"Ich habe definitiv das Zeug zum Gesamtsieg", sagt der Niederbayer vor dem Auftaktspringen am Sonntag (16.30 Uhr im LIVE-TICKER) in Oberstdorf.
"Diesen Winter ist alles nach Plan gelaufen. Ich habe zwei Podestplätze und einen Sieg. Wenn die Chance da ist, will ich sie ergreifen", sagt Freund. Es sind ungewohnt forsche Töne des 26-Jährigen angesichts seiner persönlichen Tournee-Bilanz. Mehr als Platz sieben in der Gesamtwertung sprang für den Skiflug-Weltmeister bislang nicht heraus, im vergangenen Winter reichte es sogar nur zum 16. Rang. "Das nagt an uns", gibt Bundestrainer Werner Schuster zu.
Um 13 Jahre nach Sven Hannawalds legendärem Grand Slam und nach sechs Gesamtsiegen in Folge des Rivalen Österreich tatsächlich Skisprung-Geschichte zu schreiben, muss Freund vor allem die Hürde Garmisch-Partenkirchen nehmen.
"Besser vorbereitet als die letzten Jahre"
Die Olympiaschanze bereitet dem Rastbüchler an Neujahr regelmäßig Kopfschmerzen, vergangenen Winter verpasste er gar den zweiten Durchgang. Die Umstellung von Oberstdorf auf Garmisch hat Freund daher ausgiebig trainiert.
"Ich wähne uns besser vorbereitet als die letzten Jahre", sagt Schuster: "Severin ist wieder ein Jahr reifer. Mit Team-Gold bei Olympia und dem Titel bei der Skiflug-WM hat er noch einmal Substanz geschöpft." Zeit also, den Überfliegern aus dem Nachbarland ein Schnippchen zu schlagen? "Es gab zuletzt genügend österreichische Siege. Es ist Zeit für etwas anderes", sagt Freund.
Wenn Freund die Trumpfkarte im Aufgebot von Schuster ist, dann ist Richard Freitag der Joker. Nach seinem Sieg bei der Generalprobe in Engelberg gehört der Sachse etwas überraschend zum erweiterten Kreis der Favoriten. "Wir bekommen einen Springer dazu, der Topleistungen bieten kann.
Überraschung dieses Jahr unwahrscheinlich
Engelberg war der notwendige Befreiungsschlag", sagt Schuster. Freitags großer Vorteil: Er geht fast ohne Druck in die Tournee, Ähnliches gilt für Newcomer Markus Eisenbichler. Hoffnungsträger Andreas Wellinger fehlt dagegen verletzt.
Am Ende aber wird es vor allem darum gehen, in Oberstdorf eine Welle der Euphorie zu erwischen. So wie im vergangenen Jahr Thomas Diethart, der aus dem Nichts kam und zwei Wochen später die Tournee gewonnen hatte. Danach fiel der Österreicher wieder in ein Loch, nur mit Mühe schaffte es der Titelverteidiger überhaupt in das aktuelle Tournee-Aufgebot des neuen Trainers Heinz Kuttin.
An eine ähnliche Überraschung glaubt diesmal niemand. Werner Schuster zählt gar eine "Kerngruppe" auf, aus der seiner Meinung nach der Sieger kommen wird. "Michael Hayböck und Peter Prevc hatten nur einstellige Platzierungen, Roman Koudelka, Simon Ammann, Noriaki Kasai und Severin Freund Siege. Der Einzige, der das ins Wanken bringen kann, ist Richard Freitag. Der kann alle ärgern", sagt Schuster.
"Das wäre ein Wunder"
Bleibt die Frage nach Kamil Stoch. Der verletzte Doppel-Olympiasieger aus Polen hat in diesem Winter noch keinen Weltcup absolviert. "Mit ihm rechne ich nicht. Das wäre ein Wunder", sagt Schuster.
Es wäre ein Konkurrent weniger für Severin Freund, um endlich mit der Tournee seinen Frieden zu schließen. Immerhin: Zumindest mit dem Startort Oberstdorf verbindet Freund eine Art Liebesbeziehung. "Da kannst du ihn nachts um drei Uhr wecken", sagt Schuster: "Da springt er immer gut."