Olympia-Silber, WM-Bronze, Gesamtweltcup-Zweiter. Peter Prevc wurde zwar schon lange ein riesiges Talent nachgesagt, dennoch haftete ihm zugleich auch bis zu seiner triumphalen Machtdemonstration bei der Vierschanzentournee der Ruf als ewiger Zweiter an.
Vier Jahre war der 23-Jährige schon Teil des Weltcup-Zirkus, nun hat er endlich den lang ersehnten Durchbruch geschafft.
"Das ist die beste Zeit meines Lebens. Die vergangenen Tage waren unglaublich", sagte ein überglücklicher Tourneesieger in Bischofshofen: "Ich habe seit drei Tagen vor Nervosität nicht schlafen können. Dann werde ich auch heute Nacht nicht schlafen, sondern Party machen."
Und die hatte er sich redlich verdient. Prevc kann nämlich auf einen langen Weg zurück blicken. Mit 17 Jahren zeigte der junge Peter bei den Winterspielen in Vancouver, was in ihm steckt. Damals landete der Slowene auf dem siebten Platz. Seinen ersten Weltcup-Sieg holte sich "Misica" 2012 in Oberstdorf.
Kein Medienmensch
Von Anfang an stand sein Spitzname gleichzeitig auch für eine seiner vielen Stärken, die ihn heute zum kompletten, an Perfektion grenzenden Springer machen. Misica bedeutet Muskel. Prevc verfügt über einen gewaltigen Absprung. Gepaart mit seinem schnellen Anlauf und seiner Aggressivität macht ihn das derzeit unbezwingbar.
Keiner geht so tief in die Hocke, keiner zieht die Skier so nahe an den Körper. "Seine Technik ist die effektivste. Sein Flugsystem stimmt eigentlich immer", erklärte Vorjahres-Tourneesieger Stefan Kraft. Auch Severin Freund, sein ewiger Kontrahent, musste die Stärke des Slowenen neidlos anerkennen: "Es ist beeindruckend, mit welcher Konstanz und auf welchem Niveau er springt. Er lässt sich offenbar durch nichts aus der Ruhe bringen."
Es ist jene Ruhe, die ihn so stark macht. Sie bestimmt Prevc jedoch nicht nur beim Fliegen. Auch auf dem Boden ist der 23-Jährige eher introvertiert, "aber vor allem ein harter Arbeiter, der immer alles rausholt", weiß Freund. Gerade diese Akribie brachte Prevc auf ein Weltklasse-Niveau. "Ich habe gelernt, immer fokussiert zu bleiben, immer wieder aufzustehen", sagte der Überflieger.
Grenzen Strich los
Diese Einstellung ließ ihn zum besten Springer Sloweniens seit Primoz Peterka reifen. Doch Peter ist nur der Anfang. Die Prevc-Familie hat noch einiges im Köcher. Hinter dem Ältesten von drei Brüdern warten bereits Domen (16 Jahre) und Cene (19) auf ihre goldene Ära. Während Domen bereits im Weltcup mitmischt, konzentriert sich Cene noch auf sein Studium, "aber er wird kommen", versicherte Peter.
Mit Domen stand "Peter der Große" bereits zusammen auf dem Treppchen - und schaffte dabei Historisches. In Engelberg kam es zum ersten Familien-Doppelsieg der Geschichte, als Domen seinem Bruder zu einem seiner bisher sechs Weltcup-Siege in dieser Saison gratulieren durfte.
Trotz seiner Jugend und der damit einhergehenden Unerfahrenheit wird dem Kleinsten des Prevc-Klans bereits jetzt ein noch größeres Potenzial nachgesagt als seinem großen Vorbild Peter.
"Wie ein Schulbus"
"Er ist etwas ganz Außergewöhnliches. Das ist fliegerisch wahrscheinlich das Beste, was es jemals gab. Das ist Prevc 2.0", lobte DSV-Bundestrainer Werner Schuster den Youngstar in den Himmel. Doch auf dem Weg zum Upgrade muss Domen noch eine Menge lernen. Und das kann er vom Besten.
Die Erfolge seines Bruders überraschen den kleinen Prevc nicht mehr. "Das ist wie ein Schulbus, der jeden Tag kommt", beschrieb er die zur Routine werdenden Siege seines Bruders gegenüber Radio Val 202. Und Domen ist auf dem besten Weg zum Schulbus-Upgrade.
Wenn die Konkurrenz nicht bereits zusammenzuckt, wird sie es spätestens, wenn der dritte im Bunde zum Trio stößt. Cene ist im Anflug. Beim Continental Cup zeigte er mit einem vierten und einem achten Platz bereits, dass das Springen in der Familie liegt. Spätestens nächste Saison winkt dem 19-Jährigen der Weltcup. Die Fußstapfen sind da und das nicht erst seit Kurzem.
Wie die Ameisen
"Ich habe bei kleineren Wettbewerben in unserem Ort zugesehen, und das Skispringen hat mir gefallen. Dann habe ich es selbst probiert. Es hat mir Spaß gemacht. Mein Vater hat mich dann immer ins Auto gepackt und zum Skiclub gefahren", erinnerte sich Peter Prevc an seine Anfänge. Der Vater, Dore, ist Leiter einer Möbelfabrik und war selbst leidenschaftlicher Hobby-Springer.
Diese Liebe zum Skisprung wälzte er auf seine Nachfolger ab. Nicht nur seine drei Jungs fliegen durch die Lüfte. Die erst zehn Jahre alte Nika ist auf gutem Wege, ihren Brüdern auf die große Bühne zu folgen. "Wir würden gerne einen Mixed-Wettbewerb nur mit Prevc-Familienmitgliedern bestreiten", erzählte Peter der Morgenpost. Lediglich die sechsjährige Ema sträubt sich noch.
Bei solchen Genen darf die Konkurrenz schon mal zittern. "Da bleibt zu hoffen, dass es bis zu einem Dreifach-Sieg der Prevc-Brüder noch etwas hin ist", gab Freund zu. Doch bis dahin dauert es Gott sei Dank, oder besser gesagt hoffentlich, noch ein wenig.
Flugmodus An
Bis dahin muss sich der große Peter noch alleine Severin Freund und Co. stellen. Bei der Skiflug-WM am Kulm kommt es wohl wieder zum Zweikampf. "Unser Duell fasziniert die Menschen. Es ist lustig, dass Severin und ich so eine gemeinsame Geschichte haben. Er springt halt immer perfekt, wenn es darauf ankommt", sagte Prevc beim ZDF.
Skifliegen. Das ist die Lieblingsdisziplin Freunds. Erst in Willingen beim Teamspringen demonstrierte der amtierende Gesamt-Weltcup-Sieger seine überragenden Qualitäten in der Luft. Doch auch diese Disziplin beherrscht Prevc wie kein anderer.
Im Februar letzten Jahres knackte der Slowene im norwegischen Vikersund als erster Mensch die 250-Meter-Marke. Auf einen schwächelnden Prevc kann das Teilnehmer-Feld trotz der ereignisreichen vergangenen Wochen nicht hoffen: "Noch bin ich nicht müde. Es passiert gerade so viel, das mich wach hält. Wenn ich mit allem fertig bin, dann werde ich sofort einschlafen."