Evi Sachenbacher-Stehle will im Kreise ihrer Familie in Ruhe über die Fortsetzung ihrer Karriere nachdenken, doch nach der drastischen Verkürzung ihrer Dopingsperre gibt es für die Biathletin Gegenwind. "Das ist so korrupt wie viele Urteile aus diesen selbst ernannten Gerichten", sagte Doping-Bekämpfer Werner Franke dem Fernsehsender "Sky Sport News HD" und nannte die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofes CAS kurz "irre".
Für den Molekularbiologen Franke ist es unmöglich, dass es sich im Falle der zweimaligen Langlauf-Olympiasiegerin um ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel handelte, das zu einem positiven Dopingbefund geführt hatte.
Bei ihm würde "jemand im ersten Semester in der Fleißprüfung durchfallen", wenn er das als Grund angeben würde: "Das ist unmöglich, das ist zugesetztes Zeug. Chemisch ist es nicht möglich, dass ein solches Aufputschmittel einfach so in ein Nahrungsergänzungsmittel gelangt."
Der Oberbayerin Sachenbacher-Stehle war bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi das verbotene Stimulans Methylhexanamin nachgewiesen worden. Am 17. Februar hatte es den positiven Test gegeben, die Biathlon-Umsteigerin erklärte ihn mit der Einnahme eines verunreinigten Nahrungsergänzungsmittels.
"Trauriger Tag"
In erster Instanz hatte der Biathlon-Weltverband IBU daraufhin die zweijährige Zwangspause verhängt, die am Freitag auf ein halbes Jahr reduziert wurde. Franke sprach in diesem Zusammenhang von "einem traurigen Tag".
Die 33-Jährige Sachenbacher-Stehle bekam durch das Urteil die rechtliche Möglichkeit, im Ende November beginnenden Weltcup wieder an den Start zu gehen. "In den nächsten Tagen" soll laut Anwalt Marc Heinkelein die Entscheidung fallen, ob sie das Gewehr endgültig an den Nagel hängt oder doch noch einmal angreifen wird.
Wegen fehlender Form gilt ein Start zu Saisonbeginn ohnehin als ausgeschlossen, bei den Heimweltcups in Oberhof und Ruhpolding wäre das schon realistischer.
Von Seiten des Deutschen Skiverbandes (DSV) werde man der einstigen Strahlefrau des Wintersports jedenfalls "keine Steine in den Weg legen", sagte Präsident Franz Steinle dem Münchner Merkur: "Die Frage, ob Evi ihre sportliche Laufbahn fortsetzt oder nicht, kann letztlich nur sie selbst entscheiden. Allerdings müsste sie sich natürlich wie alle anderen Athletinnen mit entsprechenden Leistungen für internationale Aufgaben qualifizieren." Auch Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig betonte, dass bei entsprechenden Leistungen "die Tür offen steht".
Es drohen Schadenersatzforderungen
Der IBU drohen unterdessen womöglich Schadenersatzforderungen. Die Anwälte der Biathletin kündigten an, dass es "möglicherweise auch noch juristische Konsequenzen nach sich ziehen wird", denn Sachenbacher-Stehle sitze seit drei Monaten "zu Unrecht eine Strafe" ab.
"Vor allem die Art und Weise, wie die IBU insgesamt mit ihrem Fall und ihrer Person umgegangen ist, hat bei ihr deutliche Spuren hinterlassen", hieß es in einer Erklärung.
Sachenbacher-Stehle äußerte sich seit der Urteilsverkündung noch nicht persönlich, sondern ließ in einem Schreiben lediglich verbreiten, dass sie "überglücklich" sei. Noch steht auch die ausführliche Urteilsbegründung durch den CAS aus. Sobald diese vorliegt und ausgewertet wurde, will die ehemalige Langlauf-Weltmeisterin mit ihren Anwälten umfassend über weitere Details des Falles informieren.