"Das ist schon ärgerlich", schimpfte der 29 Jahre alte Partenkirchner nach dem verpassten Hattrick, den er am Sonntag auf den ersten Riesenslalom-Sieg eines Deutschen im Weltcup seit fast 41 Jahren folgen lassen wollte. Doch Neureuther grämte sich nur kurz. "Vielleicht tut's auch ganz gut, dann kehrt wieder ein bisschen Ruhe ein", meinte er.
Denn die konnte er nach seinem geschichtsträchtigen Ritt am Samstag über das berühmt-berüchtigte Chuenisbärgli im Berner Oberland gut gebrauchen. "Das ist echt brutal, gewaltig, ein Wahnsinn", stammelte er ungläubig nach dem Riesenslalom-Sieg.
Von Kumpel Bastian Schweinsteiger kamen Glückwünsche über "Facebook", DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier gratulierte an einem "extremen Glückstag" mit Tränen in den Augen zur "Hammer-Vorstellung". Und Max Rieger aus Mittenwald, der am 2. März 1973 im kanadischen Mount St. Anne als erster und bislang einziger Deutscher einen Riesenslalom im Weltcup gewonnen hatte, jubelte aus der Ferne mit.
Nach dem wilden Tanz völlig Baff
Der Freund der Familie Neureuther kennt "den Felix" schon, als der noch ein Baby war. "Er ist ein würdiger Nachfolger", sagte Rieger und trank "a Glaserl" auf seinen "Erben". Der war nach seinem wilden Tanz durch die Tore völlig baff. "1973 - da war ich noch nicht einmal geplant", sagte er über die historische Dimension seines Coups.
Als Siebter des ersten Durchgangs hatte er selbst davon nicht zu träumen gewagt. Doch als Vize-Weltmeister Marcel Hirscher, Champion Ted Ligety und der nach dem ersten Lauf Führende Thomas Fanara im Ziel waren, stand Neureuther noch immer in der "Leader's Box". Als das Zittern ein Ende hatte, hüpfte er durch den Zielraum und ließ sich ungläubig in den Schnee fallen.
Lob von Marcel Hirscher
"Für uns Österreicher ist es sehr schwer vorstellbar, dass man über 40 Jahre auf einen Sieg im Riesentorlauf warten muss. Aber Felix hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er zu den Besten der Welt gehört", sagte Hirscher.
Der Weltmeister revanchierte sich am Sonntag im Slalom mit seinem 22. Weltcup-Sieg. Neureuther, Zweiter nach dem ersten Lauf, lag bei der letzten Zwischenzeit nur 0,05 Sekunden zurück. Doch im Steilhang schied er bei einem Linksschwung aus. "Ich habe den Schwung ein bissl zu früh angesetzt, und dann war's vorbei", sagte er. Fritz Dopfer aus Garmisch wurde nach Platz 19 am Vortag 14.
Neureuther blieben 40.000 Franken (32.000 Euro) Siegprämie - und jede Menge Erinnerungen. Unmittelbar nach dem Triumph winkte er den Fans im Zielraum aus einer Gondel "wie die Queen Elizabeth" (Neureuther) zu. Am Abend schwebte "Superman" Neureuther mit der nach vorne gereckten linken Faust an einer Seilbahn hängend zur Siegerehrung ein.
Erst am nächsten Morgen begriff er so richtig, was ihm mit seinem siebten Weltcup-Sieg, mit dem er Vater Christian überflügelte, gelungen war. "Das hat ganz schön eingeschlagen in Deutschland", sagte er. Den Herrn Papa, kündigte er für seine Heimkehr an, "kann ich jetzt a bissl aufzieh'n".
Nur noch Wasmeier vor Neureuther
In der ewigen deutschen Bestenliste im Weltcup hat Neureuther jetzt nur noch Markus Wasmeier (neun Siege) vor sich. Wasmeier war 1985 Weltmeister und 1994 Olympiasieger im Riesenslalom - einen Weltcup gewann er nie in dieser Disziplin. Auch Neureuther schien davon noch vor wenigen Monaten weit entfernt zu sein.
"Wenn ich denke, wo ich vor zwei Jahren noch war im Riesenslalom, das hätte ich nie zu träumen gewagt. Das ist richtig geil", sagte er. Im vergangenen Jahr schaffte er es als Dritter in Adelboden immerhin zum ersten Mal aufs "Stockerl". Der Sieg jetzt sei "auch ein Verdienst unserer Trainer, die so hart mit uns arbeiten, und meiner Teamkameraden", sagte er.
Dass er ihm "auf so einem historischen Hang" (Neureuther) glückte, machte die Sache nur noch Schöner. Auf dem Chuenisbärgli haben die ganz Großen gewonnen. Killy, Schranz, Thöni, Stenmark, Zurbriggen, Girardelli, Tomba, Aamodt, Maier, Raich, Svindal. Und jetzt eben: Felix Neureuther.