Und eines war ihm ganz besonders wichtig. "Diese Medaille", sagte er unter Tränen, "gehört der Miri", seiner nicht für die Biathlon-WM nominierten Freundin Miriam Gössner. "Der geht es zu Hause nicht so gut."
Es ist selten, dass Neureuther über Gössner spricht, diesmal aber konnte und wollte er nicht anders. Es musste einfach sein. "Egal, wie schlecht es ihr ging, sie ist immer da gestanden und hat mich immer aufgebaut. Das ist menschlich für mich wirklich sehr, sehr groß, auch, dass sie sich nie beklagt, sie hat sich nie wichtig genommen, das zeigt den Charakter eines Menschen. Deswegen gehört mindestens die Hälfte ihr", sagte Neureuther nachdenklich und beinahe ernst, als er sich wieder ein wenig gefasst hatte. Dann grinste er und versicherte: "Jetzt geht's ihr schon besser."
Es war eine Medaille, mit der Neureuther vielleicht nicht mehr gerechnet hatte angesichts des Rennverlaufs - er war ja nur Zehnter gewesen nach dem ersten Lauf. Im Zielraum umarmte der überglückliche Felix dann erst den Österreicher Manuell Feller, der überraschend Silber gewonnen hatte, und warf sich dann halb auf den noch am Boden liegenden neuen Weltmeister Marcel Hirscher. Der war baff erstaunt, wen er da über sich sah: "Was machst Du denn hier?", rief er Neureuther verdutzt zu. Cheftrainer Mathias Berthold stieß hervor: "Boah, wie geil ist das denn."
Der erstaunte Ausruf von Hirscher, der sich nach Silber in der Kombination und Gold im Riesenslalom zum König von St. Moritz krönte, beschrieb nur äußerst unzureichend, was Neureuther durch den Kopf schoss. Ein kaputter Rücken seit dem Team-Wettbewerb am Dienstag, Rang 16 im Riesenslalom, Rang zehn nach dem ersten Lauf im Slalom - und dann das: "Es ist alles sehr emotional für mich", sagte, stammelte Neureuther, weinend vor Glück, "das ist echt sehr speziell mit den Problemen, die ich die letzten Tage hatte."
14 Jahre nach seiner erster WM
Wie viel Neureuther die dritte Einzelmedaille nach Silber 2013 und Bronze 2015 bedeutet, war nicht zu überhören, und nicht zu übersehen. Der 32 Jahre alte Partenkirchner ist darüber hinaus auch schon mal mit Mannschaftsgold (2005) und -Bronze (2013) dekoriert worden. "Ich denke, es sind doch meine letzten Weltmeisterschaften, schöner kann's nicht werden als hier in St. Moritz", sagte Neureuther. 14 Jahre zuvor hatte der mittlerweile 32-Jährige seine erste WM bestritten - ebenfalls in St. Moritz.
Zunächst aber ließ diese Bronzemedaille keinen kalt. Nicht die Eltern, "Gold-Rosi" Mittermaier und Christian Neureuther sowie Schwester Ameli, die live dabei waren. Nicht Hirscher, der betonte: "Das freut mich gewaltig für ihn." Und nicht den aufgewühlten DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier, der sich mit Cheftrainer Berthold in den Armen lag und betonte, "außer den zwei Goldmedaillen von Markus Wasmeier" (bei Olympia 1994) reiche bei deutschen Alpin-Männern nichts an Neureuthers Lebensleistung heran: "Er ist die Nummer eins."
Und wie so oft löste Neureuther gewaltige Emotionen aus. "Der Felix hat vorne geflennt, und die anderen haben alle hinten geflennt, weil es so eine emotionale Medaille war, die unter so hohem Druck gekommen ist", sagte Maier.
Im Überschwang der Gefühle wollte der Chef aber nicht über die ansonsten ernüchternde deutsche Bilanz in St. Moritz hinweggehen. "Der Felix hat uns den Arsch gerettet", sagte er. Drei Medaillen hatten sich die Alpinen des DSV erhofft. "Auch die Medaille von Felix wird nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir über viele Dinge nachdenken müssen. Es fehlt uns ein bisschen Nachwuchs und an Typen, die diesen Rennsport wirklich als Rennsport betreiben wollen", sagte Maier.