Georg Hackl "Schorsch" ist die deutsche Rodel-Legende schlechthin und über die Grenzen des Sports hinaus bekannt. Heute als Trainer von Felix Loch und Co. tätig, spricht er im Interview über die anstehenden Winterspiele in Südkorea und kritisiert die Geldgier des IOC.
Außerdem räumt der 51-Jährige mit Gerüchten zu Partys im Olympischen Dorf auf, erzählt von seiner erfolgreichen Karriere und berichtet über seinen Bierkonsum sowie von TV-Shows mit Stefan Raab.
SPOX: Herr Hackl, Sie arbeiten als Techniktrainer für das deutsche Rodelteam und sind somit bei jedem Weltcup-Wochenende mit dabei. Wie darf man sich Ihre Arbeit dort genau vorstellen?
Georg Hackl: Während der Trainings stehe ich an verschiedenen Schwerpunktstellen der Bahn und gebe, aus meiner langjährigen Erfahrung schöpfend, über Funk zeitnahe Hinweise, wo sich unsere Sportler verbessern können. Nach dem Training besprechen wir das Ganze dann ausführlicher auch anhand von Videoanalysen.
SPOX: Sie galten als aktiver Sportler immer als Tüftler, der stetig an seinem Schlitten gearbeitet hat. Inwieweit steht das auch jetzt noch im Vordergrund?
Hackl: Der gesamte Aufbau des Schlittens ist für eine gute Funktionsweise entscheidend. Entsprechend arbeiten wir täglich daran und versuchen immer, etwas nachzubessern. Je nach Kurvenradien, der Eisbeschaffenheit oder auch der Temperaturen muss zum Beispiel die geometrische Form der Kufen angepasst werden.
SPOX: Wie wichtig ist dabei das Feedback des Sportlers?
Hackl: Sehr wichtig. Der Sportler muss sein Gerät genau kennen und einen starken Bezug dazu haben. Die wichtigste Grundlage meiner Arbeit ist die absolut präzise und vertrauensvolle Rückmeldung der Sportler. Ohne diese kann ich nur wenig machen.
SPOX: Seit Jahrzehnten ist Deutschland eine Macht im Rodeln. Was sind die Gründe für diesen langanhaltenden Erfolg?
Hackl: Deutschland hat durch die Wiedervereinigung vier Bahnen und fünf Stützpunkte, an denen sportliche Leistungsentwicklung betrieben wird. Diese Stützpunkte stehen gewissermaßen in Konkurrenz zueinander, sodass überall richtig Gas gegeben wird und die gesichteten Talente immer weiter gefördert werden können. Darüber hinaus haben wir dank der Sportgruppen von Polizei und Bundeswehr sowie der Sport-Eliteschulen ideale Voraussetzungen für eine duale Karriere. Das ist ein System, das sehr gut funktioniert. Nichtsdestotrotz sind andere Nationen natürlich auch immer wieder in der Lage, uns Paroli zu bieten.
SPOX: Auch bei den anstehenden Olympischen Winterspielen?
Hackl: Das kann man nie wissen. Ich finde alles, was im Sport an Voraussagen getroffen wird, ist absolut vermessen und nicht angebracht. Hier treten die Besten der Besten gegeneinander an, an dieser Stelle irgendwelche Mutmaßungen anzustellen, ist aus meiner Sicht völliger Unsinn. Natürlich wollen wir so erfolgreich wie möglich sein, auch wenn ein Erfolg wie vor vier Jahren in Sotschi (vier Gold- und eine Silbermedaille; Anm. d. Red.) nur schwer zu wiederholen sein wird.
SPOX: Dennoch könnte Felix Loch Sie in Sachen Olympia-Medaillen einholen. Würde Sie das fuchsen?
Hackl: Nein, meine Erfolge stehen bereits in den Geschichtsbüchern. Und Felix ist ein so begnadeter Sportler, dass er meine Erfolge früher oder später ohnehin toppen wird. Ich habe zu ihm eine sehr enge Beziehung und freue mich wahnsinnig darüber, nicht nur als Sportler, sondern auch als Trainer erfolgreich zu sein. Im Grunde genommen veredelt Felix meine Medaillen also in besonderer Weise.
SPOX: Nach den Spielen in Sotschi haben Sie Felix Loch spaßeshalber dafür kritisiert, dass er sich "nicht richtig voll laufen lassen kann" und haben angemerkt, dass Sie ihn "noch nie besoffen und vollgekotzt im Schlamm kriechen" gesehen hätten. Kam derartiges denn bei Ihnen häufiger vor?
Hackl: (lacht) Nein, das habe ich immer gehasst. Ich habe eine natürliche Sperre und höre mit dem Trinken auf, wenn es richtig unangenehm wird. Ich trinke zwar gerne ab und zu ein Gläschen - oder auch zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben -, aber davon übergeben musste ich mich nur selten.
SPOX: Das Olympische Dorf gilt zuweilen auch als Party-Stätte. Sie waren insgesamt sechs Mal als aktiver Sportler dabei. Geht es dort wirklich so wild zur Sache?
Hackl: Im Olympischen Dorf gibt es überhaupt keine Partys. Würde man da eine schmeißen, gäbe es sofort Maßregelungen, weil andere Athleten vor ihren Wettkämpfen schlafen müssen. Wenn man seine Medaillen im Sack hat, wird daher höchstens mal außerhalb in irgendwelchen Locations wie zum Beispiel im Kufenstüberl oder im Österreich-Haus gefeiert. Dass es im Dorf so wild zugeht, sind alles nur Gerüchte.
SPOX: Genauso wie die angeblichen Kondome in jedem Zimmer?
Hackl: Ja, auch das ist ein großer Mythos. Ich habe diesmal bei der Einkleidung gefragt, wo denn die Kondome seien, von denen in den Medien immer berichtet wird. Da kam nur die Antwort "Kondome gibt's hier keine!" (lacht) Das geht ganz gesittet zu. Wenn dann tatsächlich mal Männlein und Weiblein zusammenfinden, dann machen die das so, wie es sonst auch auf der ganzen Welt üblich ist: Die lassen sich dabei nicht zugucken. Von Gruppensex-Partys kann also keine Rede sein. Ich habe davon jedenfalls noch nie was mitbekommen - was auch immer das heißen mag. (lacht)
SPOX: Sie selbst sind als Mitglied der CSU politisch aktiv und sitzen seit 16 Jahren im Kreisrat. Wie denken Sie über die viel kritisierte Olympia-Vergabe an Südkorea?
Hackl: Dass die Spiele in Südkorea ausgetragen werden, ist bei einer vernünftigen Bewerbung erstmal völlig legitim. Allerdings ist die olympische Bewegung in eine Schieflage geraten, wenn man sieht, dass demokratische Länder wie Deutschland, die Schweiz, Norwegen oder Kanada es in Bürgerentscheiden ablehnen, Olympische Spiele auszurichten und sagen, dass die Abkommen des IOC unfair sind und Knebelverträgen gleichkommen.
SPOX: Sie selbst haben Sich aktiv für Olympia 2018 in München eingesetzt.
Hackl: Richtig, ich habe da mein Herzblut reingesteckt und war entsprechend enttäuscht, als die Bürger am Ende dagegen gestimmt haben. Allerdings muss man solch eine demokratische Entscheidung akzeptieren und im Nachgang auch mal überlegen, warum die Leute so gewählt haben. Obwohl Werbe- und TV-Einnahmen explodieren, wird der Steuerzahler des Veranstaltungslandes über Gebühr belastet. Das ist einfach nicht mehr in Ordnung. Das IOC ist ein Klub von honorigen Herren, die alles in der Hand halten, dabei aber sehen sollten, dass sie die Einnahmen gerechter verteilen. Man muss sich nur mal die olympischen Regeln anschauen: Als Sportler darfst du kaum einen privaten Sponsor tragen, während das IOC riesige Plakatwände Länge mal Breite mit Sponsoren bedeckt. Der Sportler wird in seinen Möglichkeiten komplett beschnitten, nur damit die Sponsoren des IOC noch mehr glänzen können. Wenn das Olympische Komitee ein Monopol auf diese Einnahmen hat, kann man sich seine eigenen Gedanken machen, ob das gerecht ist. Ich hebe da sehr mahnend meinen Zeigefinger.
SPOX: Kommen wir auf Ihre aktive Karriere zu sprechen. Sie haben bereits zu Schulzeiten mit dem Rodeln angefangen, zunächst aber noch eine Ausbildung zum Schlosser absolviert. Wann haben Sie gemerkt, dass Sie das Rodeln hauptberuflich machen können?
Hackl: Durch das Sportfördersystem war das eigentlich recht klar vorgegeben. Ich habe meinen Realschulabschluss gemacht und ein Handwerk gelernt, hatte aber parallel bei Juniorenwettbewerben schon entsprechende Erfolge. Weil es damals noch die Wehrpflicht gab, musste ich zur Bundeswehr, wo ich dank meines Kaderstatus aber direkt die Möglichkeit hatte, in die Sportfördergruppe aufgenommen zu werden. Dadurch waren die Voraussetzungen für mich nochmal günstiger und ich konnte mich immer mehr auf meine Rodler-Karriere konzentrieren. Ich verdanke also der Bundeswehr sehr viel und sie ist einer der größten Förderer des deutschen Sports.
SPOX: Wie erwähnt, haben Sie im Laufe ihrer Karriere mehrfach an den Olympischen Spielen sowie an zahlreichen Welt- und Europameisterschaften teilgenommen und dabei fast 40 Medaillen gewonnen. Gibt es so etwas wie einen "Lieblingsmoment"?
Hackl: Natürlich gibt es da viele tolle Momente, besonders ist mir aber Lillehammer im Gedächtnis geblieben, wo ich 1994 Olympia-Gold gewonnen habe und ein Jahr später bei den Weltmeisterschaften zwar hinter Armin Zöggeler nur ganz knapp Zweiter geworden bin, aber durch eine Innovation am Sportgerät und eine super Fahrleistung einen Bahnrekord markieren konnte, der 15 Jahre Bestand hatte und auch heute nur um wenige Hundertstelsekunden unterboten wird. Das macht schon stolz.
SPOX: Einen Ihrer schwersten Momente hingegen erlebten Sie sicherlich bei der WM 1999. Auf Ihrer Hausbahn in Königsee stürzten Sie vor den Augen Ihrer Freunde und Familie gleich im ersten Lauf ...
Hackl: Ja, das war schon traurig. In meiner gesamten Karriere fand nur ein einziges Mal die Weltmeisterschaft auf meiner Hausbahn statt - und ausgerechnet da bin ich gescheitert. Ich war damals aber nicht zu doof zum Rodeln, sondern bin mit meinem Schlitten ein zu hohes Risiko gegangen. Ich wollte ein noch schnelleres Gerät bauen und hatte am Ende eines, das sich zumindest auf dieser Bahn als Fehlkonstruktion erwies. Um mir das wirklich einzugestehen, war ich zu dickköpfig. Obwohl ich schon vor dem Start wusste, dass die Chancen, da heil herunterzukommen, sehr gering sind. (lacht)
SPOX: 2005 hatten Sie großes Verletzungspech. Erst mussten Sie sich einer Bandscheiben-OP unterziehen, dann folgten eine schwere Viruserkrankung und eine Nervenentzündung im linken Arm. Bei den Winterspielen 2006 in Turin, dem letzten Wettkampf Ihrer Karriere, konnten Sie Ihre früheren Erfolge nicht wiederholen und gingen leer aus. War das für jemanden wie Sie, der so lange vorne mit dabei war, doppelt schwer zu verkraften?
Hackl: Nein, ganz im Gegenteil. Gerade weil ich diese Erfolge in meinem Leben feiern durfte, war das überhaupt nicht hart. Andere trainieren ein Leben lang und kommen nie dorthin, wo ich war. Verlieren gehört einfach zum Geschäft dazu und aufgrund der Umstände im Vorfeld kamen die Ergebnisse in Turin auch nicht überraschend. Außerdem waren meine Fahrten selbst ja richtig gut und sogar teilweise schneller als die vom späteren Olympiasieger Zöggeler. Einzig am Start habe ich zu viel an Boden verloren.
imagoSPOX: Rodeln gilt hierzulande trotz der Erfolge als Randsportart, Sie selbst sind aber über die Sportgrenzen hinaus bekannt. Wie erklären Sie sich Ihre Beliebtheit?
Hackl: Das ist eine schöne Anerkennung der Fans. Aber warum ich beliebt bin? Keine Ahnung. Ich versuch einfach so zu sein, wie ich bin - authentisch eben. Man kann ja eh nichts anderes machen. (lacht)
SPOX: Vielen Menschen dürften Sie hierzulande auch durch ihre Teilnahme bei Stefan Raabs "Wok-WM" kennen. Als Rekordweltmeister haben Sie den Beinamen "Wokl-Schorsch" erhalten. Daher zunächst einmal die Frage: Wie fährt es sich mit einem Wok durch den Eiskanal?
Hackl: Mit einem Rodelschlitten ist das überhaupt nicht zu vergleichen. (lacht) Der Wok ist deutlich langsamer und man kann ihn überhaupt nicht lenken, weshalb man eine dicke Schutzausrüstung tragen muss, um sich nicht zu verletzen.
SPOX: Wie war der Konkurrenzkampf mit Stefan Raab? Er gilt gemeinhin als sehr ehrgeizig.
Hackl: Dass Stefan Raab mich als Eisbahn-Experten dabei haben wollte, hat mich natürlich sehr gefreut. Über ihn als Menschen kann ich aber nicht viel sagen, da er immer sehr abgeschirmt und extrem unnahbar war. Eigentlich hat er sich nur vor der Kamera mit einem unterhalten. Als Showmaster ist er aber zweifellos ein Top-Profi.