht."

In der Loipe hängt sie regelmäßig (fast) das komplette Feld ab. Der Beweis: Zwei Drittel aller Rennen der laufenden Saison beendete sie mindestens als Drittschnellste. In jedem zehnten setzt sie die Bestzeit.

Mit einer Trefferquote von 84 Prozent ist Neuner in diesem Winter mit der Waffe so stark wie nie zuvor. Ihre 91 Prozent im Liegendanschlag sind eine sensationelle Marke. Lieferte jedoch auch den Aussetzer des Jahres, als sie in Nove Mesto vier Schüsse (alles Treffer) auf die falschen Scheiben abgab. Das passiert ihr in Ruhpolding sicher nicht noch einmal.

Dass die Doppel-Olympiasiegerin mit dem zu erwartenden Rummel vor der eigenen Haustür umgehen kann, bewies sie, als sie direkt nach ihrer Rücktrittsankündigung den Sprint in Hochfilzen gewann.

Prognose: Dass Neuner sechs Medaillen holen kann, ist tatsächlich möglich, wenn sie ihre überragende Form in die WM rettet. Die Farbe der Plaketten ist jedoch eine Frage der Tagesform. Die wackeligste Disziplin ist derzeit gegen jede Tradition die Staffel.

Andrea Henkel

Die Heim-WM ist nicht alles für Andrea Henkel. So kann man die Ankündigung der 34-Jährigen, noch bis Sotschi 2014 weiterzumachen, auch verstehen. Henkel kehrt aber mit besten Erinnerungen nach Ruhpolding zurück. Gleich vier Mal landete sie bei der Generalprobe, dem Weltcup 2011, auf dem zweiten Platz: in Massenstart, Einzel, Sprint und der abschließenden Verfolgung.

In der Saison ist sie bislang hinter der überragenden Neuner klar die Nummer zwei. Das liegt vor allem an den schwächelnden Teamkolleginnen Miriam Gössner und Tina Bachmann. Denn herausragende Ergebnisse hat Henkel bisher nur vereinzelt abgeliefert. Vier Resultate (ohne die Staffeln) zwischen Rang drei und sechs stehen zu Buche.

Zuletzt pausierte die Doppel-Olympiasiegerin wegen einer Entzündung am Fuß, beim Massenstart in Antholz (13.) schien die Blessur aber überstanden.

Prognose: Hält der Fuß, geht Andrea Henkel als Top-Ten-Kandidatin in jedes WM-Rennen. Die Staffel braucht sie in Topform, um mit Russland und den Französinnen mithalten zu können.

Miriam Gössner und Tina Bachmann

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Dank ihrer Fehlschuss-Orgien trifft auf die Stimmung der beiden Skijägerinnen meist Letzteres zu. Dabei wären sie Siegkandidatinnen, wenn die Scheiben doch nur häufiger fallen würden.

Die 21-jährige Gössner hat sich auf niedrigem Niveau in ihren Schießleistungen im Vergleich zur Vorsaison noch verschlechtert. Liegend sank ihre Trefferquote von 80 auf sage und schreibe 60 Prozent, insgesamt stehen 64 Prozent (Vorjahr: 68) zu Buche.

Bei der 25-jährigen Bachmann scheint alles eine Frage der Nerven zu sein. Mit 75 Prozent Trefferquote liegt sie eine Klasse über Gössner. Bachmann scheitert aber vor allem in den Situationen grandios, in denen sie sich Hoffnungen auf ein gutes Ergebnis machen darf.

So zum Beispiel in Führung liegend als Schlussläuferin der Staffel in Antholz (zwei Strafrunden), oder aber im Sprint von Östersund (27. nach vier Fehlern, drei davon stehend), beim Massenstart in Oslo (14. nach sechs Fehlern, fünf davon stehend) oder im Einzel von Nove Mesto (31. nach fünf Fehlern, vier davon stehend). Die Liste ließe sich locker fortsetzen.

Prognose: Zwei Überraschungstüten. Können dank ihrer Top-Laufzeiten schon mit "nur" zwei Fehlern auf zehn Schuss ganz oben dabei sein, sich aber jederzeit auch problemlos aus den besten 50 Athleten katapultieren. Müssen die ausstehenden beiden Weltcup-Stationen nutzen, um mental stärker zu werden, wenn es an die Waffe geht. Eine von beiden muss neben Franziska Hildebrand in der Staffel auflaufen.

Teil II: Ein neuer Siegläufer, der Weltmeister und ein schwächelnder Olympiasieger

Der Biathlon-Kalender 2012

Andreas Birnbacher

Birnbacher läuft seine stärkste Saison. Nach nur einem Sieg in den sieben Jahren zuvor, triumphierte er in diesem Winter schon drei Mal. Seine klar beste Disziplin: der Massenstart.

Birnbacher trifft in dieser Saison mit durchschnittlich 83 Prozent seiner Schüsse ins Schwarze. Zwar war diese Quote bei ihm sogar schon einmal höher, doch in der Loipe ist der 30-Jährige stark wie nie. Liefert seit neuestem Top-Laufzeiten ab.

Prognose: In Ruhpolding ist für Birnbacher (gegen jede Wette vor der Saison) alles möglich.

Arnd Peiffer

Es läuft noch nicht rund für den 24-Jährigen in diesem Jahr, darüber kann auch der Sprintsieg in Oberhof nach der Weihnachtspause nicht hinwegtäuschen. Bis zu Rang 46 (Sprint Mitte Dezember in Hochfilzen) war schon alles drin in diesem Winter. Unerwartet ist Peiffer (10.) hinter Birnbacher (3.) im DSV-Team derzeit nur die Nummer zwei.

Doch zuletzt lief es sowohl beim Schießen als auch auf der Strecke deutlich besser für Peiffer. In der Verfolgung von Nove Mesto lieferte er als Zweiter in der Verfolgung Laufbestzeit ab, den Fourcade-Brüdern Martin und Simon sowie den Norwegern Tarjei Boe und Emil Hegle Svendsen zum Trotz.

Unerklärlich jedoch zuletzt der Einbruch in der Höhe von Antholz. Nach dem zehnten Treffer lag Peiffer im Sprint mit Siegchancen auf Rang zwei, lief dann aber "blau" und fiel noch auf den sechsten Platz zurück.

Prognose: Vor allem im Sprint ist der Weltmeister in dieser Disziplin ein heißer Tipp. Schließlich hat Peiffer seine fünf Weltcup-Siege ausschließlich in seiner Paradedisziplin eingefahren.

Florian Graf

Der 23-Jährige spaziert durch seine erste komplette Weltcupsaison, als sei es nichts. Ganz stark! Mit seinen ersten Top-Ten-Platzierungen in Hochfilzen holte er die Kohlen für die DSV-Herren aus dem Feuer. Im Sprint von Oberhof und dem Einzel von Nove Mesto bestätigte Graf mit jeweils Rang sieben die guten Leistungen vom Saisoneinstand.

Der Youngster muss die anstehenden Wettbewerbe nutzen, um seine Laufform zu verbessern. Am Schießstand ist er eh eine Bank.

Prognose: Im WM-Team gesetzt, ganz klar ein Kandidat für die Staffel. Kann in schießlastigen Wettbewerben überraschen, ein Siegläufer ist Graf aber noch nicht.

Michael Greis

Für Michael Greis ist die WM in weite Ferne gerückt. Der Dreifach-Olympiasieger verpasst wegen eines grippalen Infekts den Weltcup in Oslo (2. bis 5. Februar). Stattdessen steht Aufbautraining in Ruhpolding auf dem Programm. Zuvor hatte Greis eine Woche mit dem Training aussetzen müssen. Es ist nicht der erste Rückschlag für den 35-Jährigen in dieser Saison.

Bereits vor seiner Erkrankung hinterließ der Routinier das größte Fragezeichen im deutschen Lager. Nach einer Sprunggelenks-OP (Syndesmose-Ruptur mit knöchernem Ausriss) am 18. August trug Greis Gips, musste sechs Wochen mit dem Training aussetzen. Zu lang! Denn zum Auftakt in Östersund sprang gerade einmal Rang 32 im Einzel heraus. Die Ergebnisse besserten sich leicht, doch nur einmal knackte Greis die Top Ten. Soll heißen: Bisher steht lediglich die halbe WM-Norm auf der Habenseite.

In Hochfilzen vor Weihnachten dann der Tiefpunkt: Platz 53 im Sprint. Greis zog nach dem Showrennen auf Schalke die Reißleine, ließ Oberhof und Nove Mesto sausen. Wer nun gehofft hatte, Greis käme in Antholz runderneuert in den Weltcup zurück, sah sich getäuscht. Rang 32 im Sprint, es lief also keinen Deut besser als zum Saisonauftakt.

Und nun auch noch das überraschende Aus für Oslo. Damit bleibt Greis noch genau ein Weltcup (10. bis 12. Februar im finnischen Kontiolahti) und drei Rennen (Sprint, Verfolgung und Mixed-Staffel), um sich durch einen zweiten Top Ten Platz die WM-Norm zu sichern.

Trainer Fritz Fischer deutete am Rande der Rennen Antholz eine "Lex Greis" an. "Der Greis Michi ist ein Bestandteil der Mannschaft, ein Leistungsträger. Wenn er topfit ist, geht es um keine Qualifikation, dann ist er für die Mannschaft sehr, sehr wichtig. Alles andere interessiert mich nicht."

Greis ist ehrgeizig. Einen WM-Platz ohne Norm würde er vermutlich sogar ablehnen, um niemandem eine Startmöglichkeit wegzunehmen. Vor allem dann, wenn sich der 35-Jährige vor seinem Heimpublikum keine reellen Chancen ausrechnet. Und dazu muss er zuallererst fit werden. 86 Prozent am Schießstand sind mehr als okay, aber in der Loipe fehlt noch eine ganze Menge, um konkurrenzfähig zu sein.

Eine Prognose ist derzeit unmöglich: Platzt der Knoten in Kontiolahti (10. bis 12. Februar) nicht, könnte die Heim-WM sogar ohne Greis stattfinden.

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