Das Wetterchaos in Skandinavien brachte die Fans zwar um noch mehr spannende Wettkämpfe, doch die Lichtblicke an diesem ersten echten Wintersportwochenende überwogen. Dank Lara, Miri und einem ganz coolen Polizisten. SPOX hat die Tops und Flops.
Tops
Lara Gut - Wortspiele aller Art mit ihrem Nachnamen verkneifen wir uns. Und gratulieren der 22-jährigen Schweizerin stattdessen zum überragenden Auftakt in die Olympia-Saison. Sölden und Beaver Creek, drei Rennen in drei Disziplinen, drei Siege. Das hat zuletzt Österreichs Legende Petra Kronberger anno 1990 geschafft.
Aber zufriedenes Zurücklehnen? Das ist nicht ihr Ding: "Das bedeutet nur, dass ich nun noch härter trainieren werde, um das Niveau zu halten." Harte Arbeit kennt Gut ganz genau. Und sie erinnert sich, wie schnell es mit dieser Rolle als Everybodys Darling wieder vorbei sein kann.
Mit 17 Jahren feierte Gut in Val d'Isere ihren ersten Weltcup-Sieg. Danach zwei WM-Medaillen. Alles war damals "ganz einfach". Doch es folgten eine schwere Hüftverletzung, ein ganzes Jahr Pause und der elende Kampf zurück. Dazu heftige Kritik in ihrer Heimat, weil sie an ihrem Privatteam festhielt und dem Schweizer Verband immer wieder Contra gab. Und weil sie nicht mehr so schnell war wie 2008.
Nun aber die ersten drei Siege nach der Hüft-OP. Und plötzlich ist sie im Schweizer Boulevard wieder das "Ski-Schätzchen". Die Fotografen hätten sie sicher gern auf einer Siegesparty abgelichtet. Stattdessen ärgerte sich Gut über ihre "großen Fehler". Im Ziel dieses fehlerhaften Super-G hatte sie übrigens 0,92 Sekunden Vorsprung auf die zweitplatzierte Anna Fenninger.
Marinus Kraus - Freund, Wank, Neumayer? Pustekuchen! Nach Andreas Wellinger (18) hat mit Marinus Kraus (22) der nächste DSV-Youngster einen zweiten Platz in der noch jungen Weltcup-Saison eingeheimst. In seinem erst sechsten Wettbewerb in der ersten Liga wohlgemerkt.
Klar, Insidern ist der Continentalcup-Sieger des Vorjahres ein Begriff. Und auch seinen Trainer Werner Schuster hat Kraus' Coup nicht sehr überrascht. Höchstens vielleicht die Coolness, mit der der Polizeimeister als Führender nach dem ersten Durchgang und damit Letzter im zweiten vom Balken ging. Mit einem blitzsauberen Sprung. Während kein Geringerer als Gregor Schlierenzauer in der Leaderbox zitterte. Das hatte vor genau einem Jahr in Lillehammer nicht mal Wellinger (von 1 auf 5) geschafft.
Und der Schlieri, zweifacher Tourneesieger, staunte nicht schlecht über den neuen Namen, der ihm in der Ergebnisliste bis auf 0,5 Punkte auf die Pelle rückte und Olympiasieger Thomas Morgenstern auf Rang drei verschob: "Die Deutschen haben immer wieder neue junge Springer. Sie sind eine gefährliche Truppe, auf die man aufpassen muss." Totally cool ließ sich Kraus anschließend auch das Gelbe Trikot verpassen, ehe er im Siegerinterview dann doch noch menschliche Züge zeigte. Aber Kuusamo, Kuopio, Hauptsache Finnland!
Miriam Gössner - Dass sie nur sechs Monate nach ihrem schweren Fahrradunfall überhaupt wieder auf schmalen Brettern durch Wälder läuft - und zwar im Weltcup - ist gelinde gesagt ohnehin ein Wunder. Und ein Sieg der Garmischerin über die ständigen Rückenschmerzen.
Dass Gössner aber noch dazu im Sprint von Östersund die acht(!)-schnellste Laufzeit aller 99 Starterinnen in die Loipe zaubert, grenzt an Hexerei. Und wirft Fragen auf: Wie talentiert ist dieses Mädel eigentlich? Und was bitteschön hat der Rest des zum großen Teil pumperlgesunden Feldes im Sommer so getrieben?
Seite 2: Vom widerspenstigen 208 bis zu zaudernden Windliebhabern
Flops
Zaudernde Jurys - Stures Durchhaltevermögen im Wetterchaos traf am ersten echten Wintersportwochenende gleich auf mehrere Kampfgerichte zu. Dass die Bedingungen in Östersund für die Biathleten mindestens hochgradig irregulär, wenn nicht gefährlich werden könnten, das bewiesen herumfliegende Werbebanden eigentlich schon eine halbe Stunde vor dem Start des Verfolgungswettbewerbes der Damen am Sonntag. Lief das Anschießen am Vormittag noch vergleichsweise regulär ab, machten Windböen der Stärke 7 am Mittag nicht nur den bibbernden Zuschauern im Schießstadion schlechte Laune.
"Als ich nach dem Stehendschießen in der Strafrunde war, hatte ich schon keine Lust mehr", so Doppel-Olympiasiegerin Andrea Henkel frustriert. Kein Wunder, bei acht Fehlern nach 15 Schuss. Kaum Sicht im aufgewirbelten Schnee, geschweige denn ruhiges Halten der Waffe - Biathlon war unmöglich.
Das sah während dieses dritten Schießens, vier oder fünf Fehler waren inzwischen die Regel, endlich auch die Jury ein und brach das Rennen ab. Der stellvertretende Rennleiter Borut Nunar brachte es auf den Punkt: "Das war kein Spaß da draußen."
Zäh, ganz zäh - Auch im finnischen Kuusamo fegte der Sturm den Terminplan durcheinander. Die Kombinierer kamen mit einem Tausch von Einzel- und Teamwettbewerb sowie dank eines gewerteten Probedurchgangs noch ganz gut durch. Wohl auch, weil sie mangels TV-Interesse jeweils recht früh starteten.
Die Skispringer aber erwischte es nach Klingenthal zum Auftakt schon am Donnerstag. Training und Qualifikation abgesagt. Zum Glück (nicht wahr Marinus Kraus?) hatte sich der Windgott am Freitag wenigstens halbwegs im Griff.
Die Krönung aber folgte am Samstag. Mangels Quali sollten 76 Springer in den ersten Durchgang gehen. Die ersten Bilder aber zeigten: Es wehte und wehte. Bis zu 6 m/s zeigten die Windmesser rund um den Schanzentisch. Trotz Windnetz. Die Jury konnte sich dennoch zunächst nicht zu einer Absage durchringen. Immer länger bibberten die Springer auf dem Turm. Rauf auf den Balken, runter vom Balken. Trauriger Höhepunkt: Jan Matura wartete geschlagene elf Minuten, bis er grün bekam. Sechs Mal setzte der Tscheche neu an. Anders Fannemel ging es nach ihm wenig besser.
Kurz darauf hatte die Wettkampfleitung dann aber doch ein Einsehen. Glückwunsch! Nach wohlgemerkt 102 Minuten. Es waren erst 37 Springer von der Schanze gegangen, zwei hatten zurückgezogen, saßen also noch 27 oben. Das hätte dann Pi mal Daumen noch einmal 90 Minuten gedauert. Na prima. Und vielen Dank für die schnelle Entscheidung!
Der widerspenstige 208 - Mit dem Neuen läuft's noch nicht. 208, das ist der neue Bob der Deutschen. Wobei neu relativ ist... Denn schon vor gut einem Jahr war das Gefährt der Forschungs- und Entwicklungsstelle für Sportgeräte (FES) fertig geworden. Nach ersten Tests mit dem neuen Sportgerät aber entschieden sich alle Athleten, den Weltcup 2012/13 mit dem alten Material zu bestreiten. WM-Medaillen folgten, Francesco Friedrich wurde jüngster Zweierbob-Weltmeister der Geschichte.
Jetzt führt kein Weg mehr am 208 vorbei. Es wurde weiter am Olympiaschlitten getüftelt, Ingenieure des BMW-Windkanals feilten an der Aerodynamik, widerspenstig aber ist der Bob noch immer. Er verlangt mehr Lenkung, reagiert aber ebenso schnell über. Daran gewöhnt haben sich die Sportler längst noch nicht, erste Praxistests fielen miserabel aus.
Gegen Überlegungen, die Überseerennen noch einmal mit dem alten Material zu bestreiten, hatte sich Bundestrainer Christoph Langen höchst persönlich durchgesetzt. Die Ränge sechs, elf und zwölf beim ersten Weltcup in Calgary an diesem Wochenende waren aber für Langen ebenso ernüchternd wie für die erklärten Medaillenkandidaten. Zum Formvergleich: Olympiasieger Steven Holcomb (USA) lieferte Bahnrekord ab.
"Wir haben trotz der ganzen Zeitumstellung in dieser Woche volle Kanne trainiert, volle Kanne Kraft gemacht und sind schnell gelaufen", so Langen nach dem Rennen. Was wie der Beginn einer schlechten Entschuldigung klang, mündete in eine klare Ansage: "Wir hatten schon gehofft, bis auf 5 Hundertstel dran zu sein." Stattdessen liegt der Rückstand auf die Spitze zwischen 0,44 und 0,93 Sekunden. Im Eiskanal ist das eine Ewigkeit, die Ernüchterung ist riesig.
Was Richtung Sotschi bleibt, ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Und die vage Hoffnung, dass die Nordamerikaner auf "ihren" Bahnen immer besonders gut unterwegs sind. Ein Lichtblick immerhin: Im Vierer fuhr Maximilian Arndt auf den starken zweiten Platz, nur 9 Hundertstel hinter Holcomb. Im 208. Na bitte!