Seuchenjahr voller Krieg und Lügen

Von Robin Küffner
Anna Fenninger hat ein mehr als turbulentes Jahr 2015 hinter sich
© imago

Am Samstag beginnt die neue Ski-alpin-Saison mit dem Riesenslalom der Damen in Sölden (ab 9.30 Uhr im LIVETICKER). Anna Fenninger wollte nach ihrem chaotischen Sommer in sämtlichen Kategorien Mikaela Shiffrin ausstechen. Daraus wird nichts. Streit mit dem österreichischen Skiverband, Drohungen inklusive Verbandsaustritt und Karriereende, die Trennung vom Manager - und jetzt auch noch die schwere Trainingsverletzung, die das Saisonaus bedeutet und der absolute Tiefpunkt eines Horrorjahres ist.

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Die Nachricht, die am Mittwochmittag über die Newsticker verbreitet wurde, war ein Schock. Für die Fans und natürlich vor allem für Anna Fenninger selbst. Nur wenige Stunden nach einem Trainingssturz auf dem Gletscher in Sölden hatte die Olympiasiegerin traurige Gewissheit: Das vordere Kreuzband im rechten Knie war gerissen, dazu das innere Seitenband und die Patellasehne - ein Totalschaden.

"Anna hat sich im rechten Knie eine schwere Bandverletzung zugezogen, die einen operativen Eingriff erforderlich macht", erklärte ÖSV-Arzt Christian Hoser. Es ist der - leider - passende Abschluss eines desolaten Jahres 2015, das doch eigentlich so gut begonnen hatte.

Im dramatischen Finale von Meribel im März holte sie wie schon 2014 den Gesamtweltcup sowie den Sieg im Riesenslalom und zum ersten Mal den Gesamtsieg in der Kombination. Doch die Freude hielt nicht lange, es begann eine lange nicht enden wollende Posse.

Zoff mit dem Verband

Noch im Frühjahr kam es zum Streit mit dem österreichischen Verband. Die Ursache lässt sich zum größten Teil auf ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel zurückführen. Bisher war es sein Privileg, die österreichischen Superstars zu vermarkten. So waren unter anderem Hermann Maier, Benjamin Raich, Marlies Schild und aktuell Marcel Hirscher von ihm gemanagt worden.

Nur Fenninger ging ihre eigenen Wege. Als sie zwei weitere Trainer finanziert haben wollte, funkte Schröcksnadel dazwischen - und rief eine Eiszeit mit ihrem deutschen Manager Klaus Kärcher aus. Für den ÖSV war Kärcher ein rotes Tuch, Fenninger machte aber klar, dass sie sich nicht wegen Schröcksnadel von ihm trennen werde.

Der Vorwurf: Nötigung

Ihrem Ärger machte sie am 12. Mai in einer E-Mail Luft, die der SportWoche zugespielt wurde. Diese Mail - eigentlich an sechs Empfänger im ÖSV-Kreis gerichtet - beinhaltete sogar Rücktrittsdrohungen. Sie "werde sich nie von ihrem Manager trennen", schrieb Fenninger damals und begründete, dass er ihr "den Rückhalt eines unabhängigen Beraters" gibt, der nicht ständig in Interessenkonflikten gefangen sei.

Sie ging sogar noch weiter: "Ich empfinde das Verlangen nach einer Trennung als hochgradig unangemessen, um nicht von Nötigung zu sprechen." Außerdem kündigte sie an, eher ihre Karriere beenden zu wollen, als wegen des Verbands ihren langjährigen Manager zu entlassen.

Nachdem sich zwischenzeitlich sogar der Sportminister eingeschaltet hatte, erklärte Fenninger, dass sie dann doch auch den Verband nicht verlassen möchte. Auf einem Krisengipfel im Juni kam es scheinbar zum Durchbruch: "Wesentliche Ergebnisse" vermeldete der ÖSV, die laut Presseerklärung "den Weg für eine erfolgreiche sportliche Zukunft von Anna Fenninger" bereiteten.

"Ich habe diese Lügen satt"

Doch schon wenige Tage später brach der Burgfrieden. Die Salzburgerin erschien in einer Inseratkampagne von Mercedes-Benz in österreichischen Printmedien. Der Verband, gesponsert von Audi, sprach von Vertrauensbruch, die Fronten waren erneut verhärtet. Fenninger holte zum Rundumschlag aus. Via Facebook bezeichnete sie Schröcksnadel als "stolzen Tiroler, der die Hände nicht mehr runter bekommt" und fügte an: "Ich habe alle diese Lügen satt."

Ihr Anwalt verkündete am gleichen Tag, dass "Schröcksnadel Anna wohl rauswerfen wird". Das hätte bedeutet, dass ihr keine finanzielle Unterstützung mehr zustünde. Gerüchte kamen auf, nach denen die 26-Jährige den Verband wechseln würde, um womöglich für Deutschland zu starten. Der Wille, Fenninger aufzunehmen, wäre selbstredend da gewesen.

Am 18. Juni wurde schließlich eine Pressekonferenz des ÖSV einberufen. Klar war eigentlich für alle: Fenninger muss gehen. Doch Schröcksnadel verkündete überraschend die Einigung mit der zweifachen Gesamtweltcup-Siegerin.

Eine Geheimtreffen hatte es möglich gemacht: Der Head-Rennsportleiter Rainer Salzgeber vermittelte in eigenem Interesse ein Gespräch der beiden und trat als Mediator darin auf - mit Erfolg. Fenninger habe sich für die Angriffe auf Facebook entschuldigt und akzeptiert, dass Klaus Kärcher sie nicht mehr managen, sondern nur noch als Berater im Hintergrund fungieren darf.

Trennung vom Manager

Schröcksnadel erklärte damals, er habe einen Ausschluss der "nationalen Heldin" bewusst abgelehnt, weil der Verband kein Interesse daran habe, "so starke Leute zu verlieren. Aber großes Interesse, dass unsere Regeln eingehalten werden."

Eine Fortsetzung des "Krieges" bräuchte er hingegen nicht. Kärcher blieb gelassen. Er werde die Olympiasiegerin "wie bisher" vertreten und beraten, ÖSV-Angelegenheiten müsse sie aber selbst regeln. Eine andere Lösung wäre nicht infrage gekommen, weil sie weiterhin für den ÖSV fahren wollte.

Am 7. September aber folgte plötzlich der Umschwung von Fenninger. "Veränderungen gehören zum Leben und zur weiteren Entwicklung", erklärte sie: "Deshalb gehen Vitesse Kärcher und ich in Zukunft getrennte Wege." Die Trennung fand "im Interesse ihrer sportlichen Zukunft" statt, erklärte Kärcher damals.

Klar: Fenninger wollte die letzte Konsequenz, tatsächlich den Verband zu wechseln oder gar mit dem Leistungssport aufzuhören, verständlicherweise nicht ziehen. "Die Leidenschaft für den Skisport und die Erinnerung an die letzte Saison haben eine entscheidende Rollen gespielt, um die Sommer-Strapazen zu beenden und sich auf die neue Saison vorzubereiten", sagte sie gegenüber sportnet.at.

Verletzungsprobleme in der Vorbereitung

Als die Vorbereitung bereits auf Hochtouren lief, folgte der nächste Rückschlag - diesmal gesundheitlicher Art. Das Gletschertraining musste sie wegen Knieschmerzen abbrechen, die Patellasehne machte ihr mal wieder zu schaffen. Die 26-Jährige war aber zuversichtlich, dass die Verletzung keine Auswirkungen auf den Winter haben wird.

"Ich freue mich sehr, dass es wieder losgeht und finde, dass Sölden ein schönes Rennen ist - aber es ist nicht die ganze Saison", so Fenninger.

Als Ziel für die Saison setzte sie sich den Gewinn eines Rennens in der Abfahrt. "Ich will die skifahrerische Leistung, die in mir steckt, umsetzen und weiterentwickeln", fügte sie an und äußerte zudem den Wunsch, eine Speed-Kugel zu gewinnen. Und selbstverständlich wollte sie auch ihre Triumphe in Riesenslalom und Gesamtweltcup trotz der Konkurrenz von Mikaela Shiffrin erneut wiederholen.

Shiffrin vs. Fenninger? Der Showdown fällt aus. Nicht nur in Sölden, sondern in der ganzen Saison. Das Auf und Ab des Jahres 2015 endete für Anna Fenninger auf dem absoluten Tiefpunkt. Mit dem Abtransport in einem Hubschrauber. Der Weg zurück in die Weltspitze ist kilometerlang.

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