Als sich Speed Queen Lindsey Vonn nach einer weiteren historischen Schussfahrt mit einem Jubelschrei rücklings in ein Werbebanner fallen ließ, klatschte auch Annemarie Moser-Pröll mal wieder anerkennend Beifall. Die österreichische Ski-Legende hat ja Übung darin, ihrer Nachfolgerin aus den USA zu applaudieren. Vor einem Jahr gratulierte sie Vonn, als diese ihr den Rekord von 62 Weltcup-Siegen entriss. Am Samstag fiel nun eine weitere Bestmarke der 62-Jährigen.
Bei der Sprint-Abfahrt von Zauchensee, wo Viktoria Rebensburg (Kreuth) Platz sechs belegte, raste Vonn zu ihrem 72. Weltcup-Sieg - dem 36. in der Königsdisziplin. So viele Abfahrtstriumphe hatte zuvor nur Moser-Pröll gesammelt, die Vonn im Zielraum huldigte. "Annemarie ist so nett, es freut mich wirklich, dass sie hier ist, das bedeutet mir sehr viel", sagte Vonn nach ihrer Rekordfahrt am Kälberloch, "sie ist eine Legende unseres Sports". Das gilt längst auch für sie selbst.
Die 31-Jährige gewann erstmals bei einer Sprint-Abfahrt - das Format mit zwei Läufen auf verkürzter Strecke war letztmals vor 14 Jahren angewendet worden. Vonn wäre nicht Vonn, wenn sie bei ihrer Premiere nicht gleich noch eine Bestmarke in den Schnee gezaubert hätte. Genau eine Sekunde betrug ihr Vorsprung nach der Addition beider Laufzeiten auf die zweitplatzierte Larisa Yurkiw (Kanada).
Den bisherigen Rekord bei einem "Sprint" (zuvor acht Rennen) hielt die große Katja Seizinger (Halblech), die sich am 17. Dezember 1997 in Val d'Isère mit 0,49 Sekunden Vorsprung auf ihre Teamkollegin Hilde Gerg (Lenggries) durchgesetzt hatte.
Lotte Smiseth Sejersted stürzte schwer
Vonn, die bereits nach dem ersten Durchgang in Führung gelegen hatte, ließ es trotz schwieriger Bedingungen einfach aussehen. "Es fiel mir nicht leicht, locker zu bleiben, aber ich habe es geschafft", sagte sie. Wegen der vielen kleinen Wellen auf der technisch anspruchsvollen Piste habe sie versucht, "etwas runder zu fahren". Dabei konnte sie es sich sogar leisten, hier und da den Druck vom Ski zu nehmen oder einen Arm rauszustellen.
Auch Rebensburg zog den Hut vor Vonn. Was sie von ihrer eigenen Leistung halten sollte, wusste sie zunächst nicht so recht. Als die 26-Jährige, die zur Halbzeit Neunte war, mit Bestzeit im Ziel ankam, wackelte sie unentschlossen mit dem Kopf. Am Ende durfte sich Rebensburg aber über ihr bestes Saisonergebnis in der Königsdisziplin freuen. "Ganz gut", fand sie das, zumal sie nach einer Erkältung körperlich noch nicht wieder ganz auf der Höhe war.
Zahlreiche Athletinnen hatten mit dem Kurs Probleme. Lara Gut (Schweiz) schied wie Tina Weirather (Liechtenstein) aus, behielt aber ihre Führung im Gesamtweltcup vor Vonn.
Die Norwegerin Lotte Smiseth Sejersted stürzte schwer und musste mit Verdacht auf eine Knieverletzung ins Krankenhaus geflogen werden. "Wir befürchten, dass das etwas Ernstes ist", sagte Norwegens Alpinchef Claus Ryste dem Dagbladet. Sejersted war nach dem Sturz zunächst weinend im Schnee sitzen geblieben.