SPOX traf Stenmark auf der ISPO, der größten Messe der Sport-Industrie, in München und sprach mit dem 62-Jährigen über sein Leben als schwedischer Nationalheld, das mögliche Karriereende von Felix Neureuther und Dominator Marcel Hirscher.
Herr Stenmark, haben Sie ein paar Minuten Zeit für ein Interview? Während Ihrer aktiven Karriere waren Sie ja eher zurückhaltend in Gesprächen mit Journalisten.
Ingemar Stenmark: (lächelt) Das stimmt, als aktiver Skirennläufer habe ich nach den Rennen nicht so viel gesprochen. Mir tun die Athleten von heute leid, die sich vor, zwischen und nach dem Rennen äußern müssen. Und dann müssen sie auch noch etwas auf ihren Social-Media-Kanälen posten. Das wäre nichts für mich gewesen. Aber inzwischen gebe ich ab und zu gerne Interviews. Was wollen Sie wissen?
Zum Beispiel, wie es für Sie als zurückhaltenden Menschen damals war, gemeinsam mit Björn Borg im Tennis so ein Held zu sein?
Stenmark: Für mich war es in erster Linie ein riesengroßer Druck. Wissen Sie, ich bin in einem ganz kleinen Dorf im Norden Schwedens geboren. Und plötzlich stand ich so sehr im Rampenlicht, ich musste lernen damit umzugehen. Besser wurde es, als ich nach Monte Carlo gezogen bin, wo ja viele berühmte Personen wohnen. Da hat sich niemand für mich interessiert. Das hat es viel leichter gemacht und ich konnte etwas relaxen.
Worauf sind Sie in Ihrer so legendären Karriere am meisten stolz?
Stenmark: (überlegt lange) Das ist wirklich eine schwierige Frage. Worauf bin ich am meisten stolz? Es sind nicht die 86 Siege. Ich habe in einem gewissen Zeitraum 64 von 128 Rennen gewonnen, 50 Prozent. Diese Quote ist beeindruckender als die Gesamtzahl an Siegen und macht mich stolz. Ansonsten bin ich vor allem glücklich, dass ich viele Freundschaften geschlossen habe während meiner Karriere. Ich war ein leidenschaftlicher Skirennfahrer, ich habe es wirklich geliebt und habe es nach der Karriere auch ein paar Jahre sehr vermisst.
Ingemar Stenmark über Marcel Hirscher und Felix Neureuther
Sie haben Ihren Rekord von 86 Siegen angesprochen. Lindsey Vonn war Ihnen dicht auf den Fersen (82 Siege), aber nach der Ankündigung ihres Karriereendes wird die Amerikanerin ihn nicht mehr brechen können.
Stenmark: Es ist sehr traurig, dass Lindsey Ihre Karriere jetzt auf diese Art und Weise beenden muss. Ich hätte Ihr den Rekord gegönnt. Sie war so nahe dran, es ist schade. Als ich ihn damals gebrochen habe, war mir der Rekord wichtig, jetzt ist er mir völlig egal. Ich glaube, dass Mikaela Shiffrin den Rekord irgendwann sicher brechen wird. Sie ist unglaublich.
Aber vorher wird ihn erst einmal Marcel Hirscher brechen, oder? Er steht jetzt bei 68 Weltcup-Siegen.
Stenmark: Ja, wenn Hirscher nicht aufhört, Rennen zu fahren, wird er mich einholen und den Rekord brechen. Ich bewundere seine Technik, er hat so viel Power und fährt so aggressiv. Aber ich finde es auch großartig, dass es jetzt einen Mann wie den jungen Franzosen Clement Noel gibt. Er ist ein völlig anderer Typ als Hirscher und fährt völlig anders, aber beide Techniken sind gut. Aus schwedischer Sicht hoffe ich im Slalom bei unserer Heim-WM aber natürlich auf Andre Myhrer. Ich glaube, dass Myhrer eine gute Chance hat, weil der Hang nicht so steil ist und ihm liegen sollte.
Und Deutschland hofft natürlich auf Felix Neureuther, auch wenn eine Medaille aktuell nicht realistisch erscheint.
Stenmark: Für Felix könnte es schwierig werden, weil er nicht in der Position ist, um eine der optimalen Startnummern zu bekommen. Ich habe gehört, dass er seine Karriere vielleicht nach dieser Saison beenden wird. Das wäre schade. Ich glaube, dass er in der nächsten Saison wieder ganz nach oben kommen könnte, wenn er weitermacht. Aber er hatte natürlich wirklich Pech mit Verletzungen. So oder so hatte Felix eine fantastische Karriere.