"Die Vergabe an Peking birgt ganz klar die Gefahr, dass es bei der Vorbereitung und Durchführung der Olympischen Spiele wie bei den Sommerspielen 2008 zu Menschenrechtsverletzungen kommt", sagte Wolfgang Büttner von Human Rights Watch Deutschland dem SID.
Das IOC geriet am Freitag ins Kreuzfeuer, und auch Hamburgs Olympiaplaner mussten sich nach der in Deutschland wenig populären Entscheidung für Spiele in China einiges anhören. "Mit seiner Bewerbung verschafft Hamburg dem IOC eine Legitimation dafür, dass es sich immer wieder mit autoritären Regimen einlässt, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden", sagte Florian Kasiske von NOlympia Hamburg. Ein Vorwurf, der aus der Hansestadt jedoch direkt zurückgewiesen wurde.
"Es ist wichtig, nicht nur zu kritisieren, sondern sich auch einzubringen und dem IOC Alternativen aufzuzeigen. Dies tun wir mit der Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024", sagte Hamburgs Innen- und Sportsenator Michael Neumann auf Anfrage des SID.
Kritik auch von Seiten der Sportler
In Kuala Lumpur hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) der favorisierten chinesischen Hauptstadt den Vorzug vor dem Mitbewerber Almaty/Kasachstan gegeben - wenn auch nur mit einem hauchdünnen Vorsprung von 44:40 Stimmen bei einer Enthaltung. Peking wird damit die erste Stadt, die nach Sommer- auch Winterspiele austrägt.
Ein Fakt, der nicht alle Wintersportler sofort begeistert. "Schön zu sehen, dass die Olympischen Winterspiele wieder an einen traditionsreichen Ort vergeben wurden. Da kann man sich jetzt schon auf die Massen an Fans freuen", schrieb Biathlet Erik Lesser voller Ironie bei Facebook.
"Die Glaubwürdigkeitskrise der großen internationalen Sportverbände hält weiterhin an", meinte Özcan Mutlu, der sportpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. "Es war nur noch die Frage zu beantworten, was wohl das kleinere Übel war" kommentierte Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag. Beide wiesen auch auf eine Einschränkungen in der Meinungs- und Pressefreiheit beziehungsweise auf fehlenden Natur- und Umweltschutz im Reich der Mitte hin. Doch zentraler Aspekt der Kritiker waren die auch nach den Spielen von 2008 fortgesetzten Menschenrechtsverletzungen.
Menschenrechtsverletzungen im Fokus
"Das IOC hat bereits in seinem Evaluierungsbericht kritische Themen wie Menschenrechte, Pressefreiheit und Arbeitsrechte pro-aktiv angesprochen und sich schriftliche Zusagen von der Regierung zur Einhaltung der Olympischen Charta geben lassen", sagte Präsident Alfons Hörmann vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) in seinem Statement.
"Es bleibt zu hoffen, dass durch die Entscheidung, die Olympischen und Paralympischen Spiele nach Peking zu vergeben, die positiven Wirkungen des Sports schrittweise dabei helfen, die Menschenrechte zu respektieren", sagte Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertenportverbandes (DBS), der betonte, dass nach den Sommerspielen 2008 in China eine gute Entwicklung für Sportler mit Behinderung eingetreten sei.
Human Rights Watch gehen die Ankündigungen des IOC nicht weit genug. "Es ist ein Test für die Agenda 2020, in der auch Menschenrechtsstandards festgehalten sind. Das IOC kann beweisen, dass es diese Reformen ernst meint", sagte Büttner und forderte einen unabhängigen "Überprüfungsmechanismus". Falls dann schwere Verstöße festgestellt werden sollten, könnte dies aus seiner Sicht nur eine logische Konsequenz haben: Die letzte Sanktion müsse darin bestehen, "dass man die Spiele 2022 China wieder entzieht", sagte er.
Experten zweifeln an Interresse der Bevölkerung
"Die Propaganda-Maschine ist angeworfen, aber wohl niemand hat bei den normalen chinesischen Menschen nachgefragt, was sie davon denken", sagte der Historiker Xu Guoqi der Nachrichtenagentur AFP: "Das IOC hat eine Entscheidung getroffen und denkt, es ist damit auf der sicheren Seite. Es hat sich für Peking entschieden, weil es weiß, dass die Stadt die Spiele abliefern wird."
Auch Susan Brownell, Gastdozentin für Sinologie an der Universität Heidelberg, sieht in Pekings Erfahrung mit Großveranstaltungen den Grund für den Zuschlag. "Die Winterspiele sind den Leuten jedoch weit wenig wichtig als Sommerspiele", sagte die Wissenschaftlerin.