Prevc - "Irgendwann haut's ihn auf die Goschn"

SID
Peter und Domen Prevc zählen zum Favoritenkreis der Vierschanzentournee
© getty

Keine Spur von Domen, nichts zu sehen von Peter: Am Platz der mutmaßlichen Hauptdarsteller der 65. Vierschanzentournee herrschte bei der Auftakt-Pressekonferenz gähnende Leere und akuter Prevc-Mangel. Der slowenische Topfavorit und sein großer Bruder, immerhin Titelverteidiger, saßen derweil im gemütlichen Teamhotel und ließen Medientermine Medientermine sein. Unbegründet, unhöflich, aber nicht gänzlich unerwartet: Das doppelte Prevc-Phantom sorgt vor dem Tournee-Start in Oberstdorf für Eiszeit.

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"Nur als Hinweis: Niemand, der nicht bei der PK auf dem Podium saß, hat jemals die Tournee gewonnen", sprach Pressechef Ingo Jensen verstimmt ins Mikro. Zig angefressene Journalisten warteten vergeblich - Prevc und Prevc wird all das herzlich egal gewesen sein. Die gnadenlose Ignoranz gegenüber den Medien spricht entweder für reichlich Nervosität vor dem ersten Wettkampf am Freitag (16.45 Uhr) - oder ein grenzenloses Selbstbewusstein.

"Ich spüre keinen Druck, ich habe einfach Lust zu springen", hatte Domen Prevc jüngst gesagt. Und überhaupt: "Wenn ich gewinne, ist das okay, wenn nicht, fahre ich halt wieder nach Hause."

Der 17 Jahre alte Überflieger, Gesamtweltcup-Führender und viermaliger Saisonsieger, und sein zuletzt schwächelnder, sieben Jahre älterer Bruder Peter erschienen zwar am Mittwochabend noch zur Teampräsentation auf dem Oberstdorfer Kurplatz, augenscheinlich aber eher widerwillig: Kurz gaben sie den Winkaugust für die Fans, antworteten auf Nachfragen mit nicht erwähnenswerten Allgemeinplätzen.

"Er springt, wie Max Verstappen Formel 1 fährt"

Die charakterlichen Unterschiede zwischen den Brüdern wurden dabei nicht erst in Oberstdorf deutlich. Hier der erfahrene Peter, wortkarg, aber zumeist höflich. Dort der Springinsfeld Domen, wie auf der Schanze nassforsch, mitunter aber schnippisch, abkanzelnd. Ein wenig wirkt es, als suche Domen noch nach seiner Rolle. Bis er sie gefunden hat, nimmt er keine Rücksicht auf Verluste.

"Er springt, wie Max Verstappen Formel 1 fährt", sagt Bundestrainer Werner Schuster angesichts der wohl spektakulärsten Fluglage der Geschichte: "Aber so kannst du nur skispringen, wenn du noch nie mit 250 gegen die Mauer gefahren bist." Das Prevc'sche Spiel mit dem Feuer beeindruckt auch Schusters österreichischen Landsmann Alexander Stöckl: "Bei Domen hat man immer schon gesagt, irgendwann haut's ihn auf die Goschn, irgendwann draht's ihn um", meinte Norwegens Nationaltrainer im heimischen Idiom: "Aber der kann das, das ist faszinierend."

Es ist nicht so, dass die Slowenen ihr Juwel sehenden Auges ins Verderben springen lassen. Domen wird geschützt, wo es geht, vor sich selber, vor anderen. So hat der tollkühne Teenager bislang kein Skifliegen bestritten. Nicht auszudenken, wohin es Prevc im Vollgas-Modus von einem Riesenbakken wehen könnte. Und da gibt es immer noch das warnende Beispiel Primoz Peterka.

Presseboykott eine Gratwanderung

Sloweniens erstes Skisprung-Idol gewann 1996/97 kurz vor seinem 18. Geburtstag die Tournee - jünger war bislang nur das finnische "One Winter Wonder" Toni Nieminen 1991/92 (16 Jahre 7 Monate). Peterka wurde vom öffentlich Rummel fast erschlagen. Depressionen, Rauschmittel und Perspektivlosigkeit warfen ihn aus der Bahn.

Ein Weg, der Domen tunlichst erspart werden soll. Deshalb geht das Jahrhunderttalent weiter brav zur Schule - das Gimnazije Franceta Preserna besuchten auch Peter und der dritte Bruder Cene, der ebenfalls in Oberstdorf dabei ist. Und deshalb sollen die Medien Domen nicht über Gebühr in Beschlag nehmen können.

Ein Presseboykott wie in Oberstdorf ist deshalb teilweise verständlich, er ist aber wie alles im System Prevc eine Gratwanderung. Domen und Peter werden bei der Tournee zumeist Phantome bleiben - und die Konkurrenten sind die Geisterjäger.

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