Hoher Einsatz in Monaco: Nur einen Steinwurf vom legendären Spielcasino in Monte Carlo entfernt setzt IOC-Präsident Thomas Bach alles auf eine Karte. Sollte die Weltregierung des Sports zentrale Punkte seiner Agenda 2020 ablehnen, wäre das für die olympische Bewegung und seinen deutschen Präsidenten ein Desaster.
Noch hat Bach Zeit, die IOC-Familie auf die größten Veränderungen ihrer jüngeren Geschichte einzuschwören. Ab Freitag trifft sich die Exekutive im Grimaldi-Forum zu Vorgesprächen. Montag und Dienstag stimmen dann 115 IOC-Mitglieder auf ihrer Session im Kongresszentrum des Fürstentums über die Aufnahme der Agenda-Punkte ab. Gastgeber ist Fürst Albert II, ebenfalls Mitglied der Ringe-Riege.
Reform unverzichtbar
Eins ist klar: Die dramatisch gesunkene Anzahl von Bewerbern für die Ausrichtung von Olympischen Winterspielen hat zuletzt verdeutlicht, dass ein "Weiter so" nicht möglich ist. Reformen sind unverzichtbar. Der Gigantismus der 50-Milliarden-Dollar-Spiele von Sotschi war noch einmal Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Schon lange sah es nicht mehr so schlecht für die olympische Bewegung aus. Bach kommentierte die Situation so: "Jetzt ist die Zeit da für den Wechsel."
"Macher" Bach hat alles von langer Hand vorbereitet. Vor zwei Wochen präsentierte er die 40 Verbesserungsvorschläge seines Programms. 140.000 Mails wurden ausgewertet, 14 Arbeitsgruppen formulierten die Thesen aus. Herausgekommen ist ein Wurf, der sich sehen lassen kann, der allerdings in seiner Unkonkretheit noch mit Fakten gefüllt werden muss.
"Neue Philosophie"
Die wohl wichtigsten Änderungen betreffen das Bewerber-Verfahren. Bach spricht von einer "neuen Philosophie". Olympia soll billiger werden und sich den Bedürfnissen der Stadt anpassen. Teure Präsentationen werden reduziert, Reisekosten übernommen. Das IOC stellt den derzeit 50 Millionen Euro teuren Bewerbungen einen "signifikanten finanziellen Beitrag" in Aussicht. Zudem wird der Vertrag mit der Ausrichterstadt (Host City Contract) öffentlich gemacht.
"Die Vorschläge der Olympischen Agenda 2020 sind so gestaltet, dass der Bewerber-Prozess auf einen positiven Weg geführt werden kann", sagte Norwegens Wintersport-Legende und IOC-Mitglied Ole Einar Björndalen über die Reform. "Der Zuspruch ist sicher gut. Höchstwahrscheinlich werden alle 40 Anträge angenommen", glaubt das Schweizer IOC-Mitglied Gian-Franco Kasper.
Agenda von Bedeutung für DOSB
Weniger Gigantismus soll auch in Bezug auf die Teilnehmerzahl erreicht werden. Die Obergrenze bei Sommerspielen wurde auf 10.500 Athleten festgelegt. Die Zahl der Entscheidungen soll 310 nicht überschreiten. Diskriminierungen von Athleten und Olympia-Teilnehmern wegen ihrer sexuellen Neigungen, die vor allem im Vorfeld der Winterspiele in Sotschi zum Thema geworden waren, sollen laut Bach bald der Vergangenheit angehören.
Von großer Bedeutung ist die Agenda auch für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), der sich mit Hamburg oder Berlin für Olympische Sommerspiele 2024 bewerben will. Entsprechend überschwänglich wertete der DOSB das Bach'sche Reformpaket. "Wir gratulieren dem IOC und seinem Präsidenten Thomas Bach zu diesen Vorschlägen. Sie sind ein großer, wichtiger und richtiger Schritt in die olympische Zukunft. Damit werden die Spiele wieder näher an die Menschen und die Natur gebracht", sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann.
Die Olympia-Gegner in Deutschland bleiben kritisch. Das Aktionsbündnis "NOlympia" in Berlin will Olympische Spiele trotz Reform weiter verhindern und teilte über die Agenda mit: "Einige Punkte sind sehr anerkennenswert. Dass die Spiele kostengünstiger werden und die Diskriminierung von Schwulen und Lesben bekämpft wird, sind gute Entwicklungen. Doch der große Wurf für die ausrichtenden Städte ist bisher nicht erkennbar."