Mit einem Schießfehler lag Schempp im Ziel nach 20 km nur 27,1 Sekunden hinter der norwegischen Legende Björndalen. Der fehlerfreie "Kannibale", gleichermaßen Rekordweltmeister (19 Titel) und Rekord-Olympiasieger (8) feierte seinen 95. Weltcupsieg. "Ich habe nicht den ersten Platz verloren, sondern den zweiten gewonnen", sagte Schempp: "Ich bin wirklich sehr zufrieden. Der zweite Platz ist ein super Einstieg für mich."
Für seine Leistung wurde Schempp auch von Björndalen geadelt. "Er ist dieses Jahr ganz sicher der stärkste Athlet", sagte Björndalen: "Er war schon im letzten Jahr sehr stark und wird wahrscheinlich den Gesamtweltcup gewinnen."
Schempp nahm drei Tage nach dem zweiten Platz mit der Mixedstaffel den Klassiker offensiv in Angriff. Bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt gehörte der Schwabe in der Loipe zu den Besten, die ersten beiden Schießeinlagen absolvierte er trotz der großen Anstrengung ohne Hektik - und ohne Fehler. Erst beim dritten Anschlag ließ der Staffel-Weltmeister die erste und einzige Scheibe an diesem Tag knapp stehen.
"Vorbei ist vorbei"
"Naja, vorbei ist vorbei. Ein Fehler im Einzel ist trotzdem gut", sagte Schempp. Für seine letzten fünf Schüsse des Tages nahm sich der Schwabe wieder deutlich mehr Zeit - und das zahlte sich aus. Schempp verfehlte kein Ziel, brannte eine grandiose letzte Runde in den Schnee und löste gleich im ersten Einzelrennen des Winters das Ticket für die WM am legendären Holmenkollen von Oslo (3. bis 13. März).
"Ich hoffe, dass für mich in dieser Saison viel drin ist. Ich habe schon gesagt, dass ich auf einem ganz hohen Niveau durch die Saison kommen möchte", sagte der fünfmalige Weltcupsieger, der Björndalen mit Lob nur so überschüttete. "Er hat noch immer Spaß dran, wenn man das nicht hat, kann man Biathlon auf so einem Niveau nicht betreiben." Für Schempp selbst sei es jedoch eher unwahrscheinlich, dass er mit 41 Jahren noch dabei ist.
Lesser überzeugte nicht
Dass Schempp zum Auftakt des WM-Winters der mit Abstand beste Athlet des Deutschen Skiverbandes (DSV) war, hatte sich in vielerlei Hinsicht schon angedeutet. Bei den hochkarätig besetzten Testwettkämpfen in Sjusjoen feierte er zwei Siege, zudem befeuerten drei Weltcupsiege der Vorsaison die Zuversicht. "Meine Leistungswerte aus dem Sommer haben sich in der Schneevorbereitung bestätigt", sagte der Gesamtweltcup-Vierte des zurückliegenden Winters, "wir haben im Sommer alles richtig gemacht".
Als Zwölfter gelang zumindest Andreas Birnbacher (Schleching) noch die halbe WM-Norm. Erik Lesser als zweiter, hoch gehandelter DSV-Skijäger konnte die Erwartungen anders als Schempp nicht erfüllen. Der Staffel- und Verfolgungsweltmeister aus Frankenhain, der bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 im Einzel noch Silber gewonnen hatte, schoss viermal daneben und wurde nur 39. "Das war ein bisschen Hass", sagte Lesser: "Wenn man gleich den ersten daneben schießt, steht man eben unter Zugzwang. Ich bin nicht zufrieden."
Am Donnerstag (17.15 Uhr im LIVETICKER) dürfen dann auch die Frauen die Jagd nach Weltcup-Punkten aufnehmen. Im Einzelrennen über 15 km wird Überfliegerin Laura Dahlmeier (Partenkirchen) nach mehreren grippalen Infekten noch fehlen, dafür will Miriam Gössner (Garmisch) ihre alte Klasse unter Beweis stellen. "Ich merke, dass ich wieder in Form bin und mich auch im Rennen wieder gut fühle", sagte die 25-Jährige.